Erinnerungen an die Textilfabrik Dreyer: Verstecken spielen im Lager

Löhne. Im August wurde an der Lübbecker Straße das ehemalige Gebäude der Textilfabrik Dreyer abgerissen. Nach der Schließung von Dreyer hatte dort Bruno-Kleine seinen ersten Löhner Filialstandort, bevor das Unternehmen 1992 in den Neubau an der Albert-Schweitzer-Straße zog. Über Dreyer gibt es im Stadtarchiv keine Informationen. Deshalb haben wir Sie, liebe Leserinnen und Leser darum gebeten, uns zu schreiben, wenn Sie Erinnerungen an die Textilfabrik in Mennighüffen haben. Mehrere Leser haben sich gemeldet. Darunter auch Ingrid Dreyer, Tochter des letzten Inhabers. Und so wird das Bild über das Unternehmen deutlich klarer. Ingrid Dreyer lebt mittlerweile im Rheinland, sie hat ihre Kindheit und Jugend in Löhne verbracht und kann sich noch gut an die Textilfabrik ihres Vaters erinnern. "Die Kleiderfabrik wurde von meinem Großvater Ernst und seinem Bruder Wilhelm aufgebaut", sagt Ingrid Dreyer. Die letzten Inhaber waren ihr Vater Werner Dreyer, der Sohn von Ernst Dreyer, sowie Günther Dreyer und seine Schwester Gertrud Dreyer, beide Kinder von Wilhelm Dreyer. Anhänger an C&A-Jacken hängen Werner und Günter Dreyer haben das Unternehmen nach dem Tod der Gründer im Jahr 1969 geleitet. Das Unternehmen, das im Krieg Uniformen herstellte, hatte sich nach 1945 ganz auf Kleidung für Kinder und Jugendliche spezialisiert. Die Firma Dreyer hat auch Großkunden wie C&A beliefert. "Manchmal durfte ich als Kind in die Näherei", erinnert sich Ingrid Dreyer. Ganz stolz sei sie gewesen, als sie an einige der gerade gefertigten Jacken die Palomino-Pferde-Anhänger von C&A hängen durfte. Unter dem Namen Palomino wird noch heute die Kindermode von C&A vermarktet. Im Unternehmen, das in seinen besten Zeiten mehr als 100 Näherinnen beschäftigte, war auch ein Nachtwächter. "Man kann sagen, dass es ein gutes mittelständisches Unternehmen war", sagt Ingrid Dreyer. Produktion und Lager seien für sie und ihre Freunde eine tolle Spielfläche gewesen. "Ein Highlight war, im Betrieb Verstecken zu spielen und sich zwischen die Mäntel zu stellen", erinnert sie sich. "Die jungen Leute trugen andere Kleidung" Die goldenen Zeiten waren für das Unternehmen spätestens Ende der 1960er Jahre vorbei. "Schon kurz nach dem Tod meines Großvaters hat mein Vater gesagt, dass es schwer wird, sich zu behaupten." Anfang der 1970er wuchs der Druck auf das Unternehmen durch Billigimporte aus anderen Ländern. Neben dem Kostendruck kam dazu, dass die Kindermode aus Löhne nicht mehr so gefragt gewesen sei. "Die jungen Leute trugen andere Kleidung", sagt Ingrid Dreyer. 1974 kam das Aus. Das Unternehmen meldete Insolvenz an. Besonders tragisch war, dass beide Inhaber in der Phase der Insolvenz starben." Mein Vater verstarb nach seinem Vetter Werner, am 23. Juli 1974", so Dreyer. Nach der Insolvenz wurde Mitte der Siebziger das jüngere Gebäude am Kantor-Lohmann-Weg an die Firma Bruno Kleine verkauft. "Erst nach dem Tod meiner Tante Gertrud am 18. Juni 1983 wurde am 30. Mai 1984 das Elternhaus und ursprüngliche alte Gebäude der Firma W&E Dreyer, Lübbecker Straße, auch an Bruno Kleine verkauft". "Ich fühlte mich keineswegs arm" Ingrid Dreyers Mutter wurde nach dem Tod des Vaters berufstätig in einer der Kliniken in Bad Oeynhausen und hat die damals 13-Jährige alleine großgezogen. Dass die Familie verarmt war, sei falsch. Das hatte ein alter Mennighüffener gegenüber nw.de berichtet. Dreyer: "Ich fühlte mich keineswegs &bdquo;arm". Wir haben weiterhin in Bad Oeynhausen gewohnt, ich bin auf das Immanuel-Kant-Gymnasium gegangen, habe dort Abitur gemacht und habe auch keinen finanziellen Druck während meines Studiums in Düsseldorf verspürt." Auch NW-Leser Karl Schröder hat sich bei der NW gemeldet. Er wurde im Jahr 1957 im Alter von vier Jahren als Kindermodel für einen Katalog eingekleidet. "Der Kontakt ist wohl über die örtliche Nähe zur Kleiderfabrik Dreyer entstanden. Wir wohnten bis 1972 in unserem Haus am Maschweg", sagt er. Wie es als Model war, daran kann sich Schröder nicht erinnern. "Da war ich noch zu jung", sagt er. "Teile des Inventars übernommen" Erinnern kann er sich an die Schließung von Dreyer und den Start von Bruno Kleine. "Die haben damals auch Teile des Inventars übernommen. Die doppelstöckigen Kleiderstangen im Hintergrund gab es auch so noch bei Bruno Kleine", sagt er mit Blick auf das Foto. Dass Bruno Kleine in den 1980ern eine Filiale in Löhne aufmachte, sei für viele Löhner eine große Sache gewesen. "Wir mussten zum Einkaufen von Kleidung nicht mehr nach Bielefeld oder Herford fahren. Wir hatten plötzlich auch vor der Haustür eine gute Auswahl", sagt Schröder. NW-Leserin Edith Wohlers verbindet durch Ihren Vater Erinnerungen mit der Firma Dreyer. Sie hat der NW folgende Zeilen geschrieben: "Die Firma Dreyer hat ihren Mitarbeiterinnen einen besonderen Service geboten: die Frauen wurden in den 1950er und 1960er Jahren mit einem VW-Bulli aus entfernt gelegenen Regionen abgeholt. Mit diesem grün-weißen Bulli fuhr mein Vater, Heinrich Wilde, an jedem Werktag frühmorgens vom oberen Ellerbusch nach Tengern, Huchzen und Schnathorst, um die Näherinnen, von denen damals noch keine ein eigenes Auto hatte, pünktlich zum Arbeitsbeginn um 7 Uhr zur Firma Dreyer zu bringen. Nach Feierabend ging`s mit dem Bulli wieder zurück über die Dörfer, der Wagen wurde auf unserem Hof geparkt. Ich habe nie gehört, dass mein Vater, der großen Wert auf Pünktlichkeit legte, über die Kurverei bei Schnee und Eis in den damals noch harten Wintern gestöhnt hat. Wenn er von seinen "Dienstreisen" erzählte, klang das eher nach Freude und Stolz. "Einer der Chefs war gerne im Spieker" Obwohl wir erst 1963 ein eigenes Auto bekamen, waren private Fahrten mit dem Bulli tabu. Nur einmal machte mein Vater in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Als ich im April 1970 mit unserem VW Käfer mitten in der Nacht in Schweicheln mit einem Platten liegen blieb, ohne Geld, ohne warme Jacke, ohne eine Möglichkeit, mir telefonisch Hilfe zu holen, wusste ich mir nicht anders zu helfen als per Anhalter nach Hause zu fahren. Ich weckte meinen Vater, der daraufhin mit mir im Bulli von Obernbeck nach Schweicheln fuhr und den Reifen wechselte. Danach fuhr er im Bulli, ich mit dem Käfer erleichtert nach Hause zurück. Dieser "Ausflug" hat meinen Vater vermutlich eineinhalb Stunden seines Schlafes beraubt. Ich bin ganz sicher, dass er am nächsten Morgen trotzdem früh genug aufgestanden ist und dass die Näherinnen pünktlich an ihrem Arbeitsplatz waren. Der grün-weiße Bulli ist auf einem Foto von 1972 im Hintergrund zu erkennen. Soweit ich mich erinnere, hieß die Firma offiziell W.&E. Dreyer und zumindest einer der Chefs besuchte abends gern das Gasthaus "Der Spieker", wo er auch oft den früheren Mennighüffer Hausarzt Dr. Hartmann traf."

Meistgelesen