Bürgermeister Hüffmann zu Jung kauft Alt: "Unsere Dörfer überaltern nicht"

Andreas Hüffmann, Hiddenhausen setzt auf Vermittlung von Bestandsbauten statt die Gemeinde durch etliche Neubaugebiete zu vergrößern – Stichwort Jung kauft Alt. Warum ist das Projekt ein Erfolgskonzept? ANDREAS HÜFFMANN: Weil es zwei Dinge verbindet. Auf der einen Seite müssen wir eben keine neuen Baugebiete ausweisen, das können wir ehrlich gesagt auch gar nicht. Wir sind hier in Hiddenhausen zusammen mit Herford die am dichtesten besiedelte Gemeinde im Kreis und das zeigt: Wir haben gar nicht so viel Platz. Darum ist Jung kauft Alt so genial. Häuser, die im Bestand sind, werden von jungen Familien übernommen, und wir bezuschussen das. Das ist attraktiv. Was ist der zweite Vorteil? Zum anderen wird nicht neu gebaut. Es wird tatsächlich der alte Bestand energetisch renoviert. Das ist für die Umwelt positiv, es wird kein CO2 durch Neubauten freigesetzt, es ist ökologisch sinnvoll. Dazu kommt: Wir brauchen keine zusätzlichen Straßen, keine neue Kanalisation, die Infrastruktur ist großteils schon vorhanden. Und das alles vor dem Hintergrund, dass wir bestehende Nachbarschaften weiterentwickeln. So überaltern unsere Dörfer nicht. Mit Jung kauft Alt werden vor allem junge Familien angesprochen – können Sie sich das erklären? Wir haben eine gute schulische Infrastruktur, in jedem Dorf eine Grundschule, die OPG (Olof-Palme-Gesamtschule), mehrere Kindergärten in jedem Dorf – das will ich unbedingt erhalten. Und das ist, glaube ich, auch das Erfolgsrezept für die Menschen, die aus der Umgebung zu uns ziehen. Macht sich das schon an den Einwohnerzahlen bemerkbar? Die Einwohnerzahl ist zunehmend. Vor einiger Zeit hat uns IT NRW prophezeit, dass die Einwohnerzahl rückläufig sein wird – dramatisch. Bis auf 18.000, 17.000. Wir sind jetzt wieder bei um die 20.000 Einwohner. Ich glaube, das zeigt, wie positiv Hiddenhausen gesehen wird. Gerade für junge Familien. Die Wege sind kurz, die A 2 und die A 30 in der Nähe, wir haben Bünde und Herford, man ist schnell in Bielefeld, schnell in Osnabrück. Doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, wir müssen weiter arbeiten. Was meinen Sie damit? Der Ausbau des Radwegenetzes und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind ganz wichtig. Dazu müssen wir auch etwas tun für die E-Mobilität. Kurz: Wir müssen zunehmend attraktiver werden und das Level hochhalten. Dazu gehört auch das Thema Digitalisierung. Derzeit läuft eine Glasfaser-Initiative, die Sie eindringlich bewerben. Der Ausbau auf Glasfaser ist mir ein Herzensanliegen. Ich hoffe, dass wir das hinbekommen. Ich glaube, gerade nach Corona und den Erfahrungen mit den Schulen, mit Homeschooling, aber auch mit Homeoffice ist das angesagt. Ich habe während des Wahlkampfes mit vielen Menschen gesprochen, die gesagt haben: Hiddenhausen muss digital werden. Wir brauchen Glasfaser auch, weil wir hier viele Arbeitgeber haben oder auch Selbstständige, die darauf angewiesen sind. Für die Zukunft brauchen wir das bestmögliche Netz. Zur Infrastruktur zählt auch der ÖPNV. Wie geht Hiddenhausen hierbei vor? Mit dem Schülerticket für das kommende Schuljahr haben wir einen guten Start hingelegt. Die Kinder, die hier bei uns in Hiddenhausen zur Schule gehen, sollen umsonst Bus fahren. Das Ganze ist ein Westfalen-Ticket. Das heißt, man kann damit sogar innerhalb Westfalens kostenfrei fahren. Ich glaube, dass ist ein richtiger Schritt, Kinder frühzeitig an den öffentlichen Nahverkehr zu gewöhnen, ein bisschen weg vom Elterntaxi. Das ist das eine und dann haben wir zusammen mit der BVO eine Verbindung aus Oetinghausen nach Schweicheln entwickelt. Im on demand-Verfahren kann man jetzt stündlich von Oetinghausen quer durch die Gemeinde nach Schweicheln fahren. Das läuft erst einmal ein Jahr lang. Ich verspreche mir da viel davon und es ist etwas Gutes für Oetinghausen. Die ICE-Trasse ist ja schon lange ein Thema. Wie stehen Sie dazu? Da muss man jetzt schauen, wo die Reise mit der neuen Bundesregierung und dem neuen Verkehrsminister hingeht. Im Moment wird ja noch gesucht, welche Strecke infrage kommt. Die Bestandsstrecke zu nutzen, dieser Vorschlag fällt immer wieder, aber diese Strecke bedeutet schon jetzt eine hohe Belastung für die Menschen. Zum einen die B 239 und zum anderen eine fünfspurige ICE-Trasse mitsamt Regionalverkehr. Ich kann die Menschen verstehen, die in Schweicheln wohnen und sagen ’bitte nicht auch das noch’. Ich glaube nicht, dass es die ideale Strecke wäre. Um die Ziele zu erreichen, die sich die Bahn gesteckt hat, kommt die Bestandsstrecke nicht in Frage. Ich würde mir wünschen: Steckt das Geld bitte in den öffentlichen Personennahverkehr. Was nützt mir die kürzere Fahrzeit mit dem ICE nach Hannover, wenn ich zum Beispiel von Spenge aus eine Dreiviertelstunde bis zum nächsten Bahnhof brauche?

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