Gutachter bestätigt: Jaguarfahrer hat Stoppschild überfahren

Bad Oeynhausen/Vlotho. Es sind nur wenige Meter, die über Leben und Tod zweier Menschen entschieden haben. Von der Haltelinie am Stoppschild bis zum Ort des Aufpralls sind es genau 10,6 Meter. Der Sachverständige hat die Strecke am Tag nach dem tödlichen Unfall auf der Kreuzung in Vlotho-Valdorf ausgemessen und ist überzeugt: Der Jaguar hat am Stoppschild nicht gestoppt. Bei der Fortsetzung des Prozesses wegen fahrlässiger Tötung vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen schließt der Gutachter aus den Zerstörungskräften und der Entfernung zum Unfallort auf die Geschwindigkeit des Jaguarfahrers. Die war offenbar ganz und gar nicht angemessen. Der Jaguar krachte wenige Meter hinterm Stoppschild mitten auf der Kreuzung in einen Polo. Darin saßen eine 40-jährige Fahrerin und ihre Mutter (83). Sie starben beide noch am Unfallort. Die Frauen waren auf der Vorfahrtstraße unterwegs, als sie auf der Kreuzung der Lemgoer Straße mit der Hohenhausener und Wehrendorfer Straße in den Jaguar stießen. Sonntagabend, 20. September 2020, blieb die Kreuzung stundenlang gesperrt. Noch in der Unfallnacht gestand der Jaguarfahrer gegenüber einer Polizeibeamtin, dass er das Stoppschild überfahren hat. Einen Monat später wiederholte er diese Aussage fürs Protokoll. Im Gerichtssaal dagegen ist sich der Jaguarfahrer keiner Schuld bewusst. Damals habe er unter Schock gestanden, erklärte er. Und parkende Fahrzeuge am Straßenrand hätten seine Sicht eingeschränkt. Vorsichtig habe er sich in die Kreuzung hineingetastet. Jaguarfahrer nicht angeschnallt Doch diese Darstellung räumt der Gutachter ab. Die Straßen in Valdorf kreuzen sich nicht im rechten Winkel, sie laufen x-förmig aufeinander zu. Außerdem liegt die Lemgoer Straße auf einer Kuppe. Wer, wie der Jaguarfahrer auf die Wehrendorfer Straße fahren will, kann nur mit Verrenkungen nach links blicken. Die Vlothoerinnen kamen aber aus der Perspektive des Jaguarfahrers von rechts aus Fahrtrichtung Valdorfer Kirche. Der Gutachter spricht von einem "breiten Sichtfeld". Die Autoscheinwerfer beider Fahrzeuge waren eingeschaltet. Das ist aber nicht alles. Der Jaguarfahrer war offenbar gar nicht angeschnallt, erklärt der Sachverständige. Und aus der Analyse der Spuren auf der Straße und der Zerstörungen an den Autos schließt er, dass der Jaguar mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung hineingefahren ist. Hätte er angehalten, hätte das Auto auf den 10,6 Metern niemals die Geschwindigkeit erreicht, die diese Zerstörungswucht auslöste. Aus der Perspektive der Polo-Fahrerin tauchte der Jaguar 34 Meter vor ihr auf. Angesichts des erlaubten Tempo 70 hatte die Fahrerin ungefähr zwei Sekunden Zeit bis zum Aufprall. Nicht genug für eine Vollbremsung. Der Verteidiger des Angeklagten hakt nach. Sein Mandant sei nahezu unverletzt aus dem Auto ausgestiegen. Wie passt das zur Zerstörungswucht des Aufpralls? Der Sachverständige erklärt seine Vorgehensweise, seinen Rückgriff auf Crash-Tests mit ähnlichen Fahrzeugen, Aufprallwinkeln, Erfahrungswerten und Rechenformeln. Doch er bleibt bei seiner Einschätzung: "Der Jaguar hat nicht angehalten." Riskante Überholmanöver Womöglich ist der Angeklagte also doch nicht der verantwortungsvolle Berufskraftfahrer, als den ihn sein Anwalt anfangs dargestellt hat. Weitere Zeugen belasten den Mann. Es geht um riskante Überholmanöver. Das eine geschah wenige Stunden vor dem Unfall, das andere am Dienstagnachmittag, 30. Juni 2020. Ein Ehepaar aus Löhne mit Kind war in einem Seat auf der Loher Straße unterwegs, als im Rückspiegel ein Jaguar erst mit Lichthupe drängelte, in einer unübersichtlichen Kurve der Loher Straße an ihnen vorbeizog und sie dann auch noch ausbremste. Allerdings können sich die beiden nicht ans Nummernschild des Jaguars erinnern. Den Fahrer haben sie nur schemenhaft gesehen. Das Gericht wird am Dienstag, 14. September, weitere Zeugen vernehmen.

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