Herforder fährt 536 Kilometer mit dem Therapie-Dreirad bis Venedig und zurück

Herford. Seine Wirbelsäule ist versteift, wird von Schrauben gehalten. Eine Nervenkrankheit schränkt Dieter Begemann zusätzlich beim Gehen extrem ein. Kürzere Strecken schafft er mit Krücken, sonst ist er im Rollstuhl unterwegs. Schon länger hat der 72-Jährige einen Wunschurlaub. Mit dem Fahrrad vom Gardasee nach Venedig und zurück – 536 Kilometer. Wie dieses Abenteuer trotz der Handicaps geklappt hat. Begemann ist kein Typ, der sich in den Mittelpunkt stellt oder Mitleid braucht. Dennoch möchte er in der NW von seinem jüngsten Urlaub, aber auch seinen Erkrankungen erzählen. &bdquo;Um anderen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich, Mut zu machen“, sagt er. Seit der Herforder 18 Jahre alt ist, leidet er an Morbus Bechterew. Das ist eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung. Im Laufe der Jahre hat sie Begemann immer &bdquo;krummer“ werden lassen, er konnte sich im Rücken nicht mehr aufrichten. 1988 wurde er operiert, die Wirbelsäule begradigt und versteift. Bis heute ist jede Menge Metall in seinem Rücken. Sogar den Kopf zu drehen, fällt ihm schwer. Lesen Sie auch: Darmkrebs und Metastasen: Pferde helfen Jutta Benneker nach der Schockdiagnose Mit Therapie-Dreirad und E-Bike zum Gardasee Seit einiger Zeit leidet er zusätzlich an Polyneuropathie. Bei dieser Erkrankung der peripheren Nerven kommt es zu Symptomen wie Taubheitsgefühlen, Kribbeln, Schmerzen und Muskelschwäche. &bdquo;Das geht von unten los, Füße und Beine sind betroffen. Ich kann nur noch sehr langsam laufen. Zu Hause geht das mit Gehstützen und Rollator“, erzählt er. Will der 72-Jährige aber in die Herforder Innenstadt, von der er nur wenige Meter entfernt wohnt, muss er auf den Rollstuhl zurückgreifen. Auf die Frage, ob er Schmerzen habe, sagt er: &bdquo;Ich klage nicht, ich habe mich daran gewöhnt.“ Der Herforder lebt sein Leben. Er hat früher im Stadtarchiv gearbeitet und verbringt heute viel Zeit mit seiner Lebensgefährtin Heike Wohlleben. Schon im Jahr 2000, als er mit dem Auto über den Brenner nach Italien fuhr, hatte er erstmals die Idee: &bdquo;Ich habe die Flüsse gesehen und dachte mir, wie es wohl wäre, mit dem Rad an der Etsch entlangzufahren. Letztes Jahr wollten wir diese Reise schon angehen, da war ich aber krank. In diesem September hat es dann geklappt!“ Mit einem klassischen Fahrrad kann der Herforder nicht mehr fahren. Bis vor zweieinhalb Jahren sei das noch möglich gewesen, dann sei er aber wiederholt umgefallen. Seither ist er mit seinem Easy Rider unterwegs. Ein Therapie-Dreirad, das genauso funktionier wie ein E-Bike. Mit dem Easy Rider und dem E-Bike seiner Lebensgefährtin auf dem Fahrradträger hinter dem Auto ging es zum Gardasee. In Riva del Garda sollte das Abenteuer starten. Ebenfalls interessant: Wie eine Mutter aus Löhne mit der Schockdiagnose Brustkrebs umgeht Viele Brücken in Venedig sind nicht barrierefrei 50 bis 60 Kilometer am Tag saßen die beiden Herforder im Sattel. Begemanns Füße waren an den Pedalen festgemacht, sonst würde er abrutschen. &bdquo;Klar war das kein Relax-Urlaub. Wir sind aber eine tolle Strecke entlang der Etsch gefahren“, erzählt Heike Wohlleben. In Norditalien war es ruhig, wenig los. Das Paar übernachtete in kleinen Dörfern und ganz unterschiedlichen Unterkünften. Auf den Radwegen, teils geschottert, teils asphaltiert ging es trotz einer ordentlichen Menge Gepäck – darunter auch die Gehhilfen – gut voran. Manchmal war es mit dem Therapie-Dreirad gar nicht so einfach, es wurde eng. Sei es auf der Fähre beim Übersetzen über den Gardasee oder an schmalen Stellen auf den Radwegen. Der Easy Rider ist immerhin 68 Zentimeter breit. Da wird es auch bei Türen schnell mal eng. Als das Paar schließlich am Ziel in Venedig ankam, mussten die Räder zurückbleiben. &bdquo;Wir haben einen Rollstuhl gemietet. An vielen Brücken in Venedig sind aber Stufen und keine Rampen. Das war alles gar nicht so leicht“, berichtet das Paar. Dann kam das Highlight für Dieter Begemann. Er und seine Lebensgefährtin erreichten den weltbekannten Markusplatz, wo auch der &bdquo;Karneval in Venedig“ stattfindet. &bdquo;Hier wollte ich in Ruhe einen 15-Euro-Cappucino trinken“, erinnert sich der Herforder und grinst in sich hinein. 15 Euro? Nein, am Ende kostet er 16 Euro und das Getränk seiner Partnerin 18 Euro. Aber das ließen sich die beiden nicht nehmen. &bdquo;Nur schade, dass ich vergessen habe, den Cappuccino zu fotografieren“, scherzt Begemann. Lesen Sie auch: Tumor hatte Speiseröhre fast komplett verschlossen: Spengerin besiegt Krebs Urlaub mit dem Easy Rider gibt viel Freiheit Von Venedig ging es dann zurück zum Ausgangspunkt am Gardasee, wo das Auto schon auf die beiden Herforder für die Rückreise wartete. Etwa zweieinhalb Wochen waren sie unterwegs. Und als Nächstes? Will das Paar noch mal so einen sportlichen Urlaub machen? Begemann: &bdquo;Es muss ja nicht gleich die Route 66 in den USA sein. Es gibt aber sicher noch so manche spannende Strecke in Deutschland und dem näheren Ausland zu entdecken.“ Heike Wohlleben ist dann auch wieder mit von der Partie. Sie meint: &bdquo;Diese Art Urlaub mit dem Rad gibt uns und vor allem Dieter viel Freiheit. Daher machen wir das bestimmt wieder!“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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