Herford. Wer schon mal Wildtiere in der Stadt entdeckt hat, wird sich vielleicht gewundert haben. So erging es zumindest Wolfgang Mauer in seinem Garten im Bereich Langenbergstraße: Schon 2023 war ihm dort ein Feldhase aufgefallen. In diesem Jahr ist er wieder da – und in Begleitung.
„Ein Feldhase in einem weitläufigen Gartengebiet mit angrenzendem Langenberg-Wäldchen, aber tief im Stadtgebiet: Ist das nicht ein sehr ungewöhnlicher Befund?“, fragt Mauer. Für eine Stadt wie Herford nicht unbedingt, sagt Klaus Nottmeyer von der Biologischen Station Ravensberg. Denn in Herford gingen städtische Flächen an vielen Stellen fast direkt in Offenland über.
Nottmeyer ist Ornithologe und kein ausgewiesener Fachmann für Feldhasen. Er ist aber viel in der Natur unterwegs und beobachtet dabei auch Dinge, die reinen Stadtmenschen verborgen bleiben. Er selbst wohnt in der Nähe des Erikafriedhofs, der fast direkt in den Stuckenberg übergeht. Und auch er sehe, wenn er das Haus sehr früh morgens verlasse, Feldhasen, manchmal sogar direkt auf der Straße.
Herford ist an vielen Orten nah am Naturraum dran
Ein weiteres Beispiel ist das Füllenbruch, das direkt ins Stadtgebiet übergeht. „Aus Sicht des Füllenbruchs ist das keine gute Nachricht“, sagt Nottmeyer trocken. Denn die Stadt komme zu nah an den Naturraum heran. Sowieso spricht der Naturschützer nicht davon, dass Wildtiere in Städte einwandern – „darauf brauchen wir uns nichts einzubilden“ –, sondern dass der Mensch in den Lebensraum der Tiere vorrückt.
Wenn die Population der Feldhasen – oder auch anderer Wildtiere – stark zugenommen hat, gebe es immer auch das eine oder andere Tier, in der Regel ein Jungtier, das etwas Neues ausprobiere, erzählt Nottmeyer. Und in den vergangenen Jahren habe er einen regelrechten Boom in der Feldhasen-Population beobachtet.
Denn Feldhasen liebten es trocken und warm, sagt Nottmeyer. Und 2023 waren das Frühjahr und der Sommer recht trocken. Unter diesen Bedingungen hätten die Hasen ihre Jungen gut durchbringen können. Wenn es kühl und nass sei wie in diesem Jahr, hätten sie es schwerer. Wie sich die derzeitige Witterung genau auf die Population der Feldhasen in Herford ausgewirkt hat, kann Nottmeyer noch nicht sagen.
Wenn aber Feldhasen in Städten auftauchten, würden sie diese nicht „erobern“. Vielmehr betrachteten sie ihre neue Umgebung allenfalls als ein etwas merkwürdig aussehendes Feld, an dem eben auch Steinbauten stehen. Sie gingen – wenn die Population groß ist – eben auch in suboptimale Lebensräume.
Vor Jahrhunderten gab es wenig Grün in der Stadt
Tiere haben immer schon Städte bewohnt, sagt Nottmeyer. Vor mehreren Jahrhunderten seien die Wohnzentren der Menschen kompakte Ansiedlungen ohne jegliches Grün gewesen, die zudem nachts zur Sicherheit der Bewohner abgeriegelt wurden. Nicht weil Gefahr durch Tiere gedroht hätte, sondern durch Menschen, die diese Bewohner hätten überfallen können.
Für Ackerbau und Viehzucht habe der Platz in den eng umgrenzten Wohnsiedlungen nicht gereicht. Und Gärten seien damals Luxus gewesen. Deshalb habe es dort wenig Grün gegeben. Erst nach den Weltkriegen im vergangenen Jahrhundert hätten die Menschen in den Ballungszentren größere Friedhofsflächen und andere Grünflächen angelegt sowie Bäume gepflanzt. Dadurch breiteten sich die Städte aber in der Fläche aus, zunächst im städtischen Milieu zum Beispiel Mauersegler, Schwalben und Turmfalken.
Inzwischen gebe es eine rückläufige Entwicklung: Bäume sterben ab, weil sie zu dicht stehen und älter werden. Viele werden auch gefällt, weil sie so groß geworden sind, dass ihr Laub oder ihr Schatten zum Hindernis oder Ärgernis werden. Oder sie müssen gefällt werden, weil wegen Astbruch oder der Gefahr des Umknickens eine Verkehrssicherungspflicht besteht.
Den Hasen als Steppenbewohner sind die Bäume egal
Den Hasen ist das egal, sagt Nottmeyer. Sie brauchten freie Sicht. Denn Feldhasen seien eigentlich Steppenbewohner. Die Städte böten ihnen, auch wenn sie als Lebensraum nicht optimal seien, einige Vorteile: Fressfeinde, etwa große Greifvögel, fehlen dort, deshalb sind sie für die Tiere in der Regel sicherer. Und auf sie werde keine Jagd gemacht.
„Das kennen wir auch von Füchsen“, sagt Nottmeyer. Sie lebten inzwischen auch in den Großstädten. Dabei hat der Mensch ihnen den Weg bereitet: Er lässt viele Nahrungsmittel dort herumliegen. In der Stadt bejagt er sie nicht. Und zu seinem eigenen Schutz hat er die Tollwut unter den Tieren erfolgreich bekämpft.
Ähnlich tödlich wie die Tollwut bei Füchsen ist die Myxomatose für Kaninchen, ein für den Menschen ungefährliches Virus. Grassiert es unter ihnen, kann es ganze Landstriche über Jahre kaninchenfrei machen. „Das Auf und Ab im Vorkommen der Tiere ist etwas Normales“, sagt Nottmeyer, „auch wenn das für das einzelne Kaninchen sehr schlecht ist.“