Krisensituation Inobhutnahme: Wann und wie das Herforder Kreis-Jugendamt tätig wird

Kreis Herford. Überforderung der Eltern, häusliche Gewalt, Vernachlässigung oder sexuelle Gewalt - die Gründe, weshalb Kinder aus ihren Familien herausgenommen werden, können vielfältig sein. Und doch ist die Trennung der Kinder von ihren Eltern nur das allerletzte Mittel, das Mitarbeiter des Kreis-Jugendamtes Herford anwenden. Im Schnitt komme das zwischen zehn und zwanzig Mal pro Jahr bei den jüngeren Kindern bis 10 Jahre vor, sagt Christine Hallmann, Amtsleiterin Kindertagesbetreuung und Kinderschutz. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen seien es 30 bis 40 Fälle im Jahr. &bdquo;Die Plätze, die uns hier für die Jüngeren beim AWO Pflegekinderdienst und bei den Älteren in stationären Einrichtungen wie der Jugendhilfe Schweicheln zur Verfügung stehen, reichen meist aus“, sagt Hallmann. Problematisch sei aber manchmal, dass die Verweildauer auf den Plätzen zu lang sei. Das liege vor allem daran, dass auch im Jugendhilfesystem der Fachkräftemangel deutlich zu spüren sei und dass es nicht zuletzt deshalb manchmal länger dauere, die Kinder in die passende Maßnahme zu überführen. Aber selbst, wenn es mit Plätzen einmal knapp sei, werde immer eine Lösung gefunden. Die Wege, wie das Jugendamt auf die Familien aufmerksam werde, in denen es Probleme gibt, seien dabei vielfältig. &bdquo;Es kann sein, dass wir über Institutionen wie zum Beispiel die Schule oder die Kita, die das Kind besucht, informiert werden. Aber auch aufmerksame Nachbarn können Hinweisgeber sein. Und manchmal melden sich auch überforderte Eltern selbst bei uns oder ein Jugendlicher bittet selbst um Obhut“, zählt Hallmann die Möglichkeiten auf. Ist ein Säugling betroffen, muss schnell gehandelt werden Zwei Mitarbeiter bewerten dann gemeinsam zunächst die Informationen, die zu einem Fall vorliegen. Maßgeblich sind dabei wesentliche Aspekte des Lebens eines Kindes wie zum Beispiel der Zustand der Wohnung, die Ernährung, die Teilhabe an Bildung oder die Frage, ob das Elternhaus grundsätzlich steuerungsfähig ist. &bdquo;Vor allem dient der erste Blick auf die vorliegenden Informationen der Einschätzung, in welchem Zeitraum wir tätig werden müssen“, erklärt Christine Hallmann. Wenn ein Säugling zum Beispiel von Vernachlässigung betroffen sei oder nach Aussage der Kontaktperson gar Hämatome aufweise, dränge die Zeit am meisten, da das Risiko für das Kind hier am größten sei.“ Wir bearbeiten solche Fälle übrigens immer zu zweit, damit nicht ein subjektiver Eindruck über weitere Schritte entscheidet“, betont Hallmann. Der nächste Schritt sei dann, dass sich die Mitarbeiter einen persönlichen Eindruck vom Umfeld des Kindes verschafften. &bdquo;Institutionen wie Schulen, Kindergärten oder auch der behandelnde Kinderarzt werden in dieser Phase um Einschätzungen gebeten. Und wenn sich in einem Fall dann tatsächlich eine Inobhutnahme anbahnt, werden - je nach Fall - auch schon vorbereitende Gespräche mit der Polizei oder auch mit den Trägern geführt, damit auch ein Platz zur Verfügung steht.“ Wenn die Eltern mitwirken, kann das Kind meist in der Familie bleiben Dann folgt der Schritt, der in vielen Familien so gefürchtet wird und der für alle Beteiligten nicht einfach ist: der Besuch des Jugendamt-Teams vor Ort bei der Familie. &bdquo;Auch hier kann es immer noch sein, dass eine Inobhutnahme nicht als notwendig erachtet wird“, sagt Hallmann. Wenn zum Beispiel ein absolut chaotischer und dreckiger Haushalt vorgefunden werde, dann könne zunächst mit den Eltern vereinbart werden, in einem bestimmten Zeitraum aufzuräumen. &bdquo;Wir kommen dann wieder und kontrollieren das. Und wenn Eltern hier mitwirken, ist eine Inobhutnahme nicht erforderlich.“ Auch für die Mitarbeiter des Jugendamtes ist der Besuch vor Ort eine herausfordernde Situation. &bdquo;Dafür brauchen wir Menschen, die eine geeignete Persönlichkeit mitbringen, um mit den Krisensituationen, in die sie kommen, umgehen können“, betont Ralf Stölting, Kämmerer und zuständiger Dezernent des Kreises. Die Zusammenarbeit mit der Polizei im Vorfeld - zum Beispiel auch für Schulungen - sowie ein hohes Maß an standardisierten Abläufen für diese Situationen schafften größtmögliche Sicherheit für die Mitarbeiter, ergänzt Hallmann. Selbst wenn der letzte Schritt, das Herausnehmen der Kinder aus der Familie, nötig werden sollte, so entscheidet letztlich nicht das Jugendamt darüber, betont auch Ralf Stölting. Stimmten Eltern eine Inobhutnahme ihres Kindes nicht zu, so müsse das Jugendamt innerhalb von 24 Stunden das zuständige Familiengericht informieren, was schließlich die Entscheidung treffe. &bdquo;Wir müssen die Entscheidungsgrundlage schaffen, indem wir sämtliche Informationen zusammentragen und ein Gutachten zum Fall schreiben“, so Hallmann. Wo das Jugendamt an einer Kapazitätsgrenze angekommen ist Es gibt übrigens noch einen zweiten Bereich, in dem Inobhutnahmen erforderlich werden: im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. &bdquo;Dort gibt es eigene Plätze, das wird nicht mit dem anderen Bereich vermischt“, betont Christine Hallmann. &bdquo;Aber hier sind wir was die Plätze angeht an der Kapazitätsgrenze angekommen.“ Waren es im Jahr 2022 noch 24 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in Obhut genommen werden mussten, so sei man jetzt wieder bei 58 angekommen. In diesem Bereich werde auch ganz viel Integrationsarbeit geleistet, so Ralf Stölting. &bdquo;Es werden Zukunftsperspektiven entwickelt und viele der einstigen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus den Jahre 2015/2016 haben mittlerweile ihren Abschluss erreicht, arbeiten hier und haben richtig Fuß gefasst.“

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