„Ich bin gut, wie ich bin“: So kämpft sich eine Frau aus dem Kreis Herford aus einer Essstörung

Kirchlengern. &bdquo;Die Waage wurde für mich zu einem besonderen Wertmesser, hat meinen Selbstwert definiert. Je niedriger das Gewicht war, desto mehr habe ich mich wert gefühlt“, sagt Verena M. (40, Name von der Redaktion geändert). Die Kirchlengeranerin hat seit ihrem 18. Lebensjahr mit einer Essstörung zu kämpfen gehabt, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten aber komplett davon lösen können. Sie möchte ihre Geschichte erzählen, um anderen Betroffenen Mut zu machen. &bdquo;Ich hatte schon immer ein geringes Selbstwertgefühl“, sagt M. Sie sei im Jugendalter extrem gemobbt worden. &bdquo;Mir wurde immer gesagt, dass ich hässlich und nicht genug bin. Am schlimmsten waren Briefe, die mir nach Hause geschickt wurden, dass ich mich am besten von einer Brücke stürzen sollte und damit allen geholfen wäre.“ Höhepunkt des Ganzen ist ein Angriff von Jugendlichen beim Schlittschuhlaufen gewesen. &bdquo;Ich wurde mit Eis beworfen, bin dadurch gestürzt und habe mir meinen Arm schwer gebrochen, sodass ich heute noch eine versteifte Hand habe.“ Kinder und Jugendliche sollten ihre Taten und Worte besonders hinterfragen, sagt Verena M. &bdquo;Vielen ist nicht bewusst, was sie damit auslösen und langfristig anrichten können.“ Eine Beziehung mit psychischer und körperlicher Gewalt hat dann noch ihr Übriges getan. &bdquo;Ich hatte das Gefühl, dass mein Gewicht das Einzige ist, was ich kontrollieren kann“, sagt sie. Die Essstörung – geprägt von extremem Hungern und einer Sportsucht, teils auch mit Erbrech-Phasen – habe sich so eingeschlichen. &bdquo;Als ich Gewicht verloren habe, habe ich irgendwie Gefallen daran gefunden. Das ist zur Sucht geworden.“ Sie habe gedacht, wenn sie wirklich so hässlich sei, sei der Körper das Einzige, worüber sie eventuell gemocht werden könnte. Akribisch jedes Essen notiert Schließlich sei irgendwann alles darauf ausgerichtet gewesen, Gewicht zu verlieren. Alles, was sie gegessen hat, hat sie akribisch aufgeschrieben. Genau geschaut, welche Lebensmittel möglichst wenige Kalorien haben. Genau geschaut, dass sie die Kalorien entweder vor dem Essen verbrennt – &bdquo;sich das Essen verdient“ – oder im Nachhinein wieder durchs Joggen verbrennt. &bdquo;Mir selbst war erst klar, dass das Ganze nicht gesund ist, als ich angefangen habe, mich zu übergeben, als es in eine Bulimie umgeschlagen ist.“ Kreislaufprobleme seien die Folge gewesen, starke Impfreaktionen während der Corona-Impfzeit. &bdquo;Du warst auch ständig angeschlagen, weil dein Immunsystem so geschwächt war“, erinnert sich ihre Schwester an vergangene Zeiten zurück. Gewichtstechnisch sei die Lage bei Verena M. aber nie lebensbedrohlich gewesen. &bdquo;Richtig realisiert, dass etwas falsch läuft, habe ich erst sehr spät“, sagt die Mutter von Verena M. Natürlich habe sie die Hänselei in der Jugend von den Mitschülern mitbekommen, vieles habe sie aber auch nicht gewusst. &bdquo;Ich habe zunächst gedacht, dass das einfach eine Phase ist, dass sie dünner werden will, Sport macht.“ Früher sei das Thema Essstörung auch noch nicht so präsent gewesen, ergänzt die Schwester von Verena M. Heute habe man durch Medien und vermeintliche Schönheitsideale viel eher den Blick darauf, dass etwas krankhaft sein könnte. Die Familie habe sich zeitweise hilflos gefühlt, konnte aber immer auf den starken Zusammenhalt aller bauen, hat viel zusammen gesprochen. Schließlich sei Verena M. dann irgendwann auch stationär in eine Reha-Klinik mit einer Schwerpunkt-Station für Essgestörte gekommen – zunächst für sechs Wochen. &bdquo;Zu dem Zeitpunkt war ich aber noch in meiner gewalttätigen Beziehung und noch gar nicht bereit, mich meinen Problemen zu stellen und gesund zu werden“, sagt sie. Schließlich hat sie dann einen Schlussstrich unter die Beziehung gesetzt. &bdquo;Heute weiß ich, ich bin gut wie ich bin“ Später habe sie dann viele Jahre mit einem Therapeuten verhaltenstherapeutisch zusammengearbeitet. &bdquo;Seit zweieinhalb Jahren bin ich nun in einer tiefenpsychologischen Behandlung, um die Traumata der Vergangenheit zu bewältigen.“ Das sei für sie schließlich auch ein Schlüsselpunkt gewesen. &bdquo;Heute weiß ich, dass ich gut so bin, wie ich bin“, sagt sie. Über eine Ernährungstherapie hat sie schließlich gelernt, wieder vernünftig alle Tagesmahlzeiten zu sich zu nehmen. &bdquo;Es ist schön, zu sehen, wie es ihr nun geht. Sie hat in ihren Phasen der Erkrankung so viel an Lebensqualität eingebüßt“, sagt ihre Schwester. Die Lebensqualität hat sie sich nun zurückgeholt: Sie ist mit ihrem Mann glücklich. Ihr Sportzimmer hat sie geräumt und ein Gestaltungszimmer eingerichtet, um kreativ sein zu können. Wenn sie Lust hat, geht sie wandern. Und hat noch eine neue Seite an sich entdeckt: Sie hat ein Gedicht (siehe Infobox) geschrieben – über die vergangenen zwölf Monate, in denen sie sich von ihrer Erkrankung gelöst hat. &bdquo;Das war noch mal ein Befreiungsschlag für mich.“ Informationen und Hilfen zu Essstörungen gibt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.bzga-essstoerungen.de.

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