Unternehmen Bürgermeisteramt - Die Kämpferin, die das Grüne liebt

Löhne. Vor zwei Jahren hat sich das Leben von Silke Glander-Wehmeier um 180 Grad gedreht. Ihr drittes und jüngstes Kind zog aus, ihre Mutter, die sie pflegte, verstarb, das Haus mit dem großen Garten war plötzlich viel zu riesig. Die heute 52-Jährige ließ das Eigenheim hinter sich, verkleinerte sich. Der Drang, ganz oben in der Kommunalpolitik mitzureden, ist stattdessen gewachsen. Silke Glander-Wehmeier strebt ins höchste Amt der Stadt. In ihrer Wohnung in der Nähe des Mahnener Friedhofs fühlt sie sich wohl, angekommen. "Hier bin ich frei und ungebunden", sagt sie, als sie am hölzernen Esstisch sitzt, in einem von Naturtönen dominierten Raum. Ihren Hang zu Pflanzen lebt sie auch ohne Garten weiter aus - auf dem Balkon und als verlängerte grüne Lunge im Wohnzimmer. Die Begeisterung zur Natur hat sie von ihrem Vater. “Er war damals schon eher so der grüne Typ”, sagt sie und lächelt beim Gedanken an die Erinnerungen. “Wir wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen” Aufgewachsen mit vier Geschwistern auf dem Bischofshagen ging sie meist allein mit dem Vater auf Tour: Brombeeren pflücken, Vögel beobachten. “Kein Baum war mir als Kind damals zu hoch.” Ihr Ruhepol liegt auch heute noch im Grünen. Ob an der rauen Nordsee oder an der ruhigen Werre: Am Wasser ist sie gerne. Zuhause entspannt sie am liebsten auf dem Balkon, "mit dem Blick ins Grüne", sagt die Mutter dreier Kinder. Oft kommt sie aber nicht dazu. Mit 100 Prozent Zustimmung ist Silke Glander-Wehmeier zur Spitzenkandidatin der Löhner Grünen gewählt worden. Was vor der letzten Kommunalwahl noch undenkbar erschien, soll 2020 Realität werden: “Wir wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen”, sagt sie zum Wunsch, Löhnes erste Bürgermeisterin zu werden. Aufschwung auch durch Fridays-for-Future Die Ökopartei boomt. Im ganzen Land sind die Grünen auf Erfolgskurs. Auch die Fridays-for-Future-Bewegung spielt mit rein. “Ich bewundere es, wie sich die Jugendlichen engagieren”, sagt Silke Glander-Wehmeier zu den Freitagsdemos. Die Schulstreiks haben mit Aktivistin Greta Thunberg von Schweden aus ihren Anfang genommen und waren vor der Coronakrise auch in der Region fest etabliert. “Es gibt den Grünen Aufschwung”, sagt die Löhnerin, doch beeinflusst hätte die Bewegung ihre Entscheidung, Bürgermeisterin zu werden, nicht. “Unsere Wählerschaft ist unzufrieden. Wir kommen mit unseren Kernthemen nicht durch”, sagt sie zur aktuellen Verteilung im Rat. Besonders geärgert hat sie sich über die Ablehnung zum Steingarten-Verbot. "Das war enttäuschend. Vor allem, weil wir als Stadt kurz danach den Klimanotstand ausgerufen haben. Das passt doch nicht zusammen." Genau das soll sich ändern. Und das gehe nur, so ist die Fraktionsvorsitzende überzeugt, wenn man selbst kräftig mitmischt, noch mehr als bisher. Den Kampf scheut Glander-Wehmeier nicht. Zu oft hat sie schon einen führen müssen. Eine schwere Diagnose traf sie mit 29 Jahren “Mit 29 Jahren bin ich extrem krank geworden”, sagt die heute 52-Jährige. Sie hat wenige Monate zuvor ihr Kind Nina auf die Welt gebracht. Drei kleine Kinder hat die medizinische Fachangestellte zu dem Zeitpunkt, als die Diagnose kam und ihr Leben völlig auf den Kopf stellte: Darmkrebs. “Es war zwei Minuten vor zwölf”, sagt sie heute rückblickend. Eine Not-OP folgte, anschließend lange, kräftezehrende Monate, Chemotherapien waren unvermeidbar. Doch die junge Mutter schaffte es, sich zurück ins Leben zu kämpfen. An Politik war damals kaum zu denken. Ihr Ehrgeiz wurde erst gepackt, als die jüngste Tochter zur Städtischen Realschule ging und dort im alten Schulpavillon unterrichtet wurde. “Sie kam damals mit ihrem Wasserfarbkasten voll mit Schimmel bedeckt nach Hause.” Die Bilder, die die Jungen und Mädchen malten und auf der Fensterbank des Pavillons trockneten, landeten im Müll statt an den Wänden. “Auch hier überall Schimmel.” Dazu eine unerträgliche Geruchsbelästigung. "Man merkt, dass man was bewegen kann" Der Pavillon wurde von Kindern, Eltern und Lehrern etliche Jahre lang als unzumutbar bezeichnet. Passiert ist lange Zeit nichts, die Stadt machte Gutachten, Schimmel wurde nicht nachgeweisen, doch der Unmut blieb. “Da dachte ich, da muss doch was gemacht werden.” Silke Glander-Wehmeier ging zur nächsten Ratssitzung mit Bürgerfragestunde und setzte sich auf die Empore. “Ich habe die Mitglieder dann auf Kaffee und Kuchen in den Schulpavillon eingeladen.” Mehrere Eltern haben sich zusammengeschlossen und auch erreicht, dass das Landesgesundheitsamt sich die Situation anschaute. “Erst hieß es immer, wir wären hysterische Mütter”, doch das Resultat konnte sich sehen lassen. Nach einem langen Kampf wurde der Pavillon abgerissen und neue Behelfs-Klassenräumen im Sommer 2009 aufgestellt. Das sei ein gutes Gefühl gewesen. Glander-Wehmeier: "Man merkt, dass man was bewegen kann." Ihr Ehrgeiz war gepackt. Durch die Pavillon-Aktion hat sie Kerstin und Jörg Prätorius sowie Marion Schröder (früher Grüne, heute SPD) kennengelernt. Dann ging alles ganz schnell. “Ich bin Mitglied bei den Grünen geworden und 2009 haben wir erstmals für den Rat kandidiert und sind eingezogen.” Die Entscheidung, der Kommunalpolitik einen großen Platz in ihrem Leben einzuräumen, sei für Glander-Wehmeier genau richtig gewesen. “Ich denke, dass ich auch durch meine Lebensgeschichte in sehr vielen Punkten gut mitreden kann”, sagt sie und betont, dass genau diese bunte Mischung so wichtig für einen Rat ist. “Ich musste schon immer kämpfen und bin weiter bereit dazu.”

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