Das erlebt eine Schiedsfrau in Kirchlengern

Bünde. &bdquo;Die verklage ich jetzt!“ – diesen typischen Ausruf für einen Nachbarschaftsstreit kennen viele Bürger nur zu gut. Sie werden jedoch schnell feststellen, dass sie mit der zu breiten Hecke gar nicht bis zum Richter gelangen. &bdquo;Bei Grundstückskonflikten, Beleidigungen oder auch kleinen Körperverletzungen sind wir Schiedsleute dem Gericht vorangestellt. Erst wenn auf diesem Wege keine Einigung erfolgt, ist ein Gang zum Richter möglich“, erklärt die scheidende Schiedsfrau Martina Koring (62). Dann erhalten die Konfliktparteien eine &bdquo;Erfolglosigkeitsbescheinigung“, mit der sie vor Gericht ziehen können. Das Schiedsverfahren vorher habe jedoch seine ganz eigene Atmosphäre und Abläufe: &bdquo;Es geht viel persönlicher zu. Einmal haben sich die Nachbarn 20 Minuten lang nur angeschrien – und nach fünf Minuten Mediation schließlich gemeinsam angestoßen.“ Mediation ist eines der Verfahren, in denen die Schiedsleute eine Grundausbildung erfahren. Schon zu Schulzeiten können sich Interessierte als Streitschlichter qualifizieren. Mediation heißt die Tätigkeit auf professioneller Ebene. Das Schiedsamt selbst ist jedoch ein Ehrenamt mit einer kürzlich durch die Freiwilligen durchgesetzten Aufwandsentschädigung von 75 Euro. Diese kann je nach Kommune unterschiedlich sein. Persönlicher als jeder Gerichtssaal Thomas Bröderhausen, Direktor des Amtsgerichts Bünde, spricht seine Dankbarkeit aus: &bdquo;Das Amtsgericht ist froh, dass es die Schiedleute gibt. Häufig lässt sich auf der persönlichen Ebene viel mehr und mit weniger Scherben klären als im Gerichtssaal.“ Dafür hätten Richter gar nicht die Zeit. Die Fälle sind vielfältig. Die ursprüngliche Vorstellung von einer &bdquo;gemütlichen Paarberatung bei Tee und Keksen“ in Korings Haus stellte sich aber schnell als naiv heraus. &bdquo;Manchmal fliegen schon die Fetzen; es geht um persönliche Schicksale. Selbst einfache Bäume sind mit Kindheitserinnerungen verbunden“, erinnert sie sich. Während sich der Sachverhalt einmal schon nach drei Stunden geklärt hat, dauerte es in einem anderen Fall gar 28 Stunden und zog sich über drei Wochen hin. Lesen Sie auch: Neue Schiedspersonen in Rödinghausen: Ein Ehrenamt mit &bdquo;Empathie und Gehirn“ Was viele Beteiligte nicht wüssten: Bei geschlossenen Vergleichen verpflichtet man sich zu einer Einhaltung für 30 Jahre. In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen dem Schieds- und Richteramt. &bdquo;Das ist vielen Beteiligten nicht bewusst und dann sehen sie sich im Zweifel vor Gericht wieder, wo der Vergleich bestätigt wird“, verrät die 62-Jährige. Koring blickt gerne zurück Insgesamt mochte sie den Job gerne. &bdquo;Ich möchte mich wirklich für das Vertrauen der Kirchlengeraner und der Gemeinde Kirchlengern bedanken. Die acht Jahre waren eine tolle Zeit.“ Mit ihrem Umzug ist ein Ende der Tätigkeit notwendig geworden. Unverständlich, wie die 62-Jährige anmerkt: &bdquo;Die Schiedsperson einer Gemeinde müssen zwingend Einwohner sein. Dabei ist das sogar hinderlich, weil durch Bekanntheit im Ort häufig eine Befangenheit entsteht und ich den Fall dann weitergeben muss.“ Gleichzeitig löst die Bekanntheit im Ort aber auch einige Probleme bzw. lässt Verhandlungshemmnisse bei einem Gespräch im Supermarkt verschwinden. &bdquo;Gerade während Corona wurden wir auch mal bei Scheinkonflikten angerufen. Da war eher die Einsamkeit der Leute ein Problem und ich habe in Teilen die Aufgabe von Psychologen übernommen. Natürlich haben wir auf unsere Rolle aufmerksam gemacht und bei Bedarf an die zuständigen Stellen vermittelt.“ Mehr zum Thema: Schiedsleute aus Enger: &bdquo;Die Zündschnur ist ziemlich kurz geworden“ Ein Schlichtungsantrag koste in der Regel 50 Euro. Drei Fälle sind gerade aktuell, im Jahr bearbeiten die insgesamt zwei Schiedsfrauen von Kirchlengern rund zehn bis zwölf Fälle. Zukünftig werden beide Damen auch gemeinsam schlichten, wenn es die Situation bedarf: &bdquo;Manchmal bin ich an persönliche Grenzen gestoßen. Gewalt habe ich als Schiedsfrau zwar nie erlebt, aber zu zweit lassen sich brenzlige Situationen besser meistern“. Das Amt bleibt mit Erfahrung besetzt Die Nachfolge wird Kristina Schmeding antreten. &bdquo;Ich habe als Lehrerin und Dozentin im Pflegebereich reichlich Erfahrungen mit Menschen und Konfliktsituationen“, sagt die junge Mutter. Im Grazer Studium habe sie darüber hinaus Kurse und Mediation und Integration besucht. &bdquo;Außerdem bin ich vom Sternzeichen Waage – uns liegen Entscheidungen mit Balance und Gleichgewicht“, ergänzt sie lachend. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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