Erfolgreiche Klage gegen Straßenbaubeiträge: Anwohner erhalten Geld zurück

Herford. Drei Anlieger der Bäckerstraße haben gegen die Kosten für den Ausbau der Bäckerstraße vor dem Verwaltungsgericht in Minden geklagt - und gewonnen. Bekannt wurde das jetzt durch eine Nachfrage von Eckhart Klemens (FDP) im Stadtrat. Er wollte wissen, ob die Stadt plane, auch den anderen Anliegern ihre Gebühren zu erstatten. Eine Antwort gab es darauf nicht.Die Materie sei so komplex, dass er um eine schriftliche Anfrage bitte, sagte Bürgermeister Tim Kähler. Klemens bekomme dann eine umfassende schriftliche Antwort. Auf NW-Anfrage erklärte Baubeigeordneter Peter Maria Böhm, dass die Bauverwaltung von dem Urteil überrascht worden sei. Auch andere Kommunen, die sich bei der Stadt gemeldet haben, hätten das noch nicht erlebt. Dem Gericht fehlte eine schlüssige Dokumentation Böhm zufolge war das Gericht der Meinung, dass die Stadt den Straßenzustand vor dem Ausbau der Bäckerstraße nicht ausreichend dokumentiert hat. Sei eine Straße mindestens 50 Jahre alt, werde der Erneuerungsbedarf vorausgesetzt. Straßen, die jünger als 25 Jahre sind, würden nie abgerechnet. Entscheidend beim Ausbau von Straßen im Alter zwischen 25 und 50 Jahre ist nicht das Pflaster, sondern der Unterbau.Rechtsgrundlage ist die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht NRW. Demnach liegt die Lebensdauer von Straßen bei mindestens 25 bis 27 Jahren, die der Beleuchtung, die ebenfalls für die Abrechnung mit Anliegern eine Rolle spielt, bei mindestens 30 Jahren. Aus dem bloßen Alter einer Straße dürfe eine Kommune aber nicht den Schluss ziehen, dass sie verschlissen sei.Die Bäckerstraße war zuletzt 1975 erneuert worden, der jüngste Ausbau erfolgte dann 2015. Dazwischen liegen 40 Jahre. Dem Gericht zu Folge hätte die Stadt nicht darauf verzichten dürfen zu dokumentieren, dass der Unterbau einer Erneuerung bedarf. "Wir waren überrascht, dass dies vom Gericht angezweifelt wurde", sagt Böhm. Fotos deuten nicht auf Schäden im Untergrund hin Sie hätten zwar kein Gutachten erstellt, aber den Straßenzustand mit Fotos dokumentiert und die Bilder im Verfahren in Minden vorgelegt. Das Verwaltungsgericht argumentierte aber, dass die Fotos keine Frostaufbrüche, Absackungen oder Fahrspuren zeigten. Das werten die Gerichte als typische Anzeichen für einen Verschleiß. Auch eine defekte Beleuchtung kann Gebühren rechtfertigen. Das greife im Herforder Fall aber ebenfalls nicht, so die Mindener Richter: In den Akten gebe es den Vermerk: &bdquo;Beleuchtungsanlage z.Zt. nicht verschlissen – Keine Beitragsfähigkeit“. Später habe die Stadt dann vermerkt, die Leuchten seien altersbedingt hinüber. Auch das würden die Fotos nicht bestätigen. Unklar ist Böhm zufolge jetzt, wie die Stadt mit dem Urteil umgeht. In Berufung gehen, kann sie nicht, das lässt das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu. Sie kann aber gegen diese Nichtzulassung der Berufung eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht NRW einreichen. "Wir wollen gerne alle Anlieger gleich behandeln" In Frage könnten nun zwei Wege kommen: Entweder bessert die Stadt die Begründung für die Notwendigkeit des Ausbaus nach; dazu müsste sie den alten Zustand rekonstruieren, sagt Böhm. Das sei aber schwer bis kaum möglich. Oder sie akzeptiert das Urteil und zahlt gegebenenfalls allen Anliegern der Bäckerstraße die Ausbaubeiträge zurück.Der Baubeigeordnete betont: "Wir wollen gerne alle Anlieger gleich behandeln." Ihre Forderung nach Rückzahlung hält er auch für verständlich. Die Stadt wisse aber derzeit noch nicht, ob sie die - inzwischen rechtsgültigen - Bescheide überhaupt aufheben dürfe. Juristen sollen das nun klären. Insgesamt hat der Ausbau der Bäckerstraße rund 800.000 Euro gekostet, sagt Böhm aus der Erinnerung heraus. Die Hälfte davon habe die Stadt bei den Anwohner eingefordert. Für Herford ist der Umgang mit dem Urteil demnach auch eine Kostenfrage.An anderen Stellen gelten zum Teil andere Regeln Relevanz hat es zudem für den weiteren Ausbau der Fußgängerzone: An der Lübberstraße hat ebenfalls ein Anlieger geklagt. Das Urteil stehe noch aus, sagt Böhm. An anderen Stellen würden zum Teil andere gesetzliche Regeln gelten. Von vorneherein nicht geplant sei zum Beispiel, den Gehrenberg mit den Anliegern abzurechnen. Am Alten Markt habe die Bauverwaltung sowieso ein Bodengutachten erstellen lassen.Gleichzeitig gibt es Bestrebungen im Land, die Ausbaubeiträge künftig generell zu erlassen. "Aber dafür haben wir noch keine Gesetzesgrundlage."

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