Wie ein bundesweit bekannter Sicherheitsexperte mit Herforder Schülern über Krieg spricht

Kreis Herford. In rotem Pulli und Wanderschuhen ist Christian Mölling am Montagmorgen ins Friedrich-List-Berufskolleg gekommen. Er will im Politikunterricht mit Abiturientinnen und Abiturienten über seine Sicht auf den Ukrainekrieg, eine gescheiterte deutsche Friedenspolitik der vergangenen Jahrzehnte und verteidigungspolitische Herausforderungen für Deutschland und seine europäischen Partner sprechen. Der lockere Plauderton täuscht nicht über Möllings Überzeugung hinweg, dass die Epoche großen wirtschaftlichen Wohlstands und des Gefühls von Sicherheit und Frieden in Deutschland vorüber sei. Sie kehre auch nicht so schnell wieder. Das treffe die Generation, die noch Kinder in die Welt setzen wolle, härter, als alte Herren wie ihn. Konflikt Israel-Iran vorhergesagt Ganz nebenbei erwähnt Mölling, dass er für die nächsten Wochen und Monate auch noch eine militärische Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran kommen sieht. Iran hat angekündigt, demnächst Atomwaffen einsetzen zu können. Das wird sich Israel wohl nicht gefallen lassen. Der Politikwissenschaftler ist Jahrgang 1973 und stammt aus Bad Oeynhausen. Mölling ist als stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung in Berlin ein gefragter Gesprächspartner. Das gilt ebenso im Nato-Hauptquartier in Brüssel wie seit Monaten in Presse und Fernsehen. Er hat auch die volle Aufmerksamkeit der Wirtschaftsgymnasiasten in Herford. Kampf um freiheitliche Lebensweise habe seinen Preis &bdquo;Keine Gewalt ist keine Lösung" lautet das Thema seines Vortrags, mit dem er jungen Leuten klar machen will, warum es auch im deutschen Interesse sei, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Er will erreichen, dass die Menschen in Deutschland im Kampf um die eigene freiheitliche Lebensweise in Kauf nehmen, dass es ihnen persönlich wirtschaftlich schlechter geht. Später wird eine Schülerin fragen, wie lange man noch die hohen Preise aushalten müsse. Mölling vermutet, dass der Krieg erst im nächsten Jahr zu Ende gehen könnte, aber: "Wenn das militärische Mittel nicht hilft, wird der Konflikt anders fortgeführt." Er wisse nicht, wie viel die Gesellschaft ertragen könne. Immerhin versuche die Bundesregierung zum Beispiel hohe Energiepreise abzufedern. Die Energie werde aber auch wegen der Klimakrise nie wieder so günstig wie früher. In den 1980er Jahren schien die Welt noch in Ordnung Mölling blickt für die Schüler zurück in die Zeit, in der er selbst, ein Teil ihrer Lehrer und der heutigen politischen Entscheidungsträger noch jung waren. In den 80er Jahren schien die Welt rundum in Ordnung, den Ost-West-Konflikt hätten sie kaum wahrgenommen, und für ihn selbst stand die Frage im Raum: zum Bund oder zum Zivildienst. Deutschland habe lange Zeit die EU als sicheren Hafen wahrgenommen, von dem es wirtschaftlich profitiert habe. Mölling erklärt den Schülern die unterschiedlichen Entscheidungsprozesse in der NATO mit den USA als Führungsnation und der EU mit ihren schwierigen Abstimmungsverfahren und verschiedenen Interessenlagen der Mitgliedsländer. Mit Polen und Ungarn gebe es zwei Staaten, die wohl die finanziellen Segnungen der EU in Anspruch nehmen, aber die rechtlichen Standards aushebeln wollen. Das mache die EU zerbrechlicher. Herausfordernd werde es noch einmal, wenn der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden müsse und das auf Kosten der Länder gehe, die bisher zu den Netto-Nehmern gehört hätten. Von Schwächen des demokratischen Systems Seit 1990 habe eine rasante politische Entwicklung eingesetzt, die durch den Krieg nur beschleunigt und sich auch nicht wieder verlangsamen werde. Ihm persönlich sei 2014 mit der Einnahme der Krim durch Russland klar geworden, dass eine neue Zeit begonnen habe. Mölling hält sein Smartphone hoch, um die Gefahr der gezielten Desinformation in den neuen Medien zu symbolisieren: "Russland und China haben verstanden, wie wir funktionieren, wo unsere größte Schwäche liegt." So könne auch die Unterstützungsbereitschaft für die Ukraine untergraben werden. "Wir müssen uns fragen: In welcher Gesellschaft wollen wir leben - in einer demokratischen oder einer autokratisch-diktatorischen?" In Moldau gelinge es Russland, mit Hilfe bezahlter Demonstranten, das Gefüge zu destabilisieren. Von einer Abtretung ukrainischen Territoriums an Russland als friedensstiftenden Kompromiss hält Mölling nichts: "Der Kuhhandel verspricht keine dauerhafte Sicherheit." Und: "Es geht Putin nicht um die Ukraine, sondern darum, die Ordnung zu zerstören." Das hätten andere Länder wie Polen und die baltischen Staaten mit Ostblock-Erfahrung, Großbritannien nach einem politischen Giftmord in London und die Niederlande nach dem Abschuss einer Passagiermaschine besser verstanden, als Deutschland.

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