Nach 24 Jahren: Herforder Gewerkschafter geht in den Ruhestand

Kreis Herford. Er ist Gewerkschafter mit Leib und Seele. Das merkt man, wenn man mit Peter Kleint über Themen wie Tariflöhne, Homeoffice oder Betriebsratsarbeit spricht. Ende Oktober geht nun der langjährige Erste Bevollmächtigte der IG Metall Herford in den Ruhestand. &bdquo;Der Kampf um die klugen Köpfe und die fleißigen Hände hat erst jetzt richtig Fahrt aufgenommen“, sagt Kleint im exklusiven Gespräch mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“, an dem auch Kleints Amtsnachfolger Markus Krecht teilnahm. Er hat bereits die Geschäfte übernommen. 24 Jahre, also fast ein Vierteljahrhundert hat Kleint die IG Metall im Kreis Herford geführt und dabei manch turbulente Phase mitgemacht. Die Banken- und Finanzkrise ab dem Jahr 2007 habe der Branche mächtig zugesetzt, erinnert sich Kleint. Durch Insolvenzen seien innerhalb von drei Jahren rund 20 Betriebe verloren gegangen, insgesamt rund 2.500 Beschäftigte seien betroffen gewesen. &bdquo;Davon muss man sich erstmal erholen.“ Lesen Sie auch: IG Metall in Herford wählt Peter Kleint für weitere vier Jahre Dieser ersten &bdquo;Vollbremsung“, wie es Kleint nennt, folgte ab 2020 mit der Corona-Pandemie die zweite. &bdquo;Betriebsversammlungen waren in dieser Zeit sehr schwierig“, erinnert sich Krecht. Online-Konferenzen per Bildschirm von 300 Personen oder auch mehr seien herausfordernd gewesen, fügt Kleint hinzu. &bdquo;Gewerkschaftspolitik über Zoom oder Teams zu entwickeln, ist eher schwierig.“ &bdquo;Die tarifliche Anbindung liegt bei 30 Prozent“ Doch gerade die Corona-Krise habe gezeigt, wie notwendig solidarisches Handeln sei, um Verbesserungen für die Mitarbeitenden erreichen zu können. &bdquo;Die tarifliche Anbindung liegt bei 30 Prozent“, sagt Kleint mit Blick auf die gut 10.000 Beschäftigten in rund 100 Betrieben, für die die IG Metall Herford zuständig ist. Diesen Wert zu verbessern, ist eines der Haupttätigkeitsfelder der Gewerkschafter. &bdquo;Wenn die Beschäftigten ihre Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern wollen, dann gibt es dafür einen Werkzeugkasten“, sagt Krecht. Dazu gehöre neben dem Organisationsgrad der Beschäftigten und der Tarifbindung auch die Existenz von Betriebsräten, die ebenfalls noch ausbaufähig sei. Die Bedeutung der Bezahlung nach Tarif sei vielen Mitarbeitenden derzeit viel zu wenig bewusst. &bdquo;Jeder Tabellenwert ist mehr wert als jeder Benefit“, betont Kleint. Lesen Sie auch: IG Metall und Sulo in Herford im Streit um Tariferhöhungen Will heißen: Wer über Jahrzehnte nach Tariftabellen entlohnt wird, hat am Ende seines Berufslebens auch mehr Geld zur Verfügung, wenn er ins Rentenalter kommt. Mit &bdquo;Benefits“ meint Kleint Angebote wie den vergünstigten Besuch eines Fitnessstudios oder die Teilnahme an Leasingangeboten wie zum Beispiel durch Jobrad. Solche Offerten seien &bdquo;sozialpolitisch eine Katastrophe“, denn der Beitrag, den man für die Nutzung dieses Leasingrades zu zahlen habe, werde vom Bruttolohn abgezogen. &bdquo;Familien haben sich verändert“ Die Folge, so Kleint: &bdquo;Damit schmälert man sein sozialversicherungspflichtiges Einkommen.“ Wenn man solche Programme über viele Jahre nutze, zahle man weniger in die Rentenkasse ein. Geld, das im Rentenalter dann fehle. Es sei ärgerlich, wenn man mit solchen Dingen bei manchen Beschäftigten punkten könne, findet Kleint. Die IG Metall habe über die Jahre erreichen können, dass die Tariflöhne für die Beschäftigten in den betreuten Betrieben im Durchschnitt um 3,5 Prozent pro Jahr gewachsen seien. &bdquo;Die kann einem keiner mehr nehmen, und die bleiben auch in der Tabelle.“ Früher, so Kleint, sei die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft für die meisten Beschäftigten selbstverständlich gewesen. Heute müsse man den Menschen erklären, dass eine solche Mitgliedschaft wichtig sei, um ein gutes Einkommen und später eine gute Rente zu haben. &bdquo;Gewerkschaftsarbeit zielt auf kollektive Lösungen, nicht einzeln verhandelte Vereinbarungen“, ergänzt Krecht. Haustarif besser als keine Tariflösung Ein Haustarif sei im Zweifel aber besser als keine Tariflösung, so der neue Erste Bevollmächtigte. Dabei werden im Tarifvertrag zunehmend auch andere Dinge geregelt als ausschließlich das Entgelt. &bdquo;Familien haben sich verändert. Zusätzliche Betreuungstage werden als Wahlmöglichkeit in die Tarifverträge eingebaut“, so Krecht. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte in der Politik um eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund des Fachkräftemangels sagen beide Gewerkschafter aus Überzeugung: &bdquo;Finger weg vom Arbeitszeitgesetz.“ Wer fordere, dass Mehrarbeit steuerfrei werde, habe genau dieses im Hinterkopf. Doch eine zu hohe Belastung der Beschäftigten wirke sich unter anderem negativ auf die Krankenquote aus. Krecht: &bdquo;Ich möchte lieber über Erholungszeiten reden.“ Denn Entwicklungen der digitalen Transformation machen die Arbeitswelt immer dynamischer und herausfordernder für die Beschäftigten. &bdquo;Arbeitgeber fangen an, Veränderungen zurückzudrehen“ Beispiel Künstliche Intelligenz (KI): &bdquo;Uns ist bewusst, dass es eine Reihe von Unternehmen gibt, die in der KI eine Zusatzchance sehen“, sagt Kleint. Arbeitgeber wollten hier oft einen Freifahrtschein zur Nutzung dieser Möglichkeiten haben. Doch: &bdquo;Wir wollen mitgestalten und dazu vernünftige Vereinbarungen haben.“ Man wolle dem technischen Fortschritt aber nicht im Wege stehen. Lesen Sie auch: Löhner IT-Unternehmen: Künstliche Intelligenz ist hilfreich und hochgefährlich Beispiel Homeoffice (HO): &bdquo;Arbeitgeber fangen an, Veränderungen zum HO zurückzudrehen“, sagt Kleint. Man fange auch an, Beschäftigte auszuspionieren, ob diese im HO auch produktiv arbeiteten. Mithilfe der Betriebsräte Betriebsvereinbarungen auf den Weg zu bringen, die hier ein vernünftiges Regelwerk schaffen, ist ein Hauptbetätigungsfeld der sechs IG Metaller, die in Herford für die Interessen der Beschäftigten arbeiten. Auch Dinge wie eine arbeitsrechtliche Erstberatung bei Problemen im Betrieb, Rentenberatung oder das Anbieten von Grundlagenseminaren gehören zum von Krecht eingangs beschriebenen Werkzeugkasten, den die Gewerkschafter anbieten können. Zum Portfolio gehören Betriebe aus dem Bereich Holz und Kunststoff, Metall und Elektro, Textil und Bekleidung sowie das textile Reinigungsgewerbe. Für sie alle gilt: &bdquo;Mitgestalten ist nur über Gewerkschaften möglich.“

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