Für Tim Ostermann heißt es wieder Rat statt Reichstag

Löhne. Den Schlips hat er weggelassen. Tim Ostermann kommt mit federndem Schritt und offenem Hemd zum Redaktionsbesuch. Kurz nach der Bundestagswahl wirkte der 38-jährige Löhner dagegen zugeknöpft und angefasst, geradezu geschockt. Überraschend deutlich hatte der CDU-Kreisvorsitzende gegen Stefan Schwartze von der SPD verloren, auch über einen Listenplatz schaffte er es nicht in den Bundestag. Tim Ostermann brauchte Bedenkzeit auf die Frage, wie er seine politische Zukunft sieht. Nun hat er das Ergebnis verdaut, mit Freunden und Familie gesprochen und Pläne geschmiedet. Der Berufspolitiker ist Geschichte, es lebe der Rechtsanwalt. Am 1. Dezember wird Ostermann in der Kanzlei Peitzmeier und Voges in Bünde anfangen, als angestellter Anwalt. Die Kanzlei ist auf Wirtschaftsprüfung und Wirtschaftsrecht spezialisiert, vertritt viele Unternehmensmandate. Mit seiner Ehefrau hat Ostermann zwei Töchter Während seiner Zeit als Abgeordneter hat er nur auf Sparflamme Juristerei betrieben. &bdquo;Ich war Profipolitiker", sagt Ostermann. 95 Prozent der Arbeitszeit war Politik. &bdquo;Ich war nur punktuell als Anwalt tätig." Vor allem, um nicht aus der Übung zu kommen. Klar, es gab für den ehemaligen Bundestagsabgeordneten auch berufliche Chancen in Berlin oder in Düsseldorf. &bdquo;Ich habe mehrere Gespräche geführt", sagt Ostermann. Mehr sagt er nicht, und doch schimmert da ein bisschen Scheinwerferlicht und roter Teppich hindurch, gegen die er sich entschieden hat. Doch seine Familie, Ehefrau Christine und die zwei Töchter Jette (5) und Rieke (2) leben weiter in Löhne. Für ihn war deshalb klar, dass die neue Arbeitsstelle in der Nähe sein sollte. Trotz beruflicher Verlockungen. Kreisverband und Löhner CDU können davon nun profitieren. Tim Ostermann bleibt dem Kreis Herford erhalten. Er ist ja auch erst kurz vor der Bundestagswahl für zwei weitere Jahre zum CDU-Kreisvorsitzenden gewählt worden. Ostermann bleibt auch im Löhner Stadtrat. Den Löhner Fraktionsvorsitz hatte er für den Bundestag aufgegeben. Dabei soll es bleiben. &bdquo;Debatten mit Sahra Wagenknecht sind auch schwer zu ertragen" Nach der Bundestagswahl klang das anders. Da hatte Ostermann noch durchblicken lassen, vielleicht die Politik ganz an den Nagel zu hängen. &bdquo;Das war sicher dem Moment geschuldet", sagt er nun. Die Enttäuschung saß tief. Die Entscheidung der Wähler ist für die Kandidaten manchmal eben nicht leicht zu verdauen. Die Lust am Politik-Gestalten ist Ostermann dennoch nicht abhanden gekommen. Tim Ostermann ist ein politisches Talent, von dem es nicht viele gibt. Und nun Rat statt Reichstag? Es gibt Parallelen. Auch im Stadtrat reden dieselben Leute oft das Gleiche. Wenn zum Beispiel Hermann Ottensmeier (LBA) und Ulrich Adler (Linke) mal wieder aneinander rasseln, kann Ostermann diese Litanei längst rückwärts im Schlaf aufsagen. Hat er genügend Sitzfleisch, das zu ertragen? Tim Ostermann überlegt kurz, als er an die dunklen Seiten des Löhner Stadtrats erinnert wird und sagt: &bdquo;Debatten mit Sahra Wagenknecht sind auch schwer zu ertragen." Vielleicht kommt schon bald ein erneuter der Ruf aus Berlin. Seit dem Scheitern von Jamaika überstürzen sich die Ereignisse. Eine Minderheitsregierung oder die Neuauflage der großen Koalition wären Optionen. Oder Neuwahlen. Womöglich muss Ostermann dann noch einmal ran. &bdquo;Ich rechne damit", sagt er. Ob er jedoch tatsächlich kandidiert, hänge von zwei Dingen ab: Erstens müsse die Kreis-CDU ihren Vorsitzenden noch einmal auf den Schild heben. Und zweitens will Ostermann erst mit seinem neuen Arbeitgeber darüber sprechen.

Meistgelesen