Bestseller-Autor Wladimir Kaminer über Kunst und Krieg

Herford. Er hat schon in einem Flugzeug gelesen, in einer Konditorei, ja selbst in der Sauna - doch ein Museum war noch nicht darunter. Die Premiere führt Wladimir Kaminer ("Russendisko") nach Herford ins Marta. Auf Wunsch der Museumsdirektorin Kathleen Rahn bringt der Autor ein Buch mit, das schon sieben Jahre alt ist. Doch es passt. In "Das Leben ist (k)eine Kunst" skizziert Kaminer Lebenskünstler, erzählt Geschichten von Künstlerpech und Kindheitserinnerungen. Mit dem Marta selbst verbindet ihn aber noch mehr als nur die ausverkaufte Lesung. Neugierde hat Wladmir Kaminer - und Humor. Mit seiner unvergleichlichen Art schafft er es, das Publikum im Marta kurz in eine Welt zu entführen, die nicht durch all die derzeitigen Krisen geprägt ist. Vier Geschichten bringt er mit. Mal geht es um das schwarze Quadrat als Synonym für moderne Kunst, um seinen Onkel Vitali, der für alle Familienmitglieder stets komisch wirkte, aber einfach nur schwul ist, und um die Kindheitserinnerung seiner Mutter, die sie später mitsamt ihrer Putzfrau in die Oper führt. Auch ist da die Erzählung um seinen Freund Udo, der als Autor und Akrobat mit einem Bühnenbild zurecht kommen muss, das sonst von Schellen gehalten wird, doch in Russland sind es Menschen. Herz in den Farben der Ukraine leuchtet Da ist es, das Wort. Russland. Kaminer entzieht sich dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nicht. Im Gegenteil. Nach der Lesung stellt sich der deutsch-russische Autor, der 1967 in Moskau geboren worden ist, nicht nur den Fragen von Museumsdirektorin Kathleen Rahn und Kuratorin Franziska Brückmann, sondern auch dem Publikum: "Fragen Sie mich alles", fordert er die Zuschauerinnen und Zuschauer auf. Auf die Wand hinter ihm projiziert ist ein blau-gelbes Herz, es sind die Farben der Ukraine. Was kann Kunst? Muss sie auch eine politische Verantwortung tragen, darf sie ein scharfes Schwert sein, oder ist sie nur etwas Schönes, zum Bewundern da? Kaminer zieht als ein Beispiel die regierungskritische Punkrockband Pussy Riot heran. Die Gruppe hat 2012 mit dem Auftritt in Sturmhauben in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie nennen Russlands Präsidenten Putin einen "verrückten Diktator" und sind lautstarke Kritikerinnen des Putin-Regimes. "In Russland unter Putin hat diese Aktionskunst an Bedeutung gewonnen", sagt Kaminer. Künstler erhalten dadurch eine sehr scharfe politische Rolle. "Ich habe keinen einzigen Tag in diesem Regime verbracht." Er selbst ist vor 32 Jahren aus der Sowjetunion ausgereist und lebt seit 1990 in Berlin. Aufgrund des Krieges hätten 3,8 Millionen Russen ihr Land verlassen. "Es ist unangebracht, über das Leid der Russen zu sprechen, während in der Ukraine Menschen ihre Häuser verlieren und auf der Flucht sind. Das sind die Russen ja nicht, auch wenn sie ihr Land verlassen", sagt er und schiebt hinterher: "Jeder unter Putins Regim hat auch davon profitiert. Ich habe keinen einzigen Tag in diesem Regime verbracht." Kaminer ist mit dem Marta auch durch die aktuelle Ausstellung "Marta Maps" verbunden. Die Ausstellung macht die Sammlung des Museums zum Thema und zeigt verschiedene Perspektiven auf die gezeigten Werke auf. Zu jedem Werk gibt es immer unterschiedliche Sichtweisen - das war die Grundidee von Kuratorin Franziska Brückmann, die für eine Wahrnehmung kurzerhand den Autor Wladimir Kaminer angeschrieben hat. Kaminer hat drei Texte zur aktuellen Ausstellung geschrieben Er sagte zu. Obwohl er, wie er selbst sagt, mit den Bildern nichts anfangen konnte. Drei Texte sind so aus der Feder des Schriftstellers entstanden. "Ich habe Wert darauf gelegt, dass die Texte auch jenseits der Werke gelesen werden können", sagt Kaminer. Auch auf den Spuren von Kindergedanken zu den Kunstwerken können sich die Besucher bewegen, ebenso gibt es als dritte Perspektive Museumskommentare und Hintergrundwissen. "Marta Maps - Neue Routen durch die Sammlung" ist noch bis einschließlich Sonntag, 29. Mai, zu sehen.

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