Löhne. Fast 130 Jahre sind vergangen, seit der 1. Mai erstmals als Kampftag der Arbeiterbewegung gefeiert wurde. Dass der Aktionstag, der in Deutschland traditionell von Gewerkschaften mit Leben gefüllt wird, aber auch heute nichts an Aktualität verloren hat, zeigte sich jetzt in Löhne. Bei der Maikundgebung in der Werretalhalle jedenfalls machten Redner und Besucher einmal mehr deutlich, dass die Themen Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit mehr sind als, als nur das Motto des Tages.
„Die Regierung macht Politik ohne Sinn und Verstand", sagte etwa der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Kreis Herford, Friedel Böhse. In seiner Mairede in der Werretalhalle wandte sich der Löhner voller Kritik an die neue Große Koalition, die in den 100 Tagen im Amt nichts geleistet habe. So würde Horst Seehofer lieber an seinem Heimatmuseum basteln und Jens Spahn behaupten, Hartz IV würde nicht Armut bedeuten. Da das von jemanden komme, der das 37-fache des Hartz-IV-Satzes bekomme, sei das purer Zynismus.
Zudem sprach sich Böhse, der als Redner für die kurzfristig erkrankte stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, eingesprungen war, eindeutig gegen den zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland aus. „Jeder rechte Betriebsrat ist einer zuviel", sagte er mit Blick auf die derzeit laufenden Betriebsratswahlen.
Der Aufschwung kommt nicht überall an
Bürgermeister Bernd Poggemöller betonte in seinem Grußwort die Probleme in der Gesellschaft, wie die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, auch bezogen auf Städte und Kommunen. „Löhne ist finanziell nicht auf Rosen gebettet", fasste er die kommunale Situation zusammen.
Auch bezog er sich auf die Spaltung innerhalb der EU. Es könne nicht sein, dass Deutschland einen großen Handelsüberschuss erziele, während andere Länder die Kosten dafür tragen müssen. „An den Zielen, Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit waren wir auch schon einmal näher dran", führte Poggemöller weiter aus. Das liege auch daran, dass der momentane Aufschwung nicht bei allen ankomme.
Für musikalische Zwischenspiele sorgt das Gitarrenduo Tradewind aus Bünde, das einige Highlights aus Pop und Rock zum Besten gaben. Zwischen den einzelnen Reden und zu Beginn der Veranstaltung lockerten die Musiker immer wieder die Stimmung auf. Doch auch die Teilnehmer selbst trugen zum musikalischen Gelingen der Kundgebung bei: Zum Abschluss erklang die gemeinsam gesungene Arbeiterhymne „Brüder zur Sonne, zur Freiheit" in der Werretalhalle. Das Kampflied aus dem Jahr 1897 wurde 1917 während der russischen Oktoberrevolution ins Deutsche übersetzt und gilt seitdem als Hymne der Arbeiterschaft.
100 Jahre Frauenwahlrecht
„Wir blicken mit Stolz auf unsere Erfolge zurück", sagte Friedel Böhse abschließend über die Bedeutung des 1. Mai und schielte dabei auf zwei Jubiläen. So wurde vor 100 Jahren nicht nur das Frauenwahlrecht durch die weibliche Arbeiterschaft erkämpft, sondern auch die Grundlage für die Tarifautonomie geschaffen. Auf die Maikundgebung folgte am Nachmittag das Familienfest, das aber nicht vom DGB, sondern von der SPD organisiert wurde.