Fahrradfahren mit dem ADFC: So schlecht sind die Radwege in Herford

Herford. Entlang der Werre kann Radfahren richtig Spaß machen. Hier ist Platz, der Lärm ist geringer und auf den Fahrradstraßen hat das Zweirad sogar Vorrang. Es gibt aber auch die andere Seite: Zu schmale Radspuren, Brombeeren, die auf die Wege ragen, zu geringer Abstand der Autos, holprige Untergründe. Es gibt noch (zu) viele Stellen, die nicht dazu einladen, sich in den Sattel zu schwingen. Dabei ist Herford seit 30 Jahren Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte NRW. Doch was ist seitdem passiert? Klar zu wenig, findet Helmut Folke und spricht damit wohl vielen Radlern aus der Seele. Der Herforder, der sich im Fahrradklub ADFC und im Projekt "Aufbruch Fahrrad" engagiert, wünscht sich mehr als nur Lippenbekenntnisse. Damit endlich mehr und schneller etwas für den Radverkehr getan wird. Nicht nur das Klima würde davon profitieren, auch der Mensch selbst. Schließlich ist Radfahren gesund. Helmut Folke hat den ADFC Kreisverband mit gegründet und war 15 Jahre lang dessen Vorsitzender. Er stammt aus Bochum und wollte in seiner neuen Heimat vor 20 Jahren das machen, was er liebt: Radfahren. Gruppen wurden gegründet, viele Gespräche mit Politik und Verwaltung geführt, doch viel zu wenig sei passiert. Folke: "Die Potenziale des Radverkehrs werden nicht ausgeschöpft." Es fehlt fürs Rad eigentlich überall an Platz Er würde sich wünschen, dass die Fakten endlich zur Kenntnis genommen werden. Und die würden klar auf der Hand liegen. "Es werden immer mehr Radfahrer, aber nicht aufgrund der Bemühungen der Politik, sondern wegen der Technologie." Die Räder sind durch Pedelecs und E-Bikes schneller geworden und auch größer. Sie brauchen einfach mehr Platz - und damit sind nicht nur Lastenräder gemeint. Folke: "Das lässt sich auf den Siebziger-Jahre-Radwegen nicht mehr hinkriegen." Um seine Standpunkte zu verdeutlichen, geht es einmal quer durch die Stadt. Bei der Tour zeigt Folke der NW-Redakteurin nicht nur die Schwachstellen. "Es gibt durchaus Dinge, die gut laufen", sagt der Herforder und radelt fast schon beschwingt über das Weddigenufer - trotz des eintretenden Regens. Diese Straße ist Fahrradstraße. Hier gibt es Platz. Und auch weiter raus aus Herford lässt es sich prima und entspannt ohne Autoverkehr radeln - immer entlang der Werre. Auch der Wall sei ein Pluspunkt. Doch es geht nicht nur um die Freizeitradler. Obwohl nach Folkes Meinung es auch hier hakt. Stichwort Radtourismus: "Das wird in anderen Städten ganz anders vermarktet", sagt der Rentner und kramt aus seiner Fahrradtasche Broschüren aus anderen Städten und Regionen hervor. "Hier gibt es für Herford noch Luft nach oben." "Das Fahrrad muss höher als das Auto gestellt werden" Doch zurück in die Hansestadt. 1993 hat sich die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte Nordrhein Westfalens (AGFS NRW) gegründet. Herford ist eines der Gründungsmitglieder. Die AGFS setzt sich für die Förderung aktiver Mobilität ein. Die Basis dafür bilde eine sichere, durchgängige und komfortable Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr. Folke vermisst dahingehend mehr Aktionen in der eigenen Stadt. "Das Fahrrad geht unter." Und auch zum 30. Bestehen sei nichts geschehen. "Das Rad muss in der Politik vom Stellenwert her endlich höher angesetzt werden." Der Rentner geht so weit, dass es mit dem Auto nicht gleichrangig betrachtet werden sollte, sondern höher. Jahrelang sei reine Autopolitik betrieben worden. "Das muss sich ändern." Dafür müsse Geld in die Hand genommen werden. "Dort, wo das passiert, sieht man den Umschwung", sagt Folke und nennt die Niederlande, Münster, Kopenhagen, aber auch Städte im Ruhrpott oder gar die Millionenmetropole Paris. Überall ist er schon mit dem Rad gewesen und weiß wovon er spricht. In Herford geht es nun aber vom Bahnhof aus hoch über die Engerstraße. Mit Muskelkraft für die radelnde Journalistin. Doch auch mit dem Pedelec muss Folke genau schauen, wo er entlang fährt. Einen Radstreifen gibt es an der Hauptstraße, an den Einmündungen ist er vor langer Zeit Rot eingefärbt worden. Hier bröckelt die Markierung, kleine Schlaglöcher entstehen, das gute Fahrgefühl schwindet. "Viele Radler fühlen sich sicherer, wenn sie vom Autoverkehr getrennt sind" Zurück Richtung Innenstadt geht es über die Diebrocker Straße. Hier wird der Radfahrer aufs Hochbord geführt. Radler und Fußgänger teilen sich den Weg, der jeweils eingefärbt ist. Hier fährt es sich ganz gut und das liegt nicht nur daran, dass es bergab geht. "Viele Radler fühlen sich sicherer, wenn sie vom Autoverkehr getrennt sind", berichtet Folke, der durch die ADFC-Touren viel Input mitbekommt. In einem Kreisel kann diese Sicherheit trügen. Am Kreisverkehr Westring/Diebrocker Straße verunglückte eine junge Radlerin 2019 tödlich. Im Frühjahr diesen Jahres ist die Kreissprecherin der Grünen, Irmgard Pehle, am parallelen Kreisel Westring/Engerstraße schwer verletzt worden. Tückisch ist an diesen Stellen, dass die Radfahrer nicht in den Kreisel zum motorisierten Verkehr, sondern außen herum geführt werden und dadurch schnell übersehen werden. Leichtes Unbehagen kommt auch entlang Auf der Freiheit/Berliner Straße auf. Hier geht es gemeinsam mit Autos, Bussen und Lkw auf die Straße. Das mulmige Gefühl wächst beim Spurenwechsel am Bergertor, um links auf die Salzufler Straße zu kommen. Folke hat sich nicht umsonst einen Spiegel am Rad angebracht, um den Verkehr hinter sich im Blick zu behalten. Ist die Straße und der dazugehörige Radfahrstreifen erreicht, rollt es sich ganz angenehm. "Im Feierabendverkehr sieht das anders aus", ruft Folke zurück. Dann wird es für Radler aufgrund des Begegnungsverkehrs eng. Ein Schild weist Autofahrer darauf hin, 1,5 Meter Abstand zu halten. Leider werde das zu oft nicht eingehalten, bedauert Folke. Kurz hinterm Obi-Markt biegt er rechts in die Maschstraße ein - aufatmen, einatmen. Von hier aus führen fast ausschließlich autofreie Wege zurück in die Innenstadt. So lässt sich das Radeln genießen. Und die Straßen werden genutzt, wenn sie fürs Fahrrad ausgelegt sind, ist Folke überzeugt. Daher richtet er im strömenden Regen am Ende der Tour einen Appell an die politischen Entscheider: "Ihr braucht das Rad nicht neu zu erfinden. Es geht nicht nur um Konzepte, sondern ums Handeln und Umsetzen."

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