Kreis Herford: Darum sind diese Menschen gute Argumente gegen eine Bezahlkarte

Hiddenhausen/Enger. Maschinenführer in einer Möbelfabrik, Altenpflegehelferin oder angehende Ärztin – Merwan Omar, Iman Saad und Hind Tamasna haben auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam: Sie haben ganz unterschiedliche Berufe ergriffen und kommen aus drei verschiedenen Ländern. Es gibt jedoch zwei Dinge, die sie verbinden: Sie alle sehen ihre Zukunft in Deutschland und wären mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr hier, wenn es zum Zeitpunkt ihrer Ankunft bereits eine Bezahlkarte für Asylbewerber gegeben hätte und sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, auf Bargeld zurückzugreifen. Antrag auf Prozesskostenbeihilfe wurde abgelehnt Über eine solche Karte sollen Menschen, die im Asylantragsverfahren sind oder nur einen Duldungsstatus haben, nach dem Willen der Bundesregierung ihre Einkäufe abwickeln. Am Donnerstag hat sich die Ampelkoalition auf die Einführung einer Bezahlkarte geeinigt. Die Ausgestaltung soll laut Medienberichten aber den Ländern überlassen bleiben. Merwan Omar ist seit zwölf Jahren in Deutschland. Über die Schweiz kam der gebürtige Syrer, der 2012 vor dem Krieg in seiner Heimat flüchtete, in den Kreis Herford, wurde hier aber zunächst nur geduldet. Um ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erwirken, nahm er sich einen Rechtsbeistand, den er aber bezahlen musste. Sein Antrag auf Prozesskostenbeihilfe wurde von den Behörden damals abgelehnt. Mit einer Bezahlkarte hätte er den Anwalt damals nicht bezahlen können, sagt Merwan Omar. Mit Bus und Bahn nach Löhne gefahren &bdquo;Das Verwaltungsgericht entschied schließlich, dass ich in Deutschland bleiben durfte“, blickt Omar zurück. Rund ein Jahr dauerte das Prozedere von der Duldung bis zum Aufenthaltsrecht. In dieser Zeit durfte er auch keine Sprachkurse absolvieren. Um Deutsch zu lernen, fuhr er mit Bus und Bahn nach Löhne zur Volkshochschule. Die Fahrten dorthin bezahlte er ebenso wie die Lehrbücher selbst. &bdquo;Ich habe kein Geld an meine Familie nach Syrien geschickt, sondern es hier für Essen und Trinken verwendet.“ Inzwischen arbeitet der 37-Jährige, der in Syrien als Bildhauer tätig war, bei einer Herforder Möbelfirma als Maschinenführer und wohnt in Hiddenhausen. Zuvor hatte er eine Ausbildung als Tischler absolviert und diese mit Bravour bestanden. &bdquo;Seitdem ich arbeite, habe ich keine Sozialleistungen mehr erhalten und zahle ganz normal Steuern“, betont Omar. Seine Frau hat er vor einiger Zeit aus Syrien nach Deutschland geholt, auf eigene Kosten, sagt er. Seine beiden Kinder sind in Deutschland geboren. In seiner Freizeit engagiert sich Omar ehrenamtlich bei der AWO im Offenen Ganztag in der Gemeinde Hiddenhausen und beim Kreisverband &bdquo;SJD – Die Falken“. Hier gibt er unter anderem Workshops, zum Beispiel zur Bildhauerei. Marokkanerin studierte bis Kriegsausbruch Medizin in der Ukraine Einen bemerkenswerten Weg hat auch Hind Tamasna hinter sich. Die 26-jährige Marokkanerin hat ihr Medizinstudium beendet und wartet auf ihre Approbation, das heißt, die Genehmigung, hier als Ärztin arbeiten zu dürfen. Ihr Studium hat sie allerdings weder in Marokko noch in Deutschland absolviert, sondern in einem Land, das vor fast genau zwei Jahren von Russland angegriffen wurde und sich seitdem im Krieg befindet: der Ukraine. &bdquo;Ich habe in Saporischschja Medizin studiert“, erzählt die angehende Allgemeinmedizinerin. In der Großstadt im Südosten der Ukraine befindet sich auch das größte Atomkraftwerk Europas, das seit 2022 von russischen Truppen besetzt ist. &bdquo;Ich hatte gerade meinen Abschluss gemacht, als Russland die Ukraine angegriffen hat“, erzählt Hind Tamasna. Wie viele andere floh Tamasna aus der Ukraine nach Deutschland, im Gegensatz zu den ukrainischen Staatsbürgern erhielt sie als Marokkanerin jedoch zunächst kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Auch sie musste sich einen Anwalt nehmen, um ihr Bleiberecht einklagen zu können. Hospitation am Klinikum Herford absolviert Über Dortmund, Hamburg und Bochum kam sie in den Kreis Herford und wohnt in einer Flüchtlingsunterkunft in Enger. Mittlerweile hat sie auch eine Hospitation im Herforder Klinikum absolviert und möchte künftig am Standort in Bünde oder Herford arbeiten. Den notwendigen B2-Sprachkurs hat sie ebenso selbst bezahlt wie die 170 Euro Gebühren für das Testexamen für die Approbation. Iman Saad fühlt sich mittlerweile im Kreis Herford ebenfalls heimisch. Seit einiger Zeit arbeitet die gebürtige Libanesin als Altenpflegehelferin bei der Evangelischen Diakoniestiftung. Auch die 26-Jährige musste vor Gericht mit anwaltlicher Hilfe ihr Bleiberecht einklagen. Den für den Job notwendigen Führerschein finanzierte sie ebenso selber. Alle drei sprechen sich gegen eine Bezahlkarte aus, auch weil eine Teilhabe am sozialen Leben, zum Beispiel ein Kinobesuch, so kaum möglich sei. Für Hussien Khedr, Vorsitzender des Integrationsrates in der Gemeinde Hiddenhausen, sind diese Einwanderungsgeschichten &bdquo;nur drei Beispiele von vielen, die gegen die Einführung einer Bezahlkarte sprechen. Sie wollen ihr Geld nicht ins Ausland schicken. Wir sollten versuchen, diese Menschen hier zu integrieren, so dass sie hier arbeiten können, statt sie zu unterdrücken und Ängste zu verbreiten.“ Statt einer Bezahlkarte spricht sich Khedr für eine Girocard für ein Bankkonto aus.

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