In Herford unterm Dach: Hier gibt es weder Klingel noch Telefon

Herford. Rita Frentrup wohnt mit ihrem Mann im ersten Stock ihres Wohn- und Geschäftshauses an der Engerstraße/Ecke Annastraße. Wenn sie mal ganz ihre Ruhe haben will, dann zieht sie sich zurück nach Italien. "Jeder im Bekanntenkreis weiß, was damit gemeint ist", sagt die 69-Jährige. Es ist ein helles Ein-Zimmer-Apartment ganz unter dem Dach mit Ausblick auf die frühere Motorenfabrik König. "Bevor mein Sohn 2005 geheiratet hat, hatte er hier sein Reich", berichtet Rita Frentrup. Sie ist ein Bücherwurm. Als sie die Idee hatte, selbst mit ihren größten Schätzen unters Dach zu ziehen, hatte sie gerade den autobiografischen Bestseller "Die Asche meiner Mutter" des Iren Frank McCourt gelesen. Der Vater der Familie trinkt, das Erdgeschoss des Hauses säuft im Winter ab, weil kein Geld für eine Renovierung da ist. So zieht man in den eigentlich nicht so schönen zweiten Stock und macht es den Kindern schmackhaft mit: "Wir ziehen nach Italien." Montags kommt die Enkeltochter zu Besuch Seinerzeit war Rita Frentrup noch berufstätig. Sie war bis 2013 mit großer Begeisterung "Stickerin" in der Teppichmanufaktur bei JAB-Anstoetz in Elverdissen. Sie war an der Herstellung großer Werke beteiligt, wie einem Teppich für den Berliner Dom. Ihr "Italien" richtete sie mit Tisch, Stuhl, Sitzecke, Sideboard und Regalen ein. "Ich brauchte etwas zum Abschalten", sagt sie. "Ganz ohne Telefon, ohne Klingel und ohne Fernsehen." Die Regale sind gefüllt mit Lieblingsbüchern, das sind Romane, Märchen, Comic-Hefte von Asterix und Spiele. Wo es passt, ist noch etwas Deko dabei, so steht eine Sammlung Schaf-Figuren vor dem Schafkrimi "Glennkill". Nah bei den Pixie-Büchern wachen Trolle aus Norwegen. Die Puzzle-Sammlung hat sie zugunsten der Recyclingbörse verkleinert. 3.000 Teile mutet sie sich nicht mehr zu, nur noch 1.000er. "Ich bin im Moment jeden Montag hier oben, wenn meine fünfjährige Enkeltochter zu Besuch kommt und wir zusammen lesen und spielen", sagt Frentrup. Sie ist auch Mitglied der Kabarett-Truppe "Seniorinas". Unter dem Dach kann sie gut Texte lernen. Ein Schallplattenspieler steht bereit, die alten Platten abzuspielen. Keine Fotos aus Italien an der Wand Zum Glück hat das Zimmer viele gerade Wände. Denn so kann Rita Frentrup viele gerahmte Fotos aufhängen - von der Familie, von Freunden, von der Herforder Landschaft und aus dem Urlaub. 50 Stück im Rahmen mögen es sein, denn sie fotografiert gerne, die Kamera ist immer dabei. Wo sind die Fotos aus Italien? Es gibt keine. Rita Frentrup und ihr Mann fahren nicht gern in den heißen Süden. Nur bis Südtirol sind sie einmal gekommen. Lieber fahren sie ans Meer in den Norden. Viele deutsche Inseln, darunter rund 25 Mal Helgoland, das norwegische Nordkap und Island sind dabei. Im ganz hohen Norden sind sie 2012 mit der Aida gewesen. "Heute würde ich aus ökologischen Gründen aber nicht mehr auf Kreuzfahrt gehen", sagt Frentrup. Seit ihr Mann gesundheitlich eingeschränkt ist, ist das Ziel oft Cuxhaven. Als es in der Coronazeit schwierig oder sogar ganz verboten war, sich mit Leuten zu treffen, hat Rita Frentrup täglich ein Foto in ihrer Umgebung gemacht, und es per Mail an drei Freundinnen geschickt. Eigentlich wollte sie damit nach Corona aufhören, doch wollten die Freundinnen weiter Foto-Mails bekommen. Frentrup sucht meist lustige Motive, so aktuell von der Werbung für den Weihnachtszauber 2022 in der Eishalle, die noch immer im kleinen Felde aufgehängt ist. Das Zimmer ist nordisch dekoriert Das Zimmer ist insgesamt nordisch dekoriert. Die Schwiegertochter hat ihr sogar einen Leuchtturm aus rot-weiß gestrichenen Blumentöpfen gebaut, der in einem Sandstrand mit echten Muscheln steht. So lässt sich die Zeit überbrücken bis zum nächsten Urlaub - nicht in Italien, sondern an der Nordsee. Alle bisher erschienen Teile der Serie "So wohnt Herford" finden Sie hier.

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