Warum Hiddenhausen und Kirchlengern die Gewerbesteuer teilen

Hiddenhausen/Kirchlengern. Nachdenklich dürfte Bürgermeister Werner Helmke vor den Plänen seiner Gemeinde gestanden haben. Zu gerne würde er weitere Unternehmen nach Kirchlengern locken. Denn mehr Firmen bedeuten mehr Arbeitsplätze und mehr Geld. Zwar gäbe es noch Flächen, um Unternehmen anzusiedeln, die geforderten Ausgleichsflächen würde er aber nicht mehr unterbringen können. Gleiche Szenerie, andere Gemeinde: Der Hiddenhauser Bürgermeister Klaus Korfsmeier schaut ebenfalls konzentriert auf seinen Gemeindeplan. Hier gibt es zwar ausreichend Platz für Ausgleichsflächen, aber nicht genug Land für ein Gewerbegebiet. Wie es der Zufall will, sprechen zwei Kreispolitiker über die Problematik und eine gemeinsame Idee wird geboren: Die beiden Gemeinden schließen einen Kooperationsvertrag und teilen sich künftig ein Gewerbegebiet. "Wir haben uns ins gemachte Nest gesetzt", sagt heute Kirchlengerns Bürgermeister Rüdiger Meier. Sein Amtskollege aus Hiddenhausen, Ulrich Rolfsmeyer, nickt zustimmend. Aus der Idee, die etwa 1999 entstanden ist, entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnern. "Die Idee war da, musste aber mit Leben gefüllt werden", erinnert sich Karl-Heinz Saße. Der Wirtschaftsförderer aus Kirchlengern begleitet das Projekt mit seinem Hiddenhauser Amtskollegen Andreas Homburg seit seiner Entstehung. Schnell waren sich beide Seiten einig: Möglichst einfach gehalten werden sollte das Regelwerk rund um die Kooperation. "Ein großes Vertragswerk ist ein Zeichen von Misstrauen", so Saße. Man wollte "so viel regeln wie nötig, aber so wenig wie möglich." Elf Paragrafen umfasst heute der Kooperationsvertrag . "Ich ziehe es nur aus dem Schrank, um es für andere Kommunen zu kopieren", sagt Saße und lacht sichtlich zufrieden. Das Gewerbegebiet Oberbehme befindet sich auf dem Boden von Kirchlengern. Nach dem Anteil der eingebrachten Flächen werden auch die Gewerbesteuereinnahmen geteilt: 65 Prozent bekommt Kirchlengern, 35 Prozent gehen in das Gemeindesäckel von Hiddenhausen. Ein gemeinsames Leitbild haben die beiden Kommunen von Beginn an ausgearbeitet. Nach ihm werden die Firmen für das neue interkommunale Gewerbegebiet ausgesucht: Es soll produzierendes Gewerbe angesiedelt werden, möglichst Inhabergeführt. Es sollen möglichst viele Arbeitsplätze gewonnen werden. Der Firmensitz muss in Kirchlengern sein. Denn nur so profitieren die Gemeindekassen vom Gewerbegebiet. "Die ersten fünf Unternehmen, die dort angesiedelt werden, die mussten sitzen", erinnert sich Rolfsmeyer. Das Konzept ging auf: Heute können sich die beiden Gemeinden aussuchen, an wen sie die Flächen im Gewerbegebiet ausweisen. Von ursprünglich 25,5 Hektar Land sind jetzt noch 7.000 Quadratmeter übrig. "Eines der Grundstücke ist eben frei geworden und ist jetzt nach einer Stunde schon wieder vergeben", sagt Saße. Für die Unternehmen ist das Gewerbegebiet Oberbehme nicht nur durch seine Lage direkt zwischen Autobahn 30 und Bundesstraße 239 attraktiv. "Die Entscheidungen werden in einem Arbeitskreis getroffen", sagt Bürgermeister Meier. Darin sitzen drei Politiker aus Hiddenhausen, drei aus Kirchlengern, die beiden Bürgermeister und die beiden Wirtschaftsförderer. Letztere allerdings ohne Stimmrecht. Wird eine Entscheidung einstimmig getroffen, übergeben die Räte damit die Entscheidungsgewalt an die Bürgermeister. Die wiederum können schnell agieren, weil die Politiker beider Räte nicht noch einmal jede weitere Entscheidung abnicken müssen. "Bisher wurden alle Entscheidungen im Arbeitskreis einstimmig getroffen", sagt Meier. "Das ist wie bei der Papstwahl: Wir gehen gehen erst auseinander, wenn es eine Entscheidung gibt", fügt Kollege Rolfsmeyer hinzu. Aus einem Stillstand ist so wirtschaftliche Entwicklung geworden. Jetzt stehen beide Bürgermeister wieder vor dem selben Problem wie ihre Vorgänger: Der Platz ist erschöpft. Die Gemeinden möchten das Gewerbegebiet gerne nach Süden um 25 Hektar erweitern. Der jüngst verabschiedete Entwicklungsplan des Landes NRW sieht jedoch vor, dass so wenig Flächen wie möglich verbraucht werden. "Derzeit entwickelt der Kreis ein Konzept. Das bleibt abzuwarten", so Homburg. Die beiden Gemeinden würden die Erfolgsgeschichte ihrer Zusammenarbeit gerne weiterschreiben. Ob das Tintenfass dafür noch einmal gefüllt wird, liegt jetzt in den Händen ihrer politischen Kollegen auf Landes- und Kreisebene.

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