Warum dieser Politiker für eine Impfpflicht stimmen wird

Kreis Herford/Bad Oeynhausen. Noch ist unklar, ob eine Corona-Impfpflicht überhaupt kommt. Der Bundestag wird sich voraussichtlich im März damit befassen und darüber abstimmen. Für den Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze (SPD) führt kein Weg daran vorbei. Er spricht sich dafür aus und kritisiert im Gegenzug die "getarnten" Aufmärsche der Gegner der Corona-Maßnahmen. Bald könnte der Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht abstimmen. Wie ist Ihre Position dazu?Ich befürworte eine Impfpflicht für Erwachsene. Seit nunmehr knapp zwei Jahren setzen wir in der Bekämpfung der Corona-Pandemie, einer für viele tödlich verlaufenden oder mit schweren Folgeschäden behafteten Krankheit, auf Vernunft, Einsicht und Solidarität. Dafür mussten Familien und Kinder schwerste Einschränkungen hinnehmen. Sie alle haben es ertragen, aus Solidarität, um die vulnerablen Gruppen zu schützen und damit es bald vorbei sei. Sobald es einen Impfstoff gab, schöpften sie wieder Hoffnung, dass all ihre Einschränkungen, ihr Stress und ihre Verluste für etwas gut waren. Nämlich dafür, dass wir jetzt gemeinsam die Pandemie besiegen und zu einem normalen Leben zurückkehren können. Die meisten haben auf die Einsicht, die Vernunft und die Rücksichtnahme aller gesetzt. Das hat aber nicht ganz funktioniert. Bislang sind nur 72,3 Prozent der Deutschen vollständig geimpft. Zum Bedauern der allermeisten Menschen in unserem Land haben Appelle und das Setzen auf Verantwortungsbewusstsein, Vernunft und Einsicht nicht dazu geführt, dass sich ausreichend Menschen, zum eigenen und zum Schutz der anderen, haben impfen lassen. Denn eines ist vollkommen unzweifelhaft: Wir kommen aus dieser Situation nur durch eine angemessene Impfquote heraus. Noch vor der vierten Welle und bevor sich die Delta-Variante des Coronavirus so rasant verbreitet hat, hätten vermutlich 75 bis 80 Prozent Impfquote ausgereicht. Heute müssen wir 90 Prozent erreichen. Welche Fehler hat die Politik gemacht? Viel zu lange haben wir zugeschaut, wie mit falschen Tatsachenbehauptungen und Verschwörungstheorien der Egoismus einiger auf dem Rücken der Mehrheit ausgelebt wurde. Wir alle wollen unser gewohntes Leben zurück, und das geht nur mit einer sehr hohen Impfquote. Auch müssen wir die Situation der Patientinnen und Patienten berücksichtigen, die aus anderen medizinischen Gründen einen Krankenhausaufenthalt oder gar eine Operation benötigen. Wir müssen sicherstellen, dass diese Patientengruppe nicht aufgrund von Engpässen der große Verlierer ist. Da das nicht auf freiwilliger Basis erreicht wird, brauchen wir jetzt eine Verpflichtung, auch, um viele Menschen vor sich selbst zu schützen. Davon bin ich inzwischen zutiefst überzeugt. Der Protest der Gegner der Corona-Maßnahmen ist lauter geworden. In Minden haben sie das Haus der Landrätin aufgesucht. Wie beurteilen Sie die sogenannten “Spaziergänge”, die es auch in Bünde und Bad Oeynhausen gibt? Das private Haus einer Landrätin, einer Bürgermeisterin oder jeder anderen öffentlichen Person aufzusuchen und zu bedrohen, geht gar nicht. Betroffen sind ja nicht nur die Personen selbst, sondern auch deren Familienangehörige und Nachbarn. Sich öffentlich kritisch zu äußern, ist in diesem Land verbrieftes Recht und vollkommen in Ordnung. Dann meldet man die Kundgebung bei den örtlichen Behörden an und tut seine Meinung kund.Die Aufmärsche jedoch, die gemeinhin als "Spaziergänge" verharmlost werden und lediglich dazu dienen, Auflagen für Demonstrationen und Kundgebungen zu umgehen, zeigen der Öffentlichkeit ganz deutlich, dass es eben nicht um die Verteidigung von Persönlichkeitsrechten geht. Denn hier wird gleiches Recht für alle wissentlich und willentlich missachtet. Und in diesem Zusammenhang dann auch noch Personen des öffentlichen Lebens bedrohen, die in den meisten Fällen für die Rechtslage nicht einmal verantwortlich sind, sondern lediglich ihr Amt ausführen, zeigt allen, welche Geisteshaltung dahintersteht. Das hat mit Verteidigung von Grundrechten nichts zu tun, es ist das glatte Gegenteil.Nach der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz standen Sie neben anderen Politikern auf einer “Telegram-Todesliste”. Hat es seitdem ähnliche Vorfälle und persönliche Anfeindungen gegeben? Nein, ich persönlich habe seitdem keine konkreten Anfeindungen erhalten, die über den geschmacklosen Rahmen hinausgehen. Zumindest habe ich keine wahrgenommen. Aber die Liste derer, die in den vergangenen Monaten persönliche Anfeindungen erdulden mussten, wird immer länger – auch hier bei uns vor Ort. Das ist beschämend und macht zugleich wütend. Und es hat auch nichts mit schlechter Kinderstube zu tun, sondern zeugt von demokratiefeindlicher Haltung. Hier würde ich mir eine noch konsequentere Strafverfolgung wünschen. Wir haben das zu lange nicht als das wahrgenommen, was es ist: Eine Gefahr für unsere friedvolle, demokratische Gesellschaft.

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