Zum ersten Mal: Wanderfalken brüten im Turm der Marienkirche

Herford. Sollen sie Wanda und Falko, Maria und Mario, Tristan und Isolde oder Ketchup und Majo heißen? Die St. Marien-Kirchengemeinde hat aufgerufen, Namen für das Wanderfalken-Pärchen vorzuschlagen, das jetzt in der Turmspitze der Stiftberger Marienkirche brütet. Über 30 Ergebnisse liegen vor, auch eine Grundschulklasse vom Stiftberg hat mitgemacht. Wie auch immer sie heißen werden – die erste Brut der Greifvögel in neuerer Zeit in Herford ist eine Sensation für die Stadt, sagen Vogelkundler wie Klaus Kernebeck von der Naturschutzbehörde des Kreises und Klaus Nottmeyer von der Biologischen Station Ravensberg. Menschenansammlungen mit Ferngläsern Damit es zu einem Bruterfolg des jungen und unerfahrenen Vogelpaares kommen kann, müssen die Tiere möglichst ungestört bleiben. Hatte Kernebeck die Zeitungen zunächst gebeten, möglichst lange mit einer Berichterstattung zu warten, ließ sich die Nachricht am Ende nicht mehr unter dem Deckel halten. &bdquo;Wir mussten sogar den Turm sperren, weil jemand hinaufsteigen wollte“, berichtet Pfarrerin Frauke Wagner, die zusammen mit ihrem Mann Gerald erst im vergangenen Herbst die Pfarrstelle übernommen hat. Rund um das Gotteshaus beobachtet sie immer wieder Ansammlungen von Menschen mit Ferngläsern, die beobachten wollen, wie die mit 200 Stundenkilometern wohl schnellsten Tiere der Welt die Öffnung im Turm anfliegen oder verlassen. Die Ornithologen selbst lassen den Tieren im Turm ihre Ruhe. Sie überlegen sogar noch, ob sie die Jungtiere der ersten Brut überhaupt beringen oder sie auch in dieser Hinsicht nicht beunruhigen sollen. Wanderfalken aus Plüsch in Lebensgröße als Preis Das Presbyterium hat zwei rund 40 Zentimeter große Wanderfalken aus Plüsch für den schönsten Namen ausgelobt, also fast in Originalgröße. Eine fünfköpfige Namensfindungskommission prüft alle Vorschläge und vergibt den Preis. Einsendeschluss ist Samstag, 1. Mai. Namensvorschläge können per E-Mail an gemeinde@marienkirche-herford gerichtet werden. Die Hoffnung der Wagners ist, dass das Pärchen sich jedes Jahr im Turm gegenüber dem Pfarrhaus zum Brüten einfindet. Dann, so kündigt Klaus Kernebeck an, werde man auch eine Kamera in den Kasten bauen, damit die Kirchengemeinde das Leben bei Familie Wanderfalke beobachten kann. Den Grundstein für den Nestbau im Kirchturm hat Kernebeck schon vor über zehn Jahren gelegt, als er mit einer Arbeitslosen-Initiative zwei maßgefertigte Kästen hinter Öffnungen im Schieferdach des Turmes bauen ließ. Auch ein Anflugbrett wurde installiert. &bdquo;Es war eine große Aktion und ein Wagnis mit Hoffnung auf Erfolg“, sagt er rückblickend. Kotspuren von Wanderfalken und Reste geschlagener Tauben hatte man auch an anderen Herforder Kirchen entdeckt. Doch die Marienkirche scheint der erste Zuchtstandort zu sein. Wann ein Wanderfalke &bdquo;die Hosen voll hat“ Im Mai 2020 ist das Männchen an der Johanniskirche erstmals aufgetaucht, dann kam das Weibchen dazu und man sah beide an der Münsterkirche, berichtet Klaus Nottmeyer und scherzt: &bdquo;Das Männchen ist laut Ring ein Bielefelder Wanderfalke, der hat es da wohl nicht mehr ausgehalten.“ Im März 2021 war die Balz auf dem Stiftberg zu beobachten. Dass die erste Brut des frisch vermählten Pärchens ein Erfolg wird, ist keineswegs ausgemacht. Die Vögel sind Einzelgänger und finden sich nur für die Brut zusammen. &bdquo;Die Paarpsychologie muss sich erst zusammenrütteln, manchmal kommt die erste Brut nicht durch“, sagt er. Selbst dann sind die Chancen gut, dass es das Pärchen hier wieder versucht. Apropos Rütteln – das tun nur die nicht ganz so seltenen und kleineren Turmfalken. Wanderfalken lassen sich von oben auf ihre fliegende Beute fallen und töten sie mit den Krallen. Entweder packen sie sie dabei oder fangen sie im Fallen wieder auf. Das meist größere Weibchen jagt Vögel wie Tauben, das Männchen eher Singvögel wie Spatzen. Er füttert sie beim Brutgeschäft. Seine größere Wendigkeit sichert ihm Erfolg, wenn er für seine Familie jagt. &bdquo;Das Paar muss auch die Futterübergabe erst lernen. Das Männchen hat gegenüber dem dominanten Weibchen die Hosen voll’“, meint Nottmeyer. Zu tödlichen Duellen kommt es aber eher zwischen Weibchen, die um den Brutplatz kämpfen. Das ist auch schon am Kraftwerk in Kirchlengern vorgekommen, dem anderen, seit 2014 von Wanderfalken angenommenen Brutplatz im Kreis Herford. Paradebeispiel für Umweltzerstörung &bdquo;Der Wanderfalke ist ein Paradebeispiel der Umweltzerstörung“, sagt der Experte. &bdquo;Er ist ein prominentes Opfer des früher in der Landwirtschaft eingesetzten Insektizids DDT.“ Ein englischer Forscher hat in den 1960er Jahren festgestellt, dass die Eierschalen immer dünner geworden sind. Die Falken haben über ihre Beute die belastete Nahrung aufgenommen und so das Gift mitgefressen. In den 1970er Jahren war der Wanderfalke in Deutschland ausgestorben. &bdquo;Inzwischen“, freut sich Nottmeyer, &bdquo;ist er in NRW mit rund 240 Paaren im Jahr 2019 wieder so stark wie nie vertreten.“ Vielleicht trägt dazu auch die Stiftberger Brut bei. Das wird man Mitte Mai erfahren.

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