Aus dem Bürgerkrieg nach OWL: 28-Jährige findet neue Heimat in Hiddenhausen

Hiddenhausen. An ihren ersten Tag in Deutschland und in dieser Gemeinde mit dem sonderbaren Namen kann sich Rawan Hamak noch gut erinnern: "Das war der 15. Mai 2016", sagt sie ohne zu zögern. Fünf Jahre ist das nun her. Doppelt so lange tobt in ihrer Heimat Syrien ein Bürgerkrieg, der hunderttausende Menschenleben gekostet, das Land verwüstet und einer Perspektive beraubt hat. Die 28-Jährige ist dem entkommen. Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Hiddenhausen, in Sicherheit. Doch wenn sie über Syrien und die Vergangenheit spricht, dann wird ihre Stimme brüchig und die dunklen Erinnerungen werden wieder wach. Die kurdische Familie von Rawan Hamak lebte damals in einer dörflichen Umgebung - ein Landstrich zwischen Syrien, dem Irak und der Türkei ist ihre Heimat. Die Bildung ihrer Tochter ist ihnen ein wichtiges Anliegen. Nach der Grundschule besuchte sie weiterführende Schulen, ging zu Fuß von Dorf zu Dorf. Nachdem sie ihre Abschlüsse in der Tasche hatte, zog es sie für das Studium in die große Stadt, wo sie bereits einen Teil ihrer Kindheit verbrachte: "Ich habe vier Semester Tourismus in Damaskus studiert." Da ist noch nicht absehbar, dass in den kommenden Jahren kaum ein Tourist die Kulturschätze des Landes besuchen wird. Denn kurz darauf brach der Bürgerkrieg aus und das Land versank in Leid und Chaos. In Damaskus konnte Hamak nicht mehr bleiben. Sie beschloss, zurück zu ihrer Familie zu reisen. Doch auch dort war die kurdische Familie nun nicht mehr sicher. "Das war die wichtigste Situation in meinem Leben" Die Lage im Land verschlechterte sich immer weiter. Neben der Armee von Machthaber Assad, traten Milizen und radikale Terrorgruppen wie der sogenannte Islamische Staat und die Al-Nusra-Front auf den Plan. Dazwischen die Zivilbevölkerung. Wenn sie heute von der Flucht der Familie über den Irak in die Türkei berichtet, dann kommt Rawan Hamak ins Stocken und möchte lieber das Thema wechseln. "Das war ein Trauma für mich", so die 28-Jährige. Es habe ein kurzes Zeitfenster gegeben, in dem sie ungehindert in den Irak fliehen konnten. Danach wären sie den willkürlich mordenden Gruppen schutzlos ausgeliefert gewesen. "Das war die wichtigste Situation in meinem Leben", sagt sie, ehe ihre Stimme abbricht. Das Erlebte belastet heute wie gestern. In der Türkei bestand für sie keine akute Lebensgefahr. Doch für die Kurdin war der Alltag dort ebenfalls nicht leicht. Die Behörden hätten sie dort nicht haben wollen. "Die Beamten haben mich im Stich gelassen. Ich musste mehr als 200 Euro zahlen, einen Aufenthaltstitel habe ich aber nicht bekommen." Ihr Verlobter war da bereits in Hiddenhausen, wo er für ein paar Jahre Arbeit fand. Im Mai 2016 schließlich sollten sie sich wieder sehen. Nach der Angst um das eigene Leben und das der Familienmitglieder gelang die Flucht. Einige landeten in Aachen, andere in Dortmund, Hamak in Hiddenhausen. "Es war alles neu, alles komisch", berichtet sie rückblickend. Damals konnte sie gerade mal zwei Wörter deutsch, heute kann sie sich problemlos unterhalten. "Sie weiß, was sie will und plant alles sehr realistisch" Ihre ersten Wörter lernte sie mit der Schwiegermutter von HussienKhedr, der sich in der Gemeinde integrationspolitisch engagiert. Fünf Monate nach ihrer Ankunft durfte sie den ersten Deutschkurs in Herford besuchen - endlich. Nach seinem Übergangsjob fand ihr Ehemann eine Lehre zum Tischler. Rawan Hamak begann eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin bei der Evangelischen Jugendhilfe Schweicheln. Wenn alles gut geht, werden sie beide in diesem Sommer ihren Abschluss machen. Nebenbei engagiert sich die 28-Jährige im Integrationsrat, um etwas zurückzugeben für das, was ihr Positives widerfahren ist. Gleichzeitig möchte sich die junge Mutter weiterbilden und sich mit ihrer kleinen Familie etwas aufbauen. "Ich habe in meinem Leben viel geschafft und will hier nicht einfach rumsitzen." Menschen wie Hussien Khedr, die sie schon länger kennen, wissen um ihre Zielstrebigkeit: "Sie weiß, was sie will und plant alles sehr realistisch", erklärt er. Und wo sieht sie sich in ein paar Jahren? Ein Haus mit Garten in Hiddenhausen, das sei ihr Traum. Hier fühlt sie sich wohl, hier hat Rawan Hamak ihren Frieden gefunden: "Jetzt ist alles okay", sagt sie heute. INFOBOX: Integrationsrat Am heutigen Montag konstituiert sich der neue Integrationsrat der Gemeinde. Die Mitglieder, darunter Rawan Hamak, werden dabei "in feierlicher Form zur gesetzmäßigen und gewissenhaften Wahrnehmung ihrer Aufgaben verpflichtet". Seit 2015 existiert in Hiddenhausen die Interessenvertretung, die sich für die Belange der migrantischen Bevölkerung einsetzt. Corona und 3.000 Kilometer trennen einen Hiddenhauser von seiner Familie | NW+ Kandidaten mit Migrationshintergrund für die Kommunalwahl in Hiddenhausen Das sind die wichtigsten Akteure im Syrien-Konflikt

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