Auch wegen Steuervermeidung: Dieser Herforder hat schon 190 Länder bereist

Herford. Eigentlich ist Christoph Heuermann ständig auf dem Sprung. Als Perpetual Traveler (Deutsch: ständiger Reisender) hatte er sich zum Ziel gesetzt, vor seinem 35. Geburtstag in allen Ländern der Erde gewesen zu sein – das sind nach UN-Definition 195 Länder. Und dies ist dem 32-Jährigen jetzt gelungen. Dabei faszinieren ihn nicht nur die Reisen selbst, sondern auch die Möglichkeiten, Steuern zu sparen. In den vergangenen acht Jahren traf der gebürtige Herforder Königspinguine in Georgien, stand am Südpol, besuchte die Viktoria-Fälle und baute Wein in Südamerika an. In manchen Ländern ist die Einreise aufgrund erschwerter Visabedingungen oder anderer Beschränkungen allerdings schwierig. Zuletzt besuchte der Herforder vor zwei Wochen Turkmenistan. "Erst im März wurden wieder die Grenzen geöffnet. Als isolierte Diktatur ist das Land sehr schwierig zu bereisen." Was treibt den Herringhauser an? Vor zehn Jahren schenkte seine Mutter ihm das Buch "Ich war überall" von Kolja Spöri. Der hatte bereits alle Länder bereist. "Das hat mich neugierig gemacht", sagte Heuermann im Gespräch mit der "NW", als er vor einigen Tagen in der Herforder Heimat zu Besuch war. FSJ in Neuseeland nach dem Abitur Am Ravensberger Gymnasium hatte der Herringhauser 2010 Abitur gemacht. Weil er noch nicht wusste, wie es anschließend weitergehen sollte, entschied er sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Neuseeland. Dort habe er unter anderem an einer Schule mit autistischen Kindern gearbeitet. "Da hat mich die Reiselust gepackt." Zurück aus Neuseeland, studierte er in Konstanz Verwaltungs- und Politikwissenschaften. Schon während der Studienzeit bereiste er viele Länder. Nach dem Bachelorstudium brach er alle Zelte in der Heimat ab und begann seinen Lebensstil als Vollzeit-Reisender. "Nach dem Studium ging es im Februar 2015 los nach Mexiko." Die Reiselust ist aber nicht das einzige Motiv, das Heuermann in die weite Welt treibt. "Ich will einfach so wenig Steuern wie möglich zahlen." Heuermann selbst empfindet Steuern als Zwang. Steuerabgaben seien für ihn freiheitseinschränkend. Maximal 182 Tage in einem Land Der Weltenbummler wechselt ständig seinen Wohnsitz oder lebt in Steueroasen: anfangs Panama, jetzt in Dubai – hier lebt seine Freundin, die einen Sohn hat. Oft begleiten sie Heuermann auf Reisen. Der Herforder halte sich höchstens ein paar Wochen an einem bestimmten Ort auf. Seine Nächte verbringt er größtenteils in Hotels. "Die meisten Länder muss ich nach maximal 182 Tagen verlassen", erklärt Heuermann, "dann geht es weiter, da ich sonst Einkommenssteuer zahlen müsste". Und wie finanziert er diesen Lebensstil? Mit der Zeit hat sich der 32-Jährige selbstständig gemacht und gibt Tipps und Beratungen zu Firmengründungen in Steueroasen, Seminare zur Steuervermeidung, Anlageberatung, und Unternehmensbeteiligungen. Damit verdiene er monatlich einen sechsstelligen Euro-Betrag. "Mittlerweile habe ich mir ein Team von fünf Vollzeit-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern aufgebaut. Die arbeiten alle remote, also von unterwegs." Kritik an multilokalem Lebensstil Seine Angebote vermarktet er über die Website staatenlos.ch, wo er in einem Blog über seine Reisen berichtet. "Das Marketing polarisiert, das ist mir bewusst. Aber ich zahle ja selbst auch Steuern, etwa Mehrwertsteuer oder Umsatzsteuer auf meine Bücher." Nicht selten komme es vor, dass Heuermann Kritik für seinen Lebensstil erfährt. "Die Schnelligkeit der Reisen können viele nicht verstehen." Damit könne er aber gut leben. Natürlich habe das permanente Reisen auch Nachteile: "Viele alte Freundschaften sind über die Jahre zerbrochen. In meinem sozialen Umfeld verkehre ich zumeist mit Menschen aus der Reise-Community." Wenn Heuermann schwierige Staaten wie Nordkorea oder Eritrea besucht, ist er mit Reisegruppen unterwegs. "Im Wüstenstaat Sudan wurde unsere Reisegruppe von Beduinen als Geisel genommen, die dort nach Gold gegraben haben“, berichtet er. Nach einigen Tagen und Rücksprache mit den Stammesoberhäuptern hätten sie unbeschadet weiterreisen können. Zu Beginn der Corona-Pandemie hat er sich in Kroatien einen Katamaran gekauft, mit dem er gemeinsam mit Freunden den Atlantik überquert hat. Vergangene Woche ist Heuermann wieder in die USA geflogen. "Von dort geht's weiter nach Honduras, wo das Boot auf mich wartet." Keine Rückkehr nach Deutschland geplant Möglicherweise werde er sich später mit seiner Freundin irgendwo niederlassen und eine Familie gründen. Dauerhaft nach Deutschland zurückzukehren, könne er sich momentan nicht vorstellen. Bis dahin müsse sich sowohl politisch als auch wirtschaftlich einiges ändern. Vor allem das Steuersystem müsse angepasst werden, sagt Heuermann. In Zukunft möchte er sein multilokales Leben etwas entschleunigen, ans Aufhören denkt der Weltenbummler aber nicht. Sein nächstes Ziel: "Es gibt an die 330 Überseegebiete früherer Kolonialreiche, von denen ich etwa 280 besucht habe. Ein paar fehlen also noch."

Meistgelesen