Wenig Interesse am Eigenheim: Nachfrage im Kreis Herford geht zurück

Kreis Herford. Die Kosten für Baumaterial sind stark angestiegen und die Inflation sorgt dafür, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins im Rekordtempo angehoben hat. Der Ukraine-Krieg bringt überdies eine große Verunsicherung. Das hat direkte Folgen für den Immobilienmarkt, denn der gestiegene Leitzins schlägt direkt auf die Kosten der Bau- und Immobilienfinanzierungen durch. Das Beratungsunternehmen Barkow Consulting hat, gestützt auf Daten von Bundesbank und EZB, die Zahlen analysiert und spricht bei einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro für Neugeschäfte, aber auch für die Verlängerung oder Neuverhandlung von Immobilienkrediten vom niedrigsten Stand seit dem Jahr 2014. Doch wie stellt sich die Entwicklung im Kreis Herford dar? Die beiden großen lokalen Player – die Sparkasse Herford und die Volksbank Herford-Mindener Land eG - melden dabei ganz ähnliche Trends. Rückgang im zweistelligen Bereich Bei der Sparkasse Herford sind die Anfragen bezüglich Immobilienfinanzierungen im Vergleich zum Vorjahr um nahezu 40 Prozent zurückgegangen, teilt Jörn-Uwe Wolff, Bereichsdirektor Privatkunden, mit. Ähnlich skizziert Jürgen Eickhoff, Geschäftsführer der Immobilien GmbH der Volksbank Herford-Mindener Land, die Entwicklung: &bdquo;Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs Ende Februar 2022 herrschte von heute auf morgen etwa 40 bis 50 Prozent weniger Nachfrage nach Immobilien.“ Das wiederum habe direkte Folgen. Denn &bdquo;dadurch sinken die Preise für Wohnungen und Häuser derzeit im Vergleich zu den Vorjahren. Trotz der fallenden Preise herrscht weiterhin eine große Kaufzurückhaltung“. Auch bereits vorhandene Baugrundstücke fänden zurzeit nur noch schwer Abnehmer, da die Kosten nur schwer kalkulierbar seien. Die Dauer der Vermittlung steigt &bdquo;Die Dauer der Vermittlung steigt derzeit gegenüber den Vorjahren“, so Sparkassen-Bereichsdirektor Wolff. Trotzdem, so der Banker, könne derzeit so gut wie jede von der Sparkasse angebotene Immobilie auch vermittelt werden. Die geopolitische Lage sowie die hohe Inflation und drastisch gestiegene Energiepreise sorgten aber für eine größere Unsicherheit bezüglich der Zukunft, so dass Planungen für einen Immobilienkauf nicht selten zurückgestellt werden müssten. Die Frage der Finanzierung Eine Entwicklung, die auch der genossenschaftliche Mitbewerber spürt und auf die er reagieren muss. &bdquo;Während wir in der jüngeren Vergangenheit in sieben von zehn Fällen noch eine Finanzierungszusage erteilen konnten, hat sich das Ganze mittlerweile ins Gegenteil verkehrt“, beschreibt Andreas Kelch, Pressesprecher der Volksbank Herford-Mindener Land, die Situation. &bdquo;Wir müssen einem Großteil der Interessenten nun eine Absage für die angefragte Finanzierung erteilen, da die monatliche Belastung durch die aktuelle Zinsentwicklung und die anhaltend hohe Inflation für sie nicht mehr bezahlbar wäre.“ Der Plan B Wenn die gewünschte Finanzierung nicht darstellbar - oder wenn noch kein konkreter Finanzierungswunsch vorhanden sei - schaue man sich mit dem Interessenten an, welche Finanzierungssumme im Augenblick tragbar sei. &bdquo;Unsere Baufinanzierungsspezialisten ermitteln dann die Antwort auf die entscheidende Frage: &bdquo;Wie viel Haus kann ich mir leisten?““, erklärt der Pressesprecher. Eine Lösung könne auch sein, eine Eigentumswohnung statt eines Hauses oder eine gebrauchte Immobilie statt eines Neubaus zu erwerben. Es gebe aber leider auch Fälle, in denen der Wunsch nach der eigenen Immobilie nicht finanzierbar sei. Kelch: &bdquo;Hier sind wir unseren Kundinnen und Kunden gegenüber verpflichtet, ihnen dann zu erklären, warum ihr Wunsch aus unserer Sicht derzeit nicht erfüllt werden kann.“ Gruppe der finanzierungsfähigen Haushalte wird kleiner Durch die deutlich gestiegenen Zinsen und die höher anzusetzenden monatlichen Kosten in einer Kapitaldienstrechnung werde die Gruppe finanzierungsfähiger Haushalte kleiner, erklärt Bereichsdirektor Wolff. &bdquo;In einem intensiven Beratungsgespräch gehen wir mit unseren Kunden im Detail eine monatliche Haushaltsrechnung durch. Sofern die Rechnung nicht aufgeht oder zu knapp erscheint, erkennen die Kunden das in den meisten Fällen selbst und überdenken ihre Planungen, beziehungsweise nehmen Abstand davon.“ Kostensteigerung von 68 Prozent Der Sparkassen-Experte skizziert am Beispiel eines 300.000 Euro-Kredits grob, wie sich die Belastung verändert hat. Bei einem nominalen Zinssatz von 1,5 Prozent und einer anfänglichen Tilgung von zwei Prozent ergab sich im vergangenen Jahr eine monatliche Rate von 875 Euro. Heute liege der Zinssatz bei 3,9 Prozent und bei einer nach wie vor zweiprozentigen Tilgung ergebe sich eine monatliche Rate von 1.475 Euro. In einem Jahr habe sich die monatliche Belastung damit um 600 Euro oder 68 Prozent für neue Immobilienkäufer erhöht. Markt scheint sich zu normalisieren Die Experten erwarten nun, dass sich der Immobilienmarkt, der in den vergangenen Jahren regelmäßige Steigerungen verbuchte - im Kreis Herford waren es von 2020 auf 2021 teils noch rund zehn Prozent - sich wohl normalisieren wird. Stattdessen gehen Institute wie die Sparkasse Herford davon aus, dass nun - unter anderem wegen der Energiepreisentwicklung - vor allem die Modernisierung wichtig wird: vom Einbau neuer Heizsysteme wie Wärmepumpen bis hin zu Solarthermie oder Photovoltaik. &bdquo;Diesbezüglich beraten unsere Finanzierungsspezialisten schon jetzt vermehrt unsere Kundinnen und Kunden auch hinsichtlich aktueller Förderprogramme“, erklärt Jörn-Uwe Wolff.

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