Update: Marta-Direktor muss Ende 2021 gehen

Herford. Es ist ein Paukenschlag für die regionale Kunstszene. Die gemeinnützige Trägergesellschaft des Museums Marta Herford mit dem Herforder Bürgermeister Tim Kähler an der Spitze verlängert überraschend den Vertrag mit Museumsdirektor Roland Nachtigäller (61) nicht über das Jahresende hinaus. Das erklärten Nachtigäller und Kähler am Mittwoch in einer am Vortag miteinander abgestimmten Pressemitteilung des Museums. Über die Mitteilung hinaus, so die Vereinbarung, sagen beide Seiten derzeit nichts gegenüber der Öffentlichkeit. Nachtigäller selbst hätte seine Arbeit im Gehry-Bau gern fortgesetzt. Ungeklärt ist auch, wann und wie ein Nachfolger gefunden werden soll. Kritik an den Kosten des Marta "Die Gründe für das Ende der Zusammenarbeit lagen in deutlich unterschiedlichen Vorstellungen zu den finanziellen und programmatischen Perspektiven für das Museum nach dem Ende der pandemiebedingten Einschränkungen", heißt es da. Wie weit Museumsdirektor und Bürgermeister in Sachen Finanzen auseinanderliegen, wurde nicht mitgeteilt. Derzeit lässt sich die Stadt, die federführend in der gGmbH ist, das Museum knapp 3 Millionen Euro im Jahr kosten. Daran entzündet sich immer wieder Kritik. Ebenso unklar bleibt zunächst, wo Kähler die künstlerische Zukunft des Museums sieht. &bdquo;Sehr gerne hätte ich dem Marta mit Umsicht und kreativen Lösungen auch im sicherlich nicht einfachen kommenden Jahr weiter zur Seite gestanden. Ich muss aber auch akzeptieren, wenn sich über die strategische Ausrichtung des zukünftigen Handelns keine Einigkeit mehr herstellen lässt", wird Nachtigäller zitiert. "Kulturelle Angebote in Herford neu denken" Tim Kähler sagt: &bdquo;Wir müssen und werden die kulturellen Angebote in Herford neu denken, zukunftssicher machen und diesen Prozess offensiv gestalten. Im 16. Jahr seines Bestehens scheint es mir daher ein guter Zeitpunkt, die Verantwortung für das Marta - bei aller Wertschätzung für die bisherige Arbeit von Roland Nachtigäller - in neue Hände zu legen." Nachtigäller und Kähler sprechen in ihrer Mitteilung von einer "nach wie vor konstruktiven Atmosphäre der gemeinsamen Gespräche". Dennoch scheint Kähler das Vertrauen verloren zu haben, dass Nachtigäller die von ihm gewünschten Impulse im verkleinerten Kostenrahmen setzen wird. Das für dieses Jahr bereits vollständig geplante Programm des Museums werde uneingeschränkt realisiert, heißt es. Roland Nachtigäller hatte die Leitung des Marta im November 2008 übernommen. Sein ursprünglicher Fünf-Jahres-Vertrag wurde zweimal verlängert, 2018 vorzeitig bis Ende 2021. "Sehr gute Zusammenarbeit mit Freundeskreis" Der Unternehmer, Kunstförderer und Vorsitzende des Marta-Freundeskreises, Heiner Wemhöner, hält sich erstaunlich bedeckt: "Es ist immer traurig, wenn jemand geht." Man habe über 13 Jahre sehr gut zusammengearbeitet - es sei eine "gute Zeit" gewesen. "Wir haben keinen Einfluss auf solche Entscheidungen, das ist die alleinige Entscheidung des Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung", sagt Wemhöner. Ein neuer Kopf an der Spitze des Marta sei Chance und Risiko zugleich. Der Freundeskreis habe ein Interesse, dass es dem Marta weiterhin "gut geht". Und weiter: "Wir unterstützen das Marta, versuchen den Freundeskreis zu begeistern und Menschen für das Marta zu gewinnen." Man werde in diesem Jahr auf den Jahresbeitrag des Vereins verzichten, weil gemeinsame Aktionen unter dem Zeichen der Pandemie nicht möglich seien. Man hoffe aber auf Spenden, um durch weitere Ankäufe von Kunst, Künstler ohne Einkommen zu unterstützen. Streit um Frieda-Nadig-Denkmal Ein Riss im Verhältnis zwischen Bürgermeister und Museumsdirektor wurde Anfang des Jahres offenbar in der Diskussion um den richtigen Standort für ein Denkmal für die Herforderin Frieda Nadig, einer der Mütter des Grundgesetzes. Während Nachtigäller das Denkmal aus den Händen der Künstlerin Asta Gröting als Teil des Projektes "Fünf Tore - Fünf Orte" eingeplant und schon erfolgreich Fördermittel beim Land eingeworben hatte, war Kähler offenbar vorab nicht informiert worden und auch nicht begeistert. Er halte die Vermischung der Würdigung einer verdienten Politikerin und der Kunst an früheren Stadttor-Standorten für unangebracht. Die 125.000 Euro Fördermittel bleiben erhalten, allein ein neuer Standort ist noch nicht gefunden. Kähler favorisiert den Wall am Daniel-Pöppelmann-Haus. Nachtigäller war früherer Mitarbeiter von Marta-Gründungsdirektor Jan Hoet auf der Documenta IX und Leiter einer Galerie in Nordhorn. Er kam als dessen Nachfolger nach Herford. Der charismatische und exzentrische flämische Austellungsmacher Jan Hoet wurde von den Menschen heiß geliebt oder schroff abgelehnt. Das Marta war noch nicht eröffnet, als Hoet mit einer Ausstellung des Künstlers Bjarne Melgard im gegenüber liegenden Elsbachhaus die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Nachtigäller führte in ruhigeres Fahrwasser Nachtigäller führte das Marta wie wohl von der Stadt gewünscht in ein ruhigeres Fahrwasser. Das fand nicht nur Zustimmung. In Nachtigällers Zeit fielen herausragende Projekte wie die Buckminster Fuller-Retrospektive oder Projekte zu Richard Neutra mit großer Besucher- und internationaler Medienresonanz. Unvergessen ist die 10-Jahres-Feier als Straßenfest mit Performances. Immer wieder gab es auch Ausstellungen, die sich durch einen sinnlichen Erlebniswert auszeichneten und sich auch ohne tieferes Kunstverständnis erschlossen. Doch überregional ist es ruhiger geworden. Tatsächlich scheint es aber auch schwieriger geworden zu sein, mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst Aufmerksamkeit in die Provinz zu ziehen. Blockbuster, wie man sie in den Metropolen bieten kann, sind für ein Marta nicht finanzierbar.

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