Experten kämpfen auf Spezialstationen gegen Schlaganfälle und die Folgen

Kreis Herford/Kreis Minden-Lübbecke. Die häufigste Todesursache ist - nach schweren Herzerkrankungen und Infarkten - der Schlaganfall. Beim Schlaganfall geht es um jede Minute, da die gesundheitlichen Folgen massiv sein können: Halbseitenlähmungen, Schluck- und Sprechstörungen, Demenz oder Epilepsie. Um diese Folgen einzudämmen, richten Krankenhäuser seit 1996 immer häufiger Spezialabteilungen ein, sogenannte "Stroke Units". Garantieren diese "Schlaganfall-Einheiten" auch in Zukunft die optimale Versorgung? Im Klinikum Herford und in den Mühlenkreiskliniken sind Stroke Units eingerichtet. Doch was bedeutetet das im Detail? Was genau ist eine Stroke Unit? 45 Minuten ab Einlieferung in die Notaufnahme, so lange darf es bei einer "Stroke Unit" maximal dauern, bis für einen Schlaganfall-Patienten das weitere Behandlungskonzept steht. Entsprechende Erst-Untersuchungen sind zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen, die Behandlung bereits in vollem Gange. "Stroke Unit zu sein bedeutet nicht, nur in der Lage zu sein, Patienten mit einem Schlaganfall schnell zu behandeln. Dahinter steckt ein breites Gesamtkonzept, das nahezu alle medizinischen Disziplinen mit einbezieht", sagt Matthias Sitzer, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Herford. Entscheidend ist zunächst die Diagnostik durch ein Team von Experten für Herz- und Gefäßerkrankungen und Strahlendiagnostik. Ebenso gehört dazu das permanente Vorhalten von Fachmedizinern auch an Wochenenden. "Es reicht dann nicht, dass ein Neurologe Rufbereitschaft hat – er muss ständig vor Ort sein", so Sitzer. Für die anschließende Therapie braucht es dann Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und das gesamte Pflegepersonal für die weitere Behandlung. Was macht eine Stroke Unit so besonders? Dazu erklärt Peter Schellinger, Chefarzt Neurologie an den Mühlenkreiskliniken (MKK): "Es handelt sich hier um eine hochprofessionalisierte spezielle Behandlungsstruktur. Die Zertifizierungsstufen als regionale und überregionale Stroke Unit sind in Deutschland sehr schwierig zu erreichen, werden jährlich angepasst an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Gegebenheiten." Darüber hinaus muss eine Zusammenarbeit der Kliniken im jeweiligen Krankenhaus gewährleistet sein, die in der Regel eigene Fachabteilungen als Grundvoraussetzung hat. Dazu gehört, wie in den MKK in Minden, eine Neurochirurgische Klinik mit der Expertise in Gefäßkrankheiten, ein Institut für Neuroradiologie, eine eigenständige Abteilung für Gefäßchirurgie, eine Innere Medizin mit Kardiologie sowie eine möglichst eigenständige Neurologische Intensivmedizin. "Alle diese Grundvoraussetzungen sind bei uns gegeben", so Schellinger. Sind diese Spezialstationen in Zukunft weiter unverzichtbar? In manchen Bundesländern dürfen Rettungsdienste mit Schlaganfallpatienten gar keine Klinik ohne zumindest eine regional zertifizierte Schlaganfalleinheit anfahren. "Immer seltener können allgemeine internistische Fachabteilungen eine neurologische Konsiliarexpertise vorhalten, so dass die meisten Stroke Units innerhalb neurologischer Fachabteilungen angesiedelt sind", sagt Peter Schellinger. "Ich erwarte im Gegenteil eine Ausweitung von Schlaganfall-Bettenkapazitäten in ausgewiesenen Schlaganfallzentren. Gerade, wenn in der Krankenhauslandschaft der Zukunft eine Spezialisierung in größeren Häusern zunehmen wird und die Zahl der kleineren Krankenhäuser in der Fläche bereinigt werden wird, werden Schlaganfallstationen an den gegebenen Standorten eher wachsen als schrumpfen." Die zu erwartenden Verbesserungen in der Behandlung betreffen im Wesentlichen optimierte Zeitabläufe, schnellere und effizientere Diagnostik um die Ursachen eines Schlaganfalles zu klären, um dann die jeweils modernsten Therapieverfahren in der Akuttherapie, Prävention und Komplikationsvermeidung anzuwenden sowie frührehabilitative Impulse zu setzen. "Ein weiterer Schritt in der Verbesserung der Behandlung von Schlaganfallpatienten besteht auch in der Nachsorge", sagt Peter Schellinger. 1.500 Schlaganfälle alleine in den MKK Im Mindener Universitätsklinikum werden etwa 1.500 Schlaganfälle pro Jahr behandelt, davon in etwa 1.100 sogenannte Mangeldurchblutungsschlaganfälle, 250 leichte Schlaganfälle und 150 Hirnblutungen. Die Zahlen von 2020 waren demgegenüber bei 1.400 Schlaganfallpatienten, also etwa sieben Prozent niedriger als im Vor-Covid-Jahr und aktuell. In den ersten Jahren der Pandemie gab es zum Teil erheblich weniger stationär behandelte Schlaganfälle. Der Hauptgrund: Die Angst von Betroffenen vor einer möglichen Covid-Infektion. Gerade deswegen sind vor allen Dingen leichter betroffene Schlaganfallpatienten und Patienten mit vorübergehenden Schlaganfallsymptomen seltener in die Kliniken gekommen. Bei den Mühlenkreiskliniken wird der Rückgang mit rund zehn Prozent beziffert. Symptome eines Schlaganfalls und Hilfe Ein Schlaganfall kann sich äußern durch plötzliche Schwäche von Arm-, Bein- oder Gesichtsmuskeln, häufig verbunden mit Störungen des Gefühls wie Taubheit oder Kribbeln. Sind andere Bereiche des Gehirns betroffen, kann die Sprache gestört sein. Der Patient spricht nur noch unsinnig oder überhaupt nicht mehr. Es können auch Sehstörungen auftreten. Werden solche Ausfälle beobachtet, zählt nur noch, sofort den Notarzt über die 112 zu rufen, raten die Experten. Das Konzept Stroke Unit funktioniert nur dann, wenn der Notarzt einen Schlaganfall diagnostiziert hat. Außerdem dürfen zwischen den ersten Symptomen und der Einlieferung nicht mehr als drei oder vier Stunden vergangen sein. Auch hier: Jede Minute zählt.

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