Lange in Isolation: So wirkt sich die Pandemie auf die Ältesten aus

Hiddenhausen. Es ist ruhiger geworden im "Haus Bonitas": Seit der Corona-Pandemie kommen weniger Gäste zur Tagespflege. Die Gäste, um die sich derzeit in der Tagespflege gekümmert wird, wünschen sich wieder mehr Zulauf. Aber auch in anderen Pflegeeinrichtungen sind die Beschränkungen spürbar. Mitarbeiterinnen aus drei Einrichtungen berichten von den Auswirkungen sozialer Isolation. Insbesondere auf das Krankheitsbild Demenz. "Damit wir wieder eine große Familie werden", sagt eine Gästin, sollten wieder mehr Menschen zur Tagespflege kommen. Für sie geht es in erster Linie um Gemeinschaft. Sie gehöre quasi zum Inventar, seit fünf Jahren kommt sie her - "immer noch mit Freude." Denn hier sei sie nicht allein, schließe Freundschaften. Doch statt der möglichen 18 kommen derzeit nur zwölf Menschen zum "Haus Bonitas". "Corona war sehr hart", erinnert sich die 87-Jährige, die die Einrichtung gern Oma-Kindergarten nennt. Einzeln hätten sie während der Hochphase am Tisch gesessen, mit anderthalb Metern Abstand und Masken seien Unterhaltungen kaum möglich gewesen. Jetzt ist es zwar wieder fast wie früher. Aber Plätze sind trotzdem noch frei. "Wer zuhause einsam ist, sollte die Tagespflege in Anspruch nehmen" sagt die 87-Jährige. Erschreckende Auswirkungen Dabei geht es nicht nur um Einsamkeit: Fehlende Interaktion und Impulse haben merkliche Auswirkungen auf die Besucherinnen und Besucher. "Ich war teilweise erschrocken, wie sehr unsere Gäste mental und körperlich abgebaut haben", sagt Einrichtungsleiterin Sabrina Pflug. Soziale Kontakte seien wichtig. "Das wurde ihnen genommen, und das war für sie grauenhaft." Im Frühjahr 2020 gab es vorübergehend nur telefonischen Kontakt. Aber viele Ältere hören schlecht. Das heißt: Kein Input, keine Gespräche. Bei einigen Gästen sei die Demenz in der Zeit der Isolation sehr stark fortgeschritten, sagt Gesundheits- und Krankenpflegerin Pflug. Denn insbesondere Demenzerkrankte benötigen Routinen. Was nicht geübt und wiederholt wird, gehe verloren. Das geht bei Aktivitäten wie Bälle werfen los und geht bis zu alltäglichen Aufgaben wie Brote schmieren und Besteck benutzen. "Sie wissen dann noch, dass ein Löffel Löffel heißt, aber nicht, wie sie ihn benutzen sollen." Sechs Wochen lang war die Tagespflege "Haus Bonitas" geschlossen, von Mitte März bis Anfang Mai 2020. Trotz strikter Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen sind nicht alle zurückgekehrt. Manchmal ruft Pflug sie noch an und fragt, wie es ihnen geht. "Die Kapazität wäre da", sagt Pflug.Isolation und Demenz Auch im Ambulanten Betreuungsdienst der Diakoniestationen seien ähnliche Erfahrungen gemacht worden. Gerade zu Beginn der Pandemie, als Besuche über Wochen nicht möglich waren. Betreuungskräfte hätten sich erschrocken über die Auswirkungen der Besuchspausen gezeigt. Demenzielle Veränderungen seien weit vorangeschritten, weil Menschen isoliert waren, sagt eine Mitarbeiterin des Betreuungsdienstes der NW. Zwar sei es bei einer Demenzerkrankung unausweichlich, dass sich der Zustand immer weiter verschlechtert. Aber die Geschwindigkeit und die Häufigkeit sei auffällig gewesen, so die Mitarbeiterin weiter. Vor allem bei denjenigen, die allein leben. Andere Dienste im Kreis Herford hätten von ähnlichen Beobachtungen berichtet.Beim Besuchsdienst geht es vor allem um eine psychosoziale Versorgung, um Gesellschaft und Alltagsbegleitung. Gemeinsames Einkaufen, Unterhaltungen, Spiele - und die Tatsache, Gesprächspartner außerhalb der Familie zu haben. Diese stundenweisen Besuche seien wichtig, oftmals würden sich starke Bindungen entwickeln. Für banale Dinge wie in Ruhe Einkaufen fehle Angehörigen neben aller Organisation manchmal einfach die Zeit. Die Beobachtungen decken sich mit aktuellen Forschungsergebnissen. Laut einer kürzlich in der Fachzeitschrift "The Lancet Public Health" veröffentlichten Studie könnten sich Demenzfälle bis 2050 verdreifachen. Die Studie betonte einen bereits 2020 veröffentlichten Bericht, nachdem rund 40 Prozent der Demenzfälle verhindert oder hinausgezögert werden könnten. Zwölf bekannte Risikofaktoren müssten dafür beseitigt werden. Dazu zählt auch soziale Isolation, wenn auch andere Faktoren vermutlich größere Rollen spielen. Individueller Verlauf Generell fehle allen die Gemeinschaft, auch im Haus Stephanus. "Es drückt auf die Stimmung", sagt Hausleiterin Manuela Schock. Inwiefern es darüber hinausgeht, könne sie aber nicht einschätzen. "Ob das auch ohne Corona so fortgeschritten wäre, weiß man nicht." Denn einen Vergleich kann sie im Alltag nicht ziehen: Der Verlauf einer Demenzerkrankung sei sehr individuell, die Auslöser blieben oft unerkannt. Außerdem herrschen im Haus Stephanus andere Umstände als in einer Tagespflege. So gebe es täglich Beschäftigung. "Was den Bewohnern fehlt, sind zentrale, bereichsübergreifende Angebote", sagt Schock. Die Besuchszahlen im Haus Stephanus seien indes wieder auf Vor-Corona-Niveau. "Die Testungen nehmen alle in Kauf. Das fand ich beachtlich."

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