Frühchen-Station im Herforder Klinikum kämpft um jeden Patienten und um sich selbst

Herford. Weniger als zwei Packungen Butter - nur 480 Gramm - wog das kleinste Frühgeborene, das im Kreisklinikum Herford-Bünde auf die Welt gekommen ist. Die Frühgeborenen-Station versorgt jährlich im Durchschnitt rund 200 Frühgeborene, zusätzlich 100 Neugeborene mit Startschwierigkeiten. Heute kämpft das Klinikum um die Frühchen-Versorgung. Im Zuge der Krankenhausreform soll die Versorgung der jüngsten Erdenbewohner auf weniger Standorte konzentriert werden - und Herford gehört dann nicht mehr dazu. Kommt es zur Reform - der Bundestag hat zugestimmt, das Gesetz muss noch durch den Bundesrat - , wirken sich die Pläne in Ostwestfalen-Lippe am stärksten auf das Klinikum Herford aus, weil es die Zuweisung als Perinatalzentrum der Level 1 und 2 verlieren soll. In der Folge dürften in der Klinik keine Frühgeborenen mehr versorgt werden, die weniger als 1.500 Gramm wiegen oder die vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. Mehr zum Thema: Herforder Kinderklinik kämpft um Frühchenversorgung Die Frühgeborenen-Intensivstation gibt es seit 1974. Winfrid Eisenberg kam als Oberarzt genau vor 50 Jahren nach Herford in die neu gebaute Kinderklinik. Er erinnert sich an die Anfänge zurück. &bdquo;Der Klinikbetrieb hatte schon begonnen, aber im 3. Stock, auf der Station K 3, gab es noch keine Patienten“, schreibt Eisenberg an die Neue Westfälische, denn hier war alles für kranke Neugeborene und Frühgeborene vorgesehen. Frühgeborenen-Abholdienst rund um die Uhr Ihn lockte die Aufgabe, diesen Bereich in Gang zu setzen, einst nach Herford. &bdquo;Hatte ich doch in den vorangegangenen Jahren meinen Arbeitsschwerpunkt in der Perinatologie und Neonatologie, die Medizin um die Geburt herum sowie die Neugeborenen-Medizin, gefunden und entwickelt.“ Das Team organisierte von Anfang an einen fachkundigen Frühgeborenen-Abholdienst rund um die Uhr - mit Transport-Intensivinkubator und Beatmungsgerät. &bdquo;In Zusammenarbeit mit den Geburtskliniken bemühten wir uns, schon im Kreißsaal oder bei der Kaiserschnitt-OP anwesend zu sein, bevor das gefährdete Kind geboren wurde, um es dann sofort angemessen behandeln und versorgen zu können.“ Ein solcher Service war damals neu. Lesen Sie auch: So sieht der Alltag auf der Herforder Frühchenstation aus Da die Ergebnisse sehr gut waren, nahmen nach und nach mehrere Geburtskliniken teil. Eisenberg zählt auf: Frauenklinik Herford Kreiskrankenhaus (so hieß das Klinikum damals), Ev. Krankenhaus Bünde, die Krankenhäuser Lübbecke, Lemgo und Rinteln sowie das Mathilden-Hospital Herford. &bdquo;Anfangs musste ich selbst immer mitfahren, bis einige Kolleginnen und Kollegen die nötigen Kenntnisse hatten.“ Sauerstoffgehalt im Blut durch die Haut messen - ein Meilenstein Auf der Station verfolgte das Team stets die aktuellen Fortschritte in der Neonatalmedizin, national und international. Eisenberg gibt ein Beispiel: So gab es in Herford eine der ersten Kinderkliniken, die in den 1970er Jahren den Sauerstoffgehalt im Blut der kleinen Patienten transcutan (durch die Haut) messen konnten. &bdquo;Dadurch mussten wir den Kindern nicht mehrmals täglich Arterienblut entnehmen, um die lebenswichtige Blutgasanalyse erstellen zu können“, erklärt der Mediziner. Die kontinuierliche transcutane O-2-Messung sei ein fantastischer Meilenstein in der Neonatologie. &bdquo;Ich hatte auf einem internationalen Perinatalkongress in Uppsala einen Vortrag über dieses in der Entwicklung befindliche Verfahren gehört und die Vorführung eines Prototyps miterlebt. Ich hatte die Firma gebeten, mich zu benachrichtigen, sobald das Gerät verfügbar werde“, erinnert sich der Kinderarzt. Und so kam es dann auch. Von Anfang an war es sehr wichtig, die Eltern der Frühchen intensiv einzubeziehen. Eisenberg: &bdquo;Die Eltern zu ihren Inkubator-Kindern zu holen, war damals unüblich.“ Man hatte Angst vor Infekt-Einschleppung. &bdquo;Aber der frühe Kontakt mit den harmlosen ’Familienkeimen’ ist eher ein Vorteil für die Kinder, zumal diese Keime biologisch stärker sind als die hochgefährlichen, antibiotikaresistenten ’Krankenhaus-Keime’“, heißt es von Eisenberg. Kritik an Krankenhausreform Eine bewegte und spannende 50-jährige Geschichte liege hinter der Herforder &bdquo;Frühchenologie“. Auch heute seien die kleinen Patienten bei dem leitenden Oberarzt der Kinderklinik Herford, Uwe Spille, und seinem großartigen Team in besten Händen, findet der ehemalige Kollege Eisenberg und sagt zur Krankenhausreform: &bdquo;Es wäre ein Unding, diese gewachsene und bestens funktionierende Abteilung einfach zu schließen.“ Das Kriterium fürs Weiterarbeiten könne nicht eine Bürozahl sein. Eisenberg: &bdquo;Es macht keinen Unterschied, ob im Jahr 23 oder 25 sehr kleine Frühgeborene behandelt werden. Das entscheidende Kriterium muss die Entwicklung der Kinder sein, wie haben sie sich nach zwei und nach fünf Jahren entwickelt.“ Lesen Sie auch: Klinikreform: Diese Krankenhäuser in OWL müssen Angebote streichen

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