Die Grünen sind die lachenden Dritten: So lief die Wahl im Kreis Herford

Herford/Enger/Hiddenhausen. Marvin Reschinsky hat es nicht in den Landtag geschafft. Der Bündnisgrüne hat aber noch gute Chancen: Er ist zweiter Nachrücker. Und in der Landtagsfraktion ist es Usus, dass das Abgeordneten-Mandat abgibt, wer Ministerposten oder ein Landesamt übernimmt. Angesichts eines Wahlergebnisses von 18,2 Prozent im Land sieht Reschinsky die Grünen in einer guten Position für Koalitionsverhandlungen, bei der viele ihrer Themen Berücksichtigung finden. Darauf setzt auch der Herforder Stadtrat Herbert Even, dem am Wahlabend die Freude ins Gesicht geschrieben war: "Wir sind die eigentlichen Wahlsieger. Das Wahlergebnis ist der Einstieg in eine stärker durch unsere Partei repräsentierte Landespolitik." "Die Bürger haben auch den Klimaschutz gewählt", sagte der Grüne und ergänzte: "Letztlich werden wir entscheiden, wer Ministerpräsident wird." Seine Partei stehe der SPD näher als der CDU. Aber es sei schwieriger, eine Regierung mit dem Wahlverlierer zu bilden als mit dem Wahlsieger. Wie Bürgermeister Tim Kähler das Ergebnis analysiert Als Verlierer betrachtet auch Landrat Jürgen Müller (SPD) seine Partei: "Ich bin enttäuscht. Mit einem so großen Abstand zur CDU habe ich nicht gerechnet." Tim Kähler hat hingegen damit gerechnet: Der Herforder Bürgermeister hatte den Prognosen der Umfrageinstitute schon vor der Wahl nicht getraut. "Die SPD in NRW wird sich fragen müssen, wie sie sich aufstellt, damit sie für breitere Bevölkerungsschichten wählbar wird", sagte er. Wenn die These stimme, das auch Landtagswahlen zunehmend zu Persönlichkeitswahlen werden, müsse sich seine Partei fragen, ob sie mit Thomas Kutschaty den richtigen Kandidaten hatte. Auch inhaltlich übt Kähler Kritik an der SPD: Deren Kernkompetenz sei das Soziale. Es reiche aber nicht, mit kostenloser Bildung um die Ecke zu kommen. "Neben dem Sozialen muss die SPD auch mit anderen Themen an Profil gewinnen." Steigende Mietpreise, Arbeitsplätze in der Industrie vor dem Hintergrund der Ängste der Beschäftigten angesichts der anstehenden Energiewende, Wirtschaftskompetenz - all das habe sie vernachlässigt. Zumal die CDU mit Innenminister Herbert Reul auch beim Thema Innere Sicherheit gut aufgestellt sei. Am Wahlabend war Kähler noch drastischer: Die Partei könne nicht zur Wahl mit Themen um die Ecke kommen und sich danach wieder für vier Jahre hinlegen. Die Bindungskraft der Volksparteien nimmt ab, hat Tim Kähler festgestellt Im Übrigen sei die Wahl keine kleine Bundestagswahl: Das belege eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Wäre am Sonntag Bundestagswahl gewesen, hätte die CDU nur 29 Prozent der Stimmen erhalten, so Kähler. Die Bürger wählten die Parteien, die sie für wählbar hielten, bezogen auf die anstehenden Probleme. Das seien derzeit die Grünen, die mit Robert Habeck und Annalena Baerbock als Problemlöser unterwegs seien. Kähler hält es aber für fraglich, dass das hält, wenn ihre Kernthemen weg sind. Denn die Bindungskraft der Volksparteien nehme ab. Das zeige sich auch in der großen Differenz zwischen Wahlprognosen und tatsächlichem Ergebnis. Die Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent zeige: Es gebe mehr Nichtwähler als Stimmen für die drei Volksparteien CDU, SPD und Grüne. Nicht gelten lässt Kähler ihre Ausrede, es gebe kein Angebot. Tatsächlich sei es riesig. Er erwartet von den Menschen aber auch, dass sie sich einbringen, wenn ihnen etwas nicht passt. "Demokratie lebt vom Mitmachen." Die Wahlbeteiligung hatte auch den SPD-Direktkandidaten Christian Dahm betroffen gemacht: "Das ist nicht gut", sagte er am Wahlabend. Bei der Energiewende gehe es nur noch um die Frage des Wie Kähler zufolge müssen die Parteien stärker an den Mann und an die Frau ran. Vieles, etwa die Art und Weise, wie Ortsverbände ihre Versammlungen abhalten, hält er nicht mehr für zeitgemäß. Die SPD sei jedenfalls gut beraten, ihre Verluste nicht nur auf den Bundestrend zu schieben. Hinsichtlich einer Koalition hält Kähler mehr für möglich, als kurz nach der Wahl diskutiert werde. Dass eine Energiewende her müsse, sei allen klar. Das sei nur eine Frage des Wie. Deshalb gehe es auch nur darum, mit wem die Parteien ihre Vorstellungen am besten umsetzen könnten. Michael Schönbeck, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, sagte am Montag, dass "so langsam Realismus" in die Debatte auf Landesebene, insbesondere auch bei der SPD einkehre. Für ihn ist klar, dass die CDU den Ministerpräsidenten stellt und die Landesregierung anführt, möglicherweise eine schwarz-grüne. Schwarz-Grün ist für den CDU-Chef im Kreistag durchaus eine Option "Gerade die Bewahrung der Schöpfung ist ein ureigenes Thema der CDU", sagte Schönbeck. Insbesondere teilt Schönbeck Äußerungen Hendrik Wüsts zur Versöhnung von Industrie und Klimaschutz. Das Thema stehe jetzt einfach an, hatte Wüst am Montagmorgen in einem Radio-Interview gesagt. Enttäuscht ist der Schönbeck vom Wahlergebnis der heimischen Landtagskandidaten, die sich aber nichts vorzuwerfen hätten. &bdquo;Sie haben einen tollen Job gemacht.“ Philip Kleineberg (Herford I mit (Herford, Enger, Spenge, Hiddenhausen) habe im Wahlkampf ein Paar Schuhe durchgelaufen, an so vielen Haustüren habe er geklingelt. Und bei den Bürgern habe er viel Begeisterung erfahren. Wie viele Politiker ist Schönbeck entsetzt über die geringe Wahlbeteiligung. &bdquo;Dafür habe ich kein Verständnis.“ In vielen Ländern hätten die Menschen gerne Wahlmöglichkeiten. Aber in Deutschland würden die Menschen ihr Wahlrecht wegwerfen. Schönbeck rätselt noch, ob womöglich viele Bürger Briefwahlunterlagen beantragt, dann aber nicht abgeschickt haben. Das müssten sie noch analysieren. FDP und Linken blicken mit Enttäuschung auf die Situation Für FDP und Linke war das Wahlergebnis eine herbe Enttäuschung. Die Liberalen blickten aber schon am Wahlabend optimistisch in die Zukunft. Grund sind drei Nachwuchspolitiker, die in den drei Wahlkreisen bereits Aufgaben übernommen haben. Im Wahlbezirk Herford I ist das Céline Joswig, die im Engeraner Stadtrat sitzt. Für Fabian Stoffel, Fraktionsvorsitzender im Kreistag, ist das Ergebnis der Linken teilweise selbst verschuldet, wie er mit Blick auf prominente Parteivertreter sagt. Stichwort: Sahra Wagenknecht, die sich in eine andere Richtung äußerte als die Partei habe gehen wollen. Grundsätzlich zeigten aber alle Krisen der Zeit, dass Linke-Programmatik gebraucht werde. &bdquo;Schade, dass es die Linke nicht geschafft hat, sich als glaubwürdiger Partner zu präsentieren.“

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