60 Prozent der Unternehmen machen Kurzarbeit

Löhne. Die Coronakrise hinterlässt auch in der heimischen Wirtschaft tiefe Spuren. Das berichten die beiden IG-Metall-Gewerkschaftssekretäre Peter Kleint und Frank Branka in einem Pressegespräch. In vielen Unternehmen steht die Produktion still. Nach Meinung von Peter Kleint hätte es aber auch noch schlimmer kommen können. So ist seine Bilanz nach rund zwei Monaten Corona. "60 von 100 Betrieben, die in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, machen Kurzarbeit ", sagt Peter Kleint. Er ist auch Geschäftsführer der IG Metall-Geschäftsstelle Herford. Sein Kollege Frank Branka ergänzt: "Alle Küchenmöbelhersteller in Löhne sind davon betroffen, das fällt aber ganz unterschiedlich aus." Es habe Unternehmen gegeben, die hätten vier Wochen geschlossen und jetzt die Produktion wieder aufgenommen. Andere würden je nach Auftragslage eine Woche produzieren, dann die Bänder stilllegen, während in der Arbeitsvorbereitung und im Vertrieb gearbeitet werde. Er geht davon aus, dass rund 1.700 Mitarbeiter der Löhner Hersteller betroffen sind. "Der Nachschub an Aufträgen fehlt immer noch" Kurzarbeit ist in der Branche keine Seltenheit. "Das ist ein seit Jahrzehnten genutztes Instrument, das immer wieder von den Unternehmen in konjunkturellen Schwächephasen genutzt wird", sagt Branka. In der aktuellen Krise hätten die Küchenmöbler erst relativ spät Kurzarbeit angemeldet. "Die haben ihre Auftragspolster abgearbeitet", sagt Branka. Durch den Lockdown und die damit verbundene mehrwöchige Schließung des Möbelhandels hätten sich dann die Folgeaufträge reduziert. "Der Nachschub an Aufträgen fehlt immer noch." Wann es wieder aufwärtsgeht, ist nach Einschätzung von Branka nicht absehbar. "Konsum hat mit Stimmung zu tun. In Zeiten beruflicher Unsicherheit halten sich die meisten Menschen mit Konsumentscheidungen zurück", sagt er. Die fehlende Auslastung könne die Branche noch Monate begleiten. "Von einer Pleitewelle kann keine Rede sein" Vor unsicheren Zeiten steht die Wirtschaft in Löhne und im Kreis Herford auch nach Meinung von Peter Kleint. Allerdings will er das Bild nicht so schwarzmalen, wie es manche Vertreter von Wirtschaftsverbänden tun. "Von 100 Betrieben droht sieben bis zehn die Insolvenz. Von einer Pleitewelle kann keine Rede sein", sagt er. Es sei bisher nicht so schlimm gekommen wie befürchtet. Mehr und mehr Unternehmen würden jetzt wieder richtig loslegen. Das sei mit Blick auf den Infektionsschutz teilweise bedenklich. "Da werden Hundertschaften in den Produktionshallen aufeinandergehetzt, leider auch gelegentlich ohne ausreichenden Schutz." Von den Unternehmen, die in ihrer Existenz bedroht sind, ist das nach Einschätzung von Kleint nur bei der Hälfte der Betriebe auf die unmittelbaren Folgen der Coronakrise zurückzuführen. "Ich habe da ein Löhner Unternehmen vor Augen, dem geht es schon seit vielen Jahren schlecht und jetzt spitzt sich durch Corona die Lage massiv zu", sagt Kleint. Dieses Unternehmen habe jetzt besonders große Probleme, weil es wegen der wirtschaftlichen Schieflage vor der Coronakrise keine Ansprüche auf Unterstützung vom Staat habe. Es gebe nicht wenige Unternehmen, denen es in den letzten Jahren sehr gut gegangen sei und die recht gut durch die Krise kämen, auch wenn sie aktuell Kurzarbeit angemeldet hätten. Manche Firmen würden das Kurzarbeitergeld, das nur bei 60 oder 67 Prozent des Bruttolohns liegt, nicht aufstocken, obwohl sie dazu wirtschaftlich in der Lage seien. "Es gibt die Empfehlung von Finanzminister Scholz, dass Unternehmen das Kurzarbeitergeld um 20 Prozent aufstocken, weil diese ja auch Geld sparen." Kleint macht der Firma Paul Henke diesen Vorwurf. Das weist Andreas Stolle, Marketingleiter des Unternehmens, zurück. "Wir haben bis zum 30. April keine Kurzarbeit gemacht." Das sei nur möglich gewesen, weil Henke im Januar deutlich mehr Rohstoffe als üblich gekauft habe. "Wir haben sogar externe Lagerflächen angemietet, weil sich die Entwicklung abgezeichnet hat. Das hat viel Kapital gebunden." Durch diese Entscheidung habe man erst recht spät Kurzarbeit anmelden müssen. "Sonst wäre das bereits im März erforderlich gewesen", sagt Stolle.

Meistgelesen