Spannender Arbeitsplatz im Füllenbruch

Hiddenhausen. Anna Brennemann mag Pflanzen. Seit Anfang 2019 arbeitet sie als Biologin bei der Biologischen Station Ravensberg. Im Füllenbruch hat sie in den vergangenen Monaten Blumen, Gräser und fast alles katalogisiert, was dort so sprießt: "Natürlich lässt sich nicht jede einzelne Pflanze erfassen. Manchmal kommt ja auch etwas dazu, was erst eine Zeit lang im Verborgenen lebt. Aber grundsätzlich haben wir schon eine Menge erfasst.” Dass sie allein dort nicht alle Pflanzen findet, ist nicht verwunderlich. Denn das Füllenbruch führt entlang der Unteren Talstraße in Oetinghausen bis zur Grenze zwischen Sundern und Herford. Es ist auf 138 Hektar rund einen Kilometer breit und drei Kilometer lang und seit dem Jahr 1996 Naturschutzgebiet. Mitten hindurch fließt auch Düsedieksbach. Bach und Wiesen hatten es lange nicht leicht. Teile des Füllenbruchs waren nämlich noch bis in die 80er Jahre Abladestelle für Boden- und Bauschutt, und in den Bach flossen Abwässer aus angrenzender Wohnsiedlungen. 1998 dann wurde das Bachbett angehoben, der Bach selbst verbreitert und seine Ufer abgeflacht. Dadurch kann der Bach die Wiesen bei Hochwasser überfluten und besonders gut wässern. Das Füllenbruch könnte heute anders heißen Anna Brennemann erkennt den Effekt bei ihrem Gang durch die Wiesen sehr genau: "Rund 50 Meter vom Bach entfernt siedeln sich viele Pflanzen an, die es gerne besonders feucht und sumpfig mögen. Geht man dann ein bisschen vom Bach Richtung ehemalige Kleinbahntrasse, finden sich vermehrt andere Arten, die es ein trockener lieben.” Dass Bruch liegt seit jeher in einer Senke und seine Seiten steigen mal sanft – Richtung Lippinghausen – und mal steil – Richtung Herringhausen - an. Auch deswegen sammelt sich an seinem tiefsten Punkt entlang dem Bach viel Regenwasser. Die dadurch entstandene Fruchtbarkeit hat dem Gebiet möglicherweise auch einst seinen Namen eingetragen. Denn junge Pferde - Fohlen - wurden dort geweidet. Und Fohlen hießen früher "Füllen”. Das Naturschutzgebiet könnte also in heutiger Sprache auch "Fohlenbruch” heißen. Seit vielen Jahren ist das Bruch auch Rückzugsgebiet für Tiere: Füchse, Marder, Waschbären und zahlreiche Vogelarten streifen durch die fruchtbaren Wiesen und vermehren sich. In dem feucht-nassen Gebiet gibt es auch an verschiedene Stellen Schilfbewachsungen. Eine davon, in Nähe der Ziegelstraße, dient seit ein paar Monaten dem artengeschützten Greifvogel Rohrweihe als Nistplatz. Anna Brennemann: "Wir nehmen an, dass die Brutversuche des Rohrweihen Paars erfolgreich waren. Eines der Elterntiere kreist immer über dem Bruch auf der Suche nach Nahrung. Deswegen ist jetzt auch ein Schutzzaun rund um das Schilf angebracht worden, gegen mögliche Räuber.” Nur Landwirte dürfen die geschützten Flächen nutzen und betreten Vor Menschen ist die Rohrweihe schon seit eineinhalb Monaten gut geschützt. Denn ein Wirtschaftsweg, der in Nähe ihres Nestes verläuft und von Spaziergängern gerne genutzt wird, ist bereits seit Ende Mai gesperrt. Anna Brennemann: "Und es ist wirklich toll, wie sich die Leute an die Sperrung halten. Ich habe bisher niemanden auf dem Weg oder in den Wiesen gesehen, und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass jemand die Sperre umgeht oder die Weg verlässt.” Einzig die Landwirte, die dort Wiesen bewirtschaften, dürfen das und das Gras auch mähen. Dafür, wann und welche Flächen gemäht werden, gibt es Vereinbarungen mit den Bauern. Anna Brennemann: "Auch das läuft gut. Die Landwirte sollen ja ihre Heu-Erträge von den Wiesen bekommen. Deswegen gelten die Sperrungen für sie natürlich nicht. Das Füllenbruch ist ja als Ganzes ein Naturschutzgebiet, und die Wiesen, die gemäht werden, sind Vertragsnaturschutzflächen. Jeder weiß, wann er welche Fläche mähen darf.” Dass das gesamte Füllenbruch einst geschütztes Brutgebiet, Start- und Landeplatz für Arten wie die Rohrweihe und auch den Storch sein würde, das hätte noch vor rund hundert Jahren wohl niemand vermutet. Denn tatsächlich schwangen sich ab dem Jahr 1912 nicht Vögel dort in die Lüfte, sondern auch Menschen. Im Füllenbruch lag nämlich der längst vergessene Herforder Flugplatz, den Flugsportbegeisterte des Herforder Vereins für Luftfahrt nutzten. Kopfstand und Überschlag mit dem Flugzeug Allerdings nicht lange. Denn die sumpfige Gegend erwies sich für Start und Landung als wenig tauglich. Schon gar nicht für motorisierte Maschinen, die wegen ihres Gewichts schon mal im Schlamm stecken blieben, einen Kopfstand machten oder sich überschlugen. 1931 holten sich Natur und die tierischen Könige der Lüfte ihr Revier zurück, und die Idee vom Flugplatz im Füllenbruch war passé. Anna Brennemann ist zufrieden mit dem, was sie heute an ihrem Arbeitsplatz im Füllenbruch vorfindet: "Es wirklich schön zu sehen, wie es immer ein Stückchen vorangeht. Erst im November 2018 haben wir dort, wo das Bruch in Oetinghausen beginnt, eine neue Streuobstwiese angelegt. Manchmal muss man Hundebesitzer darauf aufmerksam machen, dass sie ihre Tiere doch bitte anleinen. Aber ich sage immer: Es geht nur miteinander. Und ich glaube, das ist auch der richtige Weg.”

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