Auftakt im Herforder Kreishaus: Was Kommune und Gesellschaft gegen rechts tun können

Kreis Herford. Erstmals starteten die Aktionswochen gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Kreis Herford mit einer Auftaktveranstaltung im Kreishaus. Jürgen Müller, Landrat und Schirmherr der Aktionswochen, dankte den vielen Beteiligten für ihr Engagement und das Zustandekommen des vielfältigen Programms und erinnerte an die vielen Demonstrationen nach dem Bekanntwerden der Correctiv-Recherchen zu Geheimplänen massenhafter Deportationen vermeintlich nicht-deutscher Menschen durch rechte Kräfte im Frühjahr. Dass es im Kampf gegen rechts aber mehr braucht als zivilgesellschaftliches Engagement – nämlich politischen Willen bis in die höchsten Spitzen der Kommunen – machte der von der Fachstelle NRWeltoffen eingeladene Referent Volkan Ugur in seinem Vortrag &bdquo;Wenn nicht jetzt, wann dann?“ nachdrücklich klar. Ugur arbeitet als Fachreferent bei der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie im Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund. Dort gibt es seit 2011 einen vom Rat beschlossenen und mehrfach überarbeiteten &bdquo;Dortmunder Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“. Vorausgegangen war 2007 die Aufforderung des Rates an die Stadtverwaltung, &bdquo;das Problem des Rechtsextremismus zu analysieren“, bestehende Strukturen und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus zu vernetzen und ein &bdquo;Handlungskonzept für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ zu entwickeln. &bdquo;Damit war Dortmund zwar ein Vorreiter“, sagte Ugur, &bdquo;aber vorausgegangen waren drei Polizistenmorde durch den Rechtsextremisten Michael Berger im Jahr 2000, der Mord am Punk Thomas Schulz 2005 und der Mord am Kioskbesitzer Mehmet Kuba??k 2006, dem 8. Opfer in der Mordserie des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Außerdem gab und gibt es eine aktive Neonazi-Szene, die versucht sich Raum in der Stadt und im Internet zu erobern oder auch schon mal Gedenkveranstaltungen zum 9. November angegriffen hat.“ Dortmunder Aktionsplan definiert sieben Handlungsfelder Der Dortmunder Aktionsplan definiert sieben Handlungsfelder im Kampf gegen Rechtsextremismus mit Zielvorgaben und Plänen, wie die Ziele erreicht werden sollen. An der Erarbeitung des Planes waren viele Menschen beteiligt. Kern des Projektes ist eine enge Kooperation von Zivilgesellschaft, Polizei und Stadtverwaltung. Eine detaillierte Analyse rechtsextremer Strukturen sowie die kommunalen Handlungsmöglichkeiten sollzivilgesellschaftliche oder behördliche Strukturen befähigen, effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln und zu ergreifen. Seit 2008 gibt es dafür auch städtische Gelder. Die Projekte werden von der &bdquo;Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ betreut. Zu den Themenfeldern gehören die Auseinandersetzung mit dem organisierten Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, Information und Aktivierung der Stadtgesellschaft, Förderung der Zusammenarbeit verschiedener Institutionen und Netzwerke, auch zwischen Polizei und Justiz auf der einen und Zivilgesellschaft auf der anderen Seite, Stadtteilarbeit um die Zusammenarbeit in den Vierteln gegen rechts zu stärken, Schutz und Hilfe für von rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt bedrohte und betroffene Menschen, Hilfen bei Ausstieg und Radikalisierung und die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeitsarbeit der Rechtsextremisten und Schaffung einer Gegenöffentlichkeit. &bdquo;Wichtig ist, dass das Thema ganz oben angesiedelt ist und Top-Down, also von oben nach unten behandelt wird und dabei Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.“ Bei Runden Tischen in den Quartieren ist oft der OB oder ein Vertreter dabei“, sagt Ugur. Praktisch zeigt sich das etwa an Anweisungen an den Bauhof, antisemitische Schmierereien binnen 24 Stunden zu entfernen und zu melden. &bdquo;So erhält Hetze keinen Raum in der Öffentlichkeit und wir haben ein Monitoring über die Vorfälle“, sagte Ugur. Dortmund verfügt mit den Westfalenhallen und anderen Gebäuden über Veranstaltungsorte, die oft für Auftritte auch von fragwürdigen Künstlerinnen oder Künstlern angefragt werden. Ausschlussklauseln in Miet- und Pachtverträgen Beim Umgang damit gebe es einen Ablaufplan, sagte Ugur. Am Anfang stehe natürlich, dass die Verantwortlichen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Um das zu erreichen, schult Ugur alle drei Monate alle neu in die Verwaltung eintretenden Mitarbeitenden zum Thema Rechtsextremismus und dem Umgang damit. &bdquo;So kennt auch jeder die Koordinierungsstelle und weiß, an wen er sich wenden kann.“ In Miet- und Pachtverträgen für städtische Räume oder Sportanlagen finden sich Ausschlussklauseln, die einerseits Rechtsextreme draußen und die Räume für Bürgerinnen und Bürger nutzbar halten sollen. Wichtig sei dabei der Ratsbeschluss der städtischen Akteuren Sicherheit gebe, weil darin auch festgelegt sei, in welchen Fällen die Nutzung untersagt werden könne. Die Koordinierungsstelle unterstützt zivilgesellschaftliches Engagement, in dem sie die Koordination mit allen städtischen Stellen rund um eine eventuelle Veranstaltung gegen rechts übernimmt – von der Polizei bis zum Tiefbauamt oder den Verkehrsbetrieben. Auch polizeiliche Maßnahmen oder das Entfernen von schwaz-weiß-roten Flaggen an bestimmten Tagen wie Führers Geburtstag zum Repertoire in Dortmund. &bdquo;An bestimmten historisch besetzten Daten ist das möglich“, sagt Ugur. Voraussetzungen seien historisches Wissen, Kenntnis der Gesetzeslage und der politische Wille. Aber auch die Zivilgesellschaft habe die Möglichkeit, an bestimmten Daten wie dem Volkstrauertag rechte Aktivitäten durch das rechtzeitige Blockieren infrage kommender Orte mit eigenen Veranstaltungsreservierungen zu verhindern. Die Zusammenarbeit aller bis hin zum Staatsschutz sei wichtig, weil die rechte Szene sich sehr schnell verändernden Bedingungen anpasse und zivilgesellschaftliche Akteure da nicht immer mitkommen. In Dortmund wurden etwa aus &bdquo;Kameradschaften“ unter dem Verbotsdruck Kleinstparteien wie &bdquo;Die Rechte“. Neuerdings sei bei Teilen der Szene eine Hinwendung zur Rockerszene mit Zugang zu Geld und Waffen zu beobachten. Natürlich seien auch religiöser Extremismus, etwa Islamismus, Thema. Auch hier setzt die Stadt auf die Mischung aus Information, Prävention, Intervention und Kooperation. So sei auch der &bdquo;Dialogkreis der Abrahamsreligionen“ (Jüdische Gemeinde, evangelische und katholische Kirche, Rat der muslimischen Gemeinden) Teil der Aktivitäten gegen rechts. Die Aktionswochen laufen noch bis zum 3. Juli. Das Programm findet sich auf www.gegenrechts.info/aktionswochen

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