Wetterbeobachter berichtet: Wann starke Regenfälle für Herford fatal werden

Herford. Erleichterung und Sorge liegen beim Herforder Wetterbeobachter Heinrich Wulff gerade nah beieinander. Einerseits ist er froh, dass die verheerenden Unwetter der vergangenen Tage entgegen ersten Befürchtungen Herford verschont haben. Andererseits ist der Ehrenvorsitzende der Herforder DLRG mit seinem Herzen bei fünf Kameraden. Die Kollegen um Einsatzleiter Kai Möller sind am Donnerstagmorgen um 2 Uhr als Teil des Katastrophenschutzes mit einem Transporter und einem Boot in Richtung Märkischer Kreis aufgebrochen. Sie wollen den Opfern der verheerenden Überschwemmungen in den südlicheren Landesteilen in der Not helfen. Dass die Unwetter immer lokaler werden, hat sich einmal mehr gezeigt, als Anfang Juni in Teilen von Bünde und Enger/Spenge "Land unter" war, in Herford aber nur drei bis vier Millimeter Regen fielen. Die hat Heinrich Wulff in seinem Garten am Ortsieker Weg gemessen. Er hat für Niederschläge einen Sammler, dessen Inhalt er nach alter Väter Sitte täglich mit einem Messbecher nachmisst. Gleich daneben steht ein digitales Messgerät, das seine meist identischen Werte per Funk an die Außenstelle Minden des Landesumweltamtes (LANUV) überträgt. "Wir haben alle paar Jahre Wasser im Keller" Offizieller Wetterbeobachter des Deutschen Wetterdienstes waren Heinrich Wulff, sein Vater und Großvater von 1946 bis 2007. Dann ging eine digitale Station in Jöllenbeck in Betrieb. Für Wulff und seine Frau ist Wetterbeobachtung jetzt ein Hobby, über das sie aber noch immer akribisch Buch führen. Wulff sieht sich allerdings nicht in der Lage, aus seinen Daten, die durchaus einen deutlichen Anstieg der Durchschnittstemperaturen ausweisen, den Klimawandel abzulesen. Dazu hat sich im Umfeld seines Hauses baulich zu viel verändert. Bemerkenswert ist jedoch: Seit 1997/98 sind die Durchschnittstemperaturen zweistellig. "Wir achten schon aus Eigeninteresse darauf, wie die Wolken aussehen und wohin sie ziehen", sagt Wulff. Denn am Ortsieker Weg haben sie alle paar Jahre Wasser im Keller, weil die Kanalisation außergewöhnlich reichliche Niederschläge nicht fassen kann. Wulff öffnet dann eine Klappe am Regenabfallrohr des Hauses, damit das Wasser über die Einfahrt auf die Straße laufen kann und nicht die Rohre im eigenen Haus füllt. 2014 hat es Münster schwer erwischt Das letzte Problemhochwasser für die Innenstadt hat er am 29. Juli 2014 mit 45 Millimeter Niederschlag registriert. Zwei Tage zuvor waren die Wolken am Teutoburger Wald abgetrieben worden, und es hatte Münster schwer erwischt mit 300 Millimetern Niederschlag und einem Meter Hochwasser. Herford war am schlimmsten kurz nach dem Krieg am 9. Februar 1946 mit 136,8 Millimetern Niederschlag betroffen. Damals soff die ganze Innenstadt ab; die Brücke der Lippischen Bahn und die Hansabrücke stürzten ein. Am 26. August 2010 gab es mit 94 Millimetern die zweithöchste Regenmenge in Herford. Fatal für die Stadt sind übermäßige Regenfälle immer dann, wenn es in Lippe und gleichzeitig im Bielefelder Raum schüttet. Denn dann tragen Werre und Aa ihre Fluten heran. Im Herforder Raum ist es wie in den jetzt von Überschwemmungen betroffenen Regionen ein Problem, dass immer mehr Flächen versiegelt sind, und das Regenwasser nicht versickern kann. "Da sind wir glücklich vorher gekommen" Wulffs Beobachtung ist, dass Unwetter, die Herford treffen, meist aus Südwest nahen. Die Unwetter der vergangenen Tage aber, die die Stadt verschont haben, kamen aus Nordost. "Da sind wir glücklich vorher gekommen", sagt Wulff. Die Klage der vergangenen Jahre war, dass es im Schnitt zu wenig geregnet und die Natur unter Trockenheit gelitten hat. Heinrich Wulff glaubt, dass das Wetter im erste Halbjahr 2021 in diesem Bereich Entspannung gebracht hat. So hatte es von Januar bis Juni 2021 insgesamt 405,3 Millimeter Niederschlag gegeben. Im ersten Halbjahr 2020 waren es nur 338,6 und im ersten Halbjahr 2019 345,6 Millimeter gewesen. Im ganzen Jahr 2020 hat Wulff 716,6 Millimeter, 2019 mit 761 Millimeter etwas mehr gemessen. Der niederschlagsreichste Tag 2021 war der verschneite 6. Februar mit 23,4 Millimetern. 2020 war es der 13. August mit 34 Millimetern und 2019 der 20. Mai mit 37,7 Millimetern. Die Höchsttemperatur dieses Jahres betrug am Ortsieker Weg bisher 34,8 Grad am 17. Juni. Am 30. Juni 2020 war es 35,6 Grad warm und am 25. Juli 2019 38,1 Grad - der Höchstwert seit 1891. "Unterm Strich fehlte die Sonne" Als Halbjahresmittel der ersten Hälfte 2021 hat Wulff 9,1 Grad errechnet. 2020 betrug der Wert im Vergleichszeitraum 10,8 Grad und 2019 10,3 Grad. Das Jahresmittel stieg 2020 auf 12,2 Grad und 2019 auf 11,9 Grad, weil in aller Regel Juli und August die wärmsten Monate sind. An vier Tagen stieg das Thermometer im ersten Halbjahr dieses Jahres auf über 30 Grad, 2020 waren es drei Tage, 2019 acht. Im ganzen Jahr 2020 gab es 16 Tage über 30 Grad, 2019 waren es 22. Es können also auch in diesem Jahr noch heiße Tage nachkommen. Doch war der Juli in Sachen Wärme bisher unter Durchschnitt. Über Durchschnitt lagen die neun Regentage der ersten Monatshälfte. Allerdings sind Wettervorhersagen nicht Heinrich Wulffs Metier. Unterm Strich, so der Wetterbeobachter, fehlte im ersten Halbjahr 2021 die Sonne.

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