Hinter den Kulissen: Dreharbeiten zum Online-Gottesdienst für Heiligabend

Löhne. Licht aus, Baum an. Das ist womöglich der eindrucksvollste Augenblick an Heiligabend. Wenn alle Luft holen, um &bdquo;O du fröhliche" zu schmettern, ist es zwar nur einen Wimpernschlag lang still. Doch in diesem winzigen Moment steckt das Geheimnis von Weihnachten. Für Uwe Stintmann ist das der Gänsehautmoment schlechthin. Danach kann nichts mehr kommen. Außer Geschenken. Stintmann verbindet damit aber auch noch eine gewisse berufliche Erleichterung. Für den Pfarrer der Kirchengemeinde Gohfeld ist nach dem Lied nämlich die Arbeit getan. So war es jedenfalls in den Jahren vor der Coronakrise. Und zwar ganz egal, wo gesungen wurde: im Gottesdienst oder zuhause mit der Familie unterm Christbaum. Nach &bdquo;O du fröhliche" kehrt Ruhe ein. An diesem Abend in der Gohfelder Simeonkirche ist alles anders. Das Mitsingen ist verboten, das Licht in der Kirche bleibt an und nach dem Weihnachtsschlager &bdquo;O du fröhliche" kommt auch noch eine ganze Menge Programm. Das Drehbuch der Aufnahmeleiterin sieht zum Beispiel vor, dass Pfarrer Eckhard Teismann erst jetzt vor den Altar tritt, um die Gemeinde zu begrüßen. Die Kirchgänger in Gohfeld werden davon Heiligabend nichts merken. Der Gottesdienst ist bereits am Dienstag, 15. Dezember, mit Kamera und Ton aufgezeichnet worden. Einen Tag vorm Lockdown. Das Drehbuch richtet sich danach, wann die Darsteller am Tag der Aufzeichnung Zeit für ihren Auftritt haben. Die frohe Botschaft kommt aus dem Internet Für den fertigen Film wird die gewohnte Weihnachtsreihenfolge hergestellt. Ein Film entsteht schließlich im Schnitt, besagt eine Binsenweisheit der Branche. Und darum kümmert sich die Firma &bdquo;Nerd Star" aus Bielefeld. Die Firma ist auf Liveübertragungen von Computerspielen spezialisiert und in der Gamer-Szene zuhause. In der Coronakrise erschließen sich die jungen Unternehmer eine ziemlich alte, neue Kundschaft und sorgen so dafür, dass die frohe Botschaft von Christi Geburt auch aus der Simeonkirche ins Cyberspace gesendet wird. Für Löhnes älteste Kirchengemeinde ist das Internet kein Neuland mehr. Wegen der Coronakrise haben die Pfarrer Eckhard Teismann und Harald Ludewig zu Ostern bereits aus der Matthäuskirche Mahnen gesendet. Da durfte noch ein Posaunenchor mitspielen. Der Obernbecker Jugendreferent Jan Manuel Strothmann filmte damals reihum die Gottesdienste der Kirchengemeinden im Löhner Exegeticum und setzte sie am Computer zusammen. Eine Heidenarbeit. &bdquo;Das war noch handgeschnitzt", sagt Teismann. Neun Monate später müssen die Gläubigen wieder ein hohes christliches Fest im Netz verbringen. Eigentlich hatte die Gemeinde zahlreiche Präsenzgottesdienste für Heiligabend geplant. Kürzer als sonst, draußen, öfter und mit weniger Menschen. Doch ausgerechnet in dem Augenblick, als Teismann davon in der Sakristei der Simeonkirche erzählt, stürmt Pfarrer Harald Ludewig mit einem Zettel in der Hand hinein, darauf die Nachricht: Die evangelische Landeskirche sagt alle Präsenzgottesdienste ab. Teismann liest den Zettel, seufzt und sagt: &bdquo;Videogottesdienste werden immer wichtiger." Der Tontechniker hört jeden Lkw - und die Pfarrer aus der letzten Bank Die Profis von &bdquo;Nerd Star" sind vorbereitet. Mit einem Aufnahmeteam sind sie angereist, haben Kabel verlegt, Mikrofone ausgerichtet und Scheinwerfer vor der riesigen Nordmanntanne und der Krippe aufgebaut, als gelte es, ein Krippenspiel ins rechte Licht zu setzen. Verkleidete Katechumenen sind dieses Jahr nicht zu sehen. Stattdessen predigen zwei Pfarrer über die unscheinbaren Gestalten der Krippe. Der ganze Gottesdienst dauert nur eine halbe Stunde. Die Aufnahme dagegen deutlich länger. Am anderen Ende des Kirchenschiffs lauscht Tobias Volkmer in seine Kopfhörer. Der Tontechniker steuert bis zu 17 Tonspuren an seinem Mischpult und nimmt jeden Pieps auf. Er hört jeden Lastwagen auf der Weihestraße und muss auch immer wieder mal die drei Pfarrer, die sich nach ihrem Auftritt in 1,5 Meter Abstand und mit Mund-Nasen-Schutz auf den hinteren Kirchenbänken lümmeln, zu Stille mahnen. Apropos Stille Nacht: Der einzige Mensch, der an diesem Drehtag Kirchenlieder in der Kirche singen darf, ist Regina Nußbaum. Die Sängerin hat früher in den brechend vollen evangelischen Christvespern und Christmetten in Gohfeld mit ihren Geschwistern im Chor gesungen oder im Ensemble gespielt. Nun steht sie allein auf der Empore der Simeonkirche und singt &bdquo;O du fröhliche" in eine ziemlich menschenleere Kirche. Der Sängerin versagt die Stimme bei "O du fröhliche" Kameramann und Produzent Marcel Menk filmt den Gesang von vorn, was die Sängerin offenbar irritiert. Es ist gar nicht so einfach, beim Musizieren gleichzeitig auch noch fürs Fernsehen gut auszusehen. Der Kameramann beruhigt: &bdquo;Ich filme alles zweimal." Die Sängerin könne sich also einmal auf die Musik und einmal auf die Kamera konzentrieren. Im Schnitt werde er dann zu den guten Bildern die bessere Tonspur auswählen. Das hilft der Sängerin zwar für den Moment, trotzdem versingt sie sich mehrmals. Unten auf den letzten Kirchenbänken sorgt das für fröhliche Unruhe. Mit den drei Pfarrern warten dort inzwischen auch die Presbyter auf ihren Einsatz. Sie lesen im Gottesdienst die Weihnachtsgeschichte und sprechen die Fürbitten. Der Drehplan ist eng getaktet und weil es auf der Empore hakt, hängt die Produktion. Wenn die Stimme versagt, hilft meist ein Schluck Wasser. Nach einer gefühlten Flasche und weiteren Abbrüchen feixt Eckhard Teismann unten aus der Kirchbank: &bdquo;Die Versprecher kommen alle in den Abspann!" Da klappts dann auf einmal doch mit den &bdquo;Himmlischen Heeren", die jauchzend von der Empore Ehre erweisen. Der Pfarrer hätte auch rufen können: &bdquo;Fürchtet euch nicht!" Ab heute im Internet Die Aufzeichnung wird Heiligabend ab 15 auf der Internetseite der Gemeinde Gohfeld veröffentlicht. Zu finden ist er unterwww.kirchengemeinde-gohfeld.de Auch in Obernbeck wurde ein Gottesdienst online gestellt. Den gibt es ab 15 Uhr unterwww.kirchengemeinde-obernbeck.de Schon ab 14 Uhr ist ein Online-Gottesdienst aus Mennighüffen abrufbar.www.kirchengemeinde-mennighueffen.de In Löhne-Ort gibt es um 11 und um 15 Uhr einen Zoom-Gottesdienst. Zugangsdaten sind per E-Mail an kircheloehneort2@hotmail.de erhältlich. Mittlerweile hat auch die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde ihre Weihnachtsgottesdienste abgesagt. Ersatzweise wird eine Christvesper aus der Kreuzkirche bei Youtube angeboten.

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