Herford räumt auf: Schäden nach dem Tornado

Herford. Angeseilt steht Axel Appelt mit seinem Kollegen Sascha Sussik in mehr als sieben Meter Höhe auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses am Altensenner Weg. Der Dachdecker prüft die Pfannen, hebt einzelne an, wirft die beschädigten im Bogen nach unten. Sein Kollege reicht ihm Ersatz an – von der Traufe, den unteren zwei Reihen über der Regenrinne. Der Tornado hat hier ordentlich gewütet – in nur wenigen Minuten hat die Windhose am Altensenner Weg immense Schäden angerichtet. Am Montag schließen die Dachdecker mit den Pfannen zunächst die kleinen Löcher im Dach – die mehrere Quadratmeter großen Fehlstellen werden mit einer Plane gegen den erneut drohenden Regen gesichert. Auf der Rückseite des Mehrfamilienhauses fehlen ganze Pfannenreihen, an einer anderen Stelle hat der Tornado die Firstpfannen samt Lattung hochgerissen, die Ortgänge an den Gauben so gelockert, dass sie entfernt werden müssen. Nussbaum knickt um Die schnelle Sicherung der Dächer ist die eine Sache für die Hauseigentümer, die Bestellung neuer Dachziegel ist ein ganz anderes Problem. &bdquo;Hier sind es Beton-Dachsteine, das könnte noch klappen“, sagt Dachdeckermeister Tim Frerking aus Elverdissen. Anders bei Tonpfannen. &bdquo;Da wird es sehr schwer, da gibt es bei vielen Herstellern einen Aufnahmestopp.“ Tonziegel werden mit Gas gebrannt. Ein anderer Anwohner berichtet, dass es die von ihm eingesetzten Pfannentyp gar nicht mehr gibt. Lesen Sie auch: Ein Tornado hat Herford getroffen - mit Video Auf dem Nachbargrundstück lässt sich die Gewalt der Windhose noch besser erkennen: Ein 50 Jahre alter Nussbaum ist binnen zwei Minuten umgeblasen worden, liegt jetzt auf der Seite. Die Reste sollen – da derzeit noch Singvögel hier ihre Jungen aufziehen – zunächst noch liegen bleiben. Derweil sind nebenan Gartenbauer Peter Fielder und sein Kollege dabei, die Reste einer umgestürzten Thuja im Häcksler verschwinden zu lassen. Beim näheren Hinsehen sind auf dem Weg des Tornados an allen Dächern weggerissene Dachziegel, Ortgang- oder Firstpfannen zu sehen – teils hat der starke Wind die Dächer aber auch großflächig abgetragen. Anwohnerin unter Schock &bdquo;Das war so laut, als wenn ein Hubschrauber landet“, erzählt Fatma Bülürce, die mit ihrer Familie an der Straße Am Sennehügel wohnt. &bdquo;Das Haus und alles im Inneren hat vibriert.“ Zunächst hätten sie bemerkt, dass Ziegel auf das Dach des Wintergartens fielen und eine Platte zerstörten. Als sie dann rausgehen, sehen sie den ganzen Schaden. &bdquo;Alles, der Garten und die Straße, waren voller Dachziegelstücke.“ An beiden Dachseiten hat der Tornado großflächig die Pfannen weggerissen. &bdquo;Ich stehe jetzt noch unter Schock, wenn ich davon erzähle“, sagt die 59-Jährige, die vor einem Haufen Schutt steht. In einer Senke hinter der Häuserreihe liegen ein komplettes Gartenhaus-Dach eines Nachbarn und die Reste eines Schuppens. Schlammlawine am Bünder Fußweg Während die Menschen im Süden Herfords mit den Sturmschäden beschäftigt sind, geht es für die Anwohner am Bünder Fußweg um die Folgen der Schlammwelle. Rund 70 Liter pro Quadratmeter hatte es am Freitag binnen kürzester Zeit geregnet. Von einem oberhalb liegenden Zuckerrübenfeld floss das Wasser-Bodengemisch in Häuser und Keller. Auffällig: Es sind offenbar vor allem neuere Gebäude in direkter Nähe zum Feld, die betroffen sind. So hat die braune Brühe in einem Gebäude über die ebenerdige Terrasse direkt die Wohnung geflutet und ist von dort in die unteren Etagen gelaufen. Schlammverkrustet liegen Reste der Möbel vorm Eingang. Bis in die 60er Jahre errichtete Gebäude zeigen zumindest nach außen keine Beeinträchtigungen. &bdquo;Das ist das zweite Mal binnen acht Jahren, dass wir betroffen sind“, erklärt Mario Selig Bürgermeister Tim Kähler, der mit Baudezernent Peter Maria Böhm am Mittag das Gespräch mit den betroffenen Anwohnern sucht. Seine Frau Hilma weint, lehnt sich an den Container voller Sperrmüll, der bis Freitag noch aus nutzbaren Möbeln und Gegenständen bestand. Sie fragen sich, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, die Abschwemmungsgefahr auf der Ackerfläche so zu minimieren, dass für sie keine Gefahr besteht. Anwohner kritisieren die Stadt – Kähler vor Ort &bdquo;Die Frage ist, was müssen wir tun, dass das nicht wieder passiert, denn Starkregenereignisse werden wir noch mehr bekommen“, sagt Bürgermeister Tim Kähler. Dafür soll es ein Treffen von Anliegern und der Stadt geben. In einem ersten Schritt sollten am Montag wegen der erwarteten Gewitterfront noch 400 Sandsäcke an gefährdete Hausbesitzer geliefert werden. &bdquo;Der Landwirt“, so Kähler weiter, &bdquo;hat keinen Fehler gemacht.“ Man wolle aber mit ihm sprechen in weit es Möglichkeiten gibt, die Erosionsgefahr zu verringern. Gleichzeitig sei es schwer, Schutzmaßnahmen für eine so hohe Niederschlagsmenge zu treffen. &bdquo;Ich hätte erwartet, dass Sie eher kommen“, erklärt Jerome Hölzemann dem Bürgermeister. Auch seine Wohnung ist von der Schlammlawine mit voller Wucht getroffen worden. &bdquo;Wir haben hier seit 60 Stunden alles selbst organisiert.“ Außerdem habe die Stadt im Vorfeld nur unzureichend agiert. &bdquo;Ich kann ihren Ärger verstehen“, so der Bürgermeister. Die Stadtverwaltung werde aber immer dann unterstützend aktiv, wenn das Leben von Menschen in Gefahr ist. Das sei hier nicht der Fall. Darüber hinaus verwies Tim Kähler auch darauf, dass die Stadt mehrfach zu Informationsveranstaltungen zu den Gefahren durch Starkregen und zu den gefährdeten Bereichen im Stadtgebiet eingeladen habe.

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