Kreis Herford. Die Corona-Pandemie ist für viele Menschen eine Belastung: Finanziell, sozial und psychisch. Der Sozialpsychiatrische Dienst (SpD) des Kreises Herford bietet psychisch Erkrankten und Menschen in akuten Krisen Hilfe an - inzwischen seit 40 Jahren. Seit einiger Zeit leitet ihn Claudia Werk. Zusammen mit der Psychiatrie- und Suchtkoordinatorin Michaela Rolf will sie Hilfesuchende ermutigen, den SpD zu kontaktieren.
Ängste, Depressionen, Burn-out, Sucht, Suizidgedanken, Traumata, Gewalt, Trennungen und akute Krisen bei psychischen Erkrankungen: Das sind alles Gründe, warum sich Betroffene an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Häufig nehmen auch Angehörige, Freunde, Partner, Nachbarn oder Arbeitgeber auffälliges oder besorgniserregend verändertes Verhalten wahr und rufen an.
Manchen Betroffenen ist der Sozialpsychiatrische Dienst über Jahre eine wichtige Stütze
Der Sozialpsychiatrische Dienst berät dann, bietet Gespräche in den SpD-Räumen oder bei den Anrufern Zuhause an. Wenn nötig begleitet er Betroffene bis hin zur stationären Behandlung. Rund 9.000 Gespräche führt er jährlich. Wenn eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt, dauern die Kriseneinsätze zum Teil mehrere Stunden. Viele begleitet der SpD auch über Jahre und Jahrzehnten.
Das Krisentelefon des Sozialpsychiatrischen Dienstes ist montags bis donnerstags von 8.30 bis 17 Uhr, freitags von 8.30 bis 20 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 12 bis 20 Uhr unter Tel. (0 52 21) 13 16 08 erreichbar. Die Beratung ist kostenfrei und vertraulich. Die Gespräche unterliegen der Schweigepflicht.
Neben der individuellen Unterstützung macht der SpD Angebote zur Teilnahme an Gruppen, in denen sich Betroffenen austauschen, beispielsweise Psychose-Erfahrene oder Menschen mit psychischen Erkrankungen. Geplant ist eine weitere Gruppe für psychisch erkrankte Eltern. „Pandemiebedingt müssen die Angebote leider pausieren. Umso wichtiger ist aber, das Gesprächs- und das Telefonangebot noch bekannter zu machen", sagt Sozialdezernent Norbert Burmann.
In jeder Stadt und Gemeinde im Kreis können die Mitarbeiter beraten
Das Team des Sozialpsychiatrischen Dienstes besteht aus elf Mitarbeitern aus Psychiatrie und Psychotherapie, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Krankenpflege und Verwaltung. Es ist regional organisiert, so dass es in allen Städten und Gemeinden des Kreises jederzeit eine Beratung anbieten kann.
Claudia Werk ist seit Februar 2021 die neue Abteilungsleiterin des Spd, der an das Gesundheitsamt angeschlossen ist. Für sie ist es eine der "vielfältigsten und zugleich schönsten Herausforderung im psychiatrischen Arbeitsbereich“, sagt die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Bereits 1999 war sie während ihrer Weiterbildungszeit beim Sozialpsychiatrischen Dienst Herford, 2005 kehrte sie als Fachärztin zurück in den Kreis.
Die vielen Veränderungen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, seien besonders für psychisch labile Menschen nicht einfach. „Die Nachfrage nach therapeutischer Hilfe steigt. Dabei sind die psychischen Folgen, die die Pandemie mit sich bringt, noch nicht vollständig erkennbar.“
Ohnmacht, Hilflosigkeit und Kontrollverlust in der Pandemie führen Menschen in die Krise
Bei vielen habe die Pandemie ein Gefühl von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Kontrollverlust ausgelöst. Es gebe aber auch ein entgegengesetzte Phänomen, sagte Werk kürzlich: Einige, die sich in ihrer Ohnmacht vor der Pandemie allein gefühlt hätten, erlebten jetzt, dass es nun anderen so gehe und fühlten sich eher einer Gesellschaft zugehörig.
Michaela Rolf, die Psychiatrie- und Suchtkoordinatorin des Sozialpsychiatrischen Dienstes ist, betont, dass die Zeiten des Krisenthelefons weiter ausgeweitet werden sollen. Das Angebot besteht seit April 2020 auch an Wochenenden und Feiertagen, seither steigt die Anzahl der Anrufe kontinuierlich.
Der Sozialpsychiatrische Dienst ist übrigens auch Ansprechpartner für Polizei, Feuerwehr, andere Behörden und Institution wie das Jugendamt oder das Jobcenter. Diese nutzen das Expertenwissen, um einschätzen zu können, ob bei kritischen Einsätzen psychiatrische Hilfen nötig sind. Zudem arbeitet der SpD mit dem Ziel der bestmöglichen Krisenbetreuung eng mit Kliniken, niedergelassenen Fach- und Hausärzten sowie Psychotherapeuten zusammen. Gegebenenfalls vermittelt er Betroffenen weitere Ansprechpartner.