Anwohner übergangen? Herfords Bürgermeister äußert sich zu Kritik an neuem Wohnquartier

Herford. Viele Elverdisser haben in den Debatten um die Neuentwicklung eines Wohnquartiers auf dem Areal der früheren Hauptschule ihr Gefühl zum Ausdruck gebracht, dass die Stadt sie übergehe. Zwar gebe es Bürgerbeteiligungen, in denen sie ihre Wünsche äußern könnten. Aber die Stadt habe Entwürfe nach ihren eigenen Vorstellungen gefertigt, ohne die Anliegen der Anwohner zu berücksichtigten. Der Bürgermeister widerspricht dem. Er könne diese Einschätzung verstehen, dass die Menschen unterschiedlich stark von dem Vorhaben betroffen seien, sagt Tim Kähler. Er könne verstehen, dass diejenigen, die dicht an der Fläche wohnen und ins Grüne blicken, mehr Verkehr, mehr Lärm und ähnliches befürchten. Er bitte aber darum, mal die Perspektive zu wechseln – und ist sich sicher, dass es in Elverdissen noch viele Diskussionen zu diesem Thema geben wird. Wunsch der Elverdisser für Kähler &bdquo;inakzeptabel“ In allen Beteiligungen hätten sich die Elverdisser barrierefreien Wohnraum für ältere Menschen und einen Quartierstreffpunkt gewünscht, sagt Kähler. Barrierefreier Wohnraum für ältere Menschen bedeute Fahrstühle, die Betriebskosten nach sich ziehen. Und diese Kosten sollten sich sinnvollerweise mehrere Haushalte teilen, sonst werde das zu teuer. Quartierstreffpunkte sollten wiederum baulich an andere Gebäude angedockt sein. Beides bringe also eine gewisse bauliche Größe mit sich. Der Entwurf der Planer habe das aufgenommen, was die Bürger gewollt hätten: Wohnraum mit Garten und solchen für Menschen, die es barrierearm haben wollten. &bdquo;Ich sage aber auch ganz ehrlich: Quartiersentwicklung bedeutet nicht, ein Quartier für nur eine Gruppe mit einem bestimmten Geldbeutel zu entwickeln. Ein Quartier muss aus gesamtstädtischer Sicht für alle oder zumindest für viele Bevölkerungsgruppen entwickelt werden.“ Hintergrund ist der Wunsch der Elverdisser, im neuen Quartier möglichst nur Ein- und Doppelhäuser zu errichten. Nur so lasse sich der dörfliche Charakter des Stadtteils erhalten, argumentieren sie. Für Kähler ist das inakzeptabel: Wenn die Stadt nur für eine ganz bestimmte Bevölkerungsschicht mit entsprechendem Geldbeutel Wohnraum schaffe, müsste sie einen anderen Stadtteil komplett für die andere Gruppe vorsehen. &bdquo;Und das ist, gesamtstädtisch betrachtet, nicht richtig“, sagt Kähler. &bdquo;Es geht immer darum, Stadtteile sozial heterogen zu entwickeln, damit zwischen den Gruppen soziale Kontakte entstehen, Hilfesysteme und Ausgleich.“ Wohnraum für verschiedene Bevölkerungsschichten Kähler hält es für unproblematisch, in Elverdissen auch guten Wohnraum im mittleren Preissegment anzubieten, beispielsweise für Familien in der Gründungsphase. Denn die hätten am Anfang noch nicht so viel Geld, trotzdem sollten auch ihre Kinder im Grünen aufwachsen können. &bdquo;Wenn wir auf dieser Fläche nur bestimmte, teurere Gebäude anbietet, dann sind diese Personengruppen raus.“ Zudem könne, anders als von einigen Elverdissern befürchtet, gerade kein soziales Ghetto entstehen, wenn für verschiedene Bevölkerungsschichten Wohnraum geschaffen werde. Kritik hat eine Reihe Elverdisser an der Höhe der Gebäude geübt: Für einige der Häuser haben die Planer drei Geschosse mit Staffelgeschoss vorgeschlagen. Die Gebäude werden aber erst zur Mitte des Wohngebietes hin höher, sind also von Einfamilien- und Doppelhäusern umgeben, wie Kähler erklärt. &bdquo;Drei Geschosse plus Staffelgeschoss machen nur einen geringen Teil der Bebauung aus.“ Grundsätzlich habe schon ein Einfamilienhaus zwei Geschosse plus Dach. &bdquo;Und wir reden jetzt über drei Geschosse plus Dach beziehungsweise plus Staffelgeschoss. Wir streiten zurzeit also über ein bis eineinhalb Geschosse“, sagt der Bürgermeister. Heute mehr Wohnraum auf gleicher Fläche Kähler kündigt an, die Pläne im weiteren Prozess noch visualisieren zu lassen, damit die Elverdisser einen realistischen Eindruck von der Wirkung der Gebäudekörper bekommen. Zuletzt war von 136 Wohneinheiten die Rede gewesen – zu viel nach Ansicht einiger Elverdisser. Nach Meinung des Bürgermeisters müssen die Städte aber heutzutage mit dem Flächenverbrauch anders umgehen als vor 20 Jahren. &bdquo;Wenn wir heute Fläche versiegeln, dann müssen wir mehr Wohnraum schaffen. Das geht ökologisch gar nicht mehr anders“, sagt er. Konflikte Teil des Aushandlungsprozesses Zudem müsse es ein modernes Energie- und Verkehrskonzept geben. Deshalb stehe auch noch die Diskussion an, wie das Quartier gut über einen modernen Öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen werden kann, damit nicht jeder Haushalt zwei, sondern möglicherweise nur einen Wagen braucht. &bdquo;Ein Wohngebiet so zu bebauen wie früher, wird nicht funktionieren. Aber an dem Punkt sind wir noch gar nicht.“ Bis dahin werde es noch zig Bürgerbeteiligungen in unterschiedlichen Formaten geben. Die Haltung der Stadt decke sich &bdquo;natürlich nicht mit den Interessen der Menschen, die sagen: Je weniger Wohnbebauung ich habe, desto weniger Verkehr gibt es – und das ist mein Ziel“, räumt Kähler ein. Ihm zufolge sind diese Konflikte aber Teil des normalen Aushandlungsprozesses. Den Vorwurf, in Elverdissen werde ein Quartier im Quartier entstehen, kann Kähler nicht nachvollziehen. Gegenüber einer Reihe von Einfamilienhäusern würden wieder Einfamilien- oder Doppelhäuser entstehen. &bdquo;Wo ist da die Grenze von Quartier zu Quartier?“, fragt der Bürgermeister. &bdquo;Das heißt, wir werden Übergänge schaffen, die später nicht mehr sichtbar sind.“ Fehlende Kita-Plätze allgemeines Problem Wie berichtet, ist eine Erweiterung der Kindertagesstätte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) am Rande des Quartiers angedacht. Der Kreisgeschäftsführer des DRK Herford-Stadt, Ralf Hoffmann, hatte kürzlich in einer Versammlung gesagt, dass bei der Betreuung von Kita-Kindern in Zukunft nicht der Bau von Kita-Plätzen, sondern das fehlende Personal das Problem sein werde. &bdquo;Qualifziertes Personal im Bereich der frühkindlichen Erziehung ist schon lange ein Nadelöhr“, kontert der Bürgermeister. &bdquo;Das ist aber kein Elverdisser, sondern ein generelles Problem.“ Denn würden keine Familien mit Kindern in Elverdissen hinzukommen, würden sie woanders hinziehen – wo es dann den gleichen Mangel an Personal in der Kita-Betreuung gebe. &bdquo;Die Herausforderung besteht überall, und die gibt es auch im gesamten Stadtgebiet.“ In der Konsequenz bedeute das: Wenn die Stadt in Elverdissen keinen Wohnraum schafft, weil sie glaube, die Hürde der Kita-Betreuung nicht nehmen zu können, dann würden irgendwann dort nur noch Senioren dort wohnen. &bdquo;Das kann es ja nicht sein.“

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