Corona-Lage: Schuhverkäufer Tscheche wendet sich an Bürgermeister und Medien

Herford. Er sei kein Virologe und auch kein Mediziner, sagt Nicolas Tscheche. &bdquo;Ich habe Schuhverkäufer gelernt.“ Darüber hinaus sei er Unternehmer und in einer Familie aufgewachsen, in der das Geschäft und die Selbstständigkeit der Mittelpunkt gewesen seien. &bdquo;Jetzt darf ich nicht mehr selbstständig sein. Die normalen Regeln der freien Marktwirtschaft sind durch die Pandemie zum Teil außer Kraft gesetzt, sie wird durch Verbote reguliert und ich verdiene kein Geld.“ Auch wenn der 36-Jährige viel Verständnis dafür hat, dass es Schutzmaßnahmen vor dem Corona-Virus geben muss, war es ihm ein Anliegen, seine derzeitige Situation zu schildern. &bdquo;Das ist das, was ich tun kann“, sagt er. &bdquo;Möglichst sachlich darstellen, wie die Situation derzeit für mich – und sicher auch für viele meiner Kollegen im innerstädtischen Einzelhandel – ist.“ Deshalb hat Nicolas Tscheche eine Mail verfasst, die er an die Medien und auch an Herfords Bürgermeister Tim Kähler geschickt hat. &bdquo;Ich erhoffe mir Verständnis für unsere Situation, kein Mitleid. Und vor allem hoffe ich, dass der Staat es schafft, mir Wege aufzuzeigen, die ich gehen kann.“ Mit einem Missverständnis will Tscheche gleich zu Beginn seiner Mail aufräumen: &bdquo;Es wird über den Handel gesprochen, manchmal wird es auf den Einzelhandel spezifiziert. Leider ist diese Betrachtung nicht ausreichend, weil in der Realität Lebensmittelhändler wie Edeka, Marktkauf, oder Aldi sowie Blumenhändler, Drogisten oder Onlinehändler jeglicher Art Einzelhändler sind.“ Es gibt keine sozialen Auffangnetze für Unternehmer Hieraus eine Branchenbetrachtung abzuleiten, die allen Beteiligten gerecht werde, halte er für fachlich und sachlich schwierig. Es werde zwar durchaus berichtet, dass es dem Einzelhandel schlecht geht. Dass es dem Lebensmitteleinzelhandel aktuell aber schlecht gehe, der zurzeit eine der wenigen Anlaufstellen für öffentliches Leben sei und der so viel Non-Food-Artikel verkaufe wie noch nie, das könne er nicht so richtig glauben. &bdquo;Die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende des Jahres unterm Strich eine schwarze Zahl steht, ist sehr gering“, sagt Nicolas Tscheche im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Er sei kein Freund von Durchhalteparolen. &bdquo;Was wir brauchen, ist ein Verstehen der Situation, mehr nicht. Und wenn mir verboten wird, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dann muss jemand dafür aufkommen.“ Vor allem Unternehmer und Selbstständige würden aber in dieser Situation sehr alleine gelassen, da sie in der Regel aus dem sozialen Vorsorgeraster fielen. &bdquo;Es gibt keine sozialen Auffangnetze für Unternehmer. Die brauchten wir bislang auch nicht.“ Hier bestehe jedoch dringender Handlungsbedarf, so Tscheche weiter. &bdquo;Die Rahmenbedingungen, die wir bisher hatten, sind weggefallen. Und wir können nicht ewig so weitermachen. Dann bluten kleine und mittelständische Unternehmen aus.“ Viele seien jetzt schon gezwungen, ihre Altersvorsorge aufzubrauchen. Ungleichbehandlung führt zunehmend zu Frust Die einzige Hilfe vom Staat, die er bisher erfahre, sei das Kurzarbeitergeld. &bdquo;Das Jobcenter macht hier wirklich einen guten Job. Da passiert etwas“, sagt Tscheche. In der sogenannten Überbrückungshilfe 3, für die auch sein Unternehmen bezugsberechtigt wäre, sehe er bislang keine Hilfe, schreibt Tscheche in seiner Mail und erklärt das: &bdquo;So wurde die Möglichkeit, sie zu beantragen, erst Anfang Februar gegeben“, was mit Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien erklärbar gewesen sei. &bdquo;Dafür habe ich aber aufgrund der sich immer stärker zuspitzenden Situation der betroffenen Unternehmen nur noch sehr wenig Verständnis.“ Zudem seien die Kriterien, die für die Höhe der Unterstützungsleistung ausschlaggebend sind, permanent geändert worden. Das wiederum habe dazu geführt, dass Anträge, die mit bestem Wissen und Gewissen gestellt wurden, abgelehnt worden seien. Als letzten Punkt führt Nicolas Tscheche &bdquo;die Ungleichbehandlung in der derzeitigen Situation“ auf, die &bdquo;zu immer größerem Frust“ führe. Er schreibt dazu in seiner Mail: &bdquo;So stellen sich uns zwei dringende Fragen: Warum ist es uns nicht erlaubt, zur Not unter freiem Himmel unter Berücksichtigung aller Hygienemaßnahmen, die auch dem Lebensmittelhandel auferlegt sind, unsere Ware zu verkaufen? Was macht den innerstädtischen Handel gefährlicher als ein Lebensmittelgeschäft?“ Darin stecke aus seiner Sicht nicht viel Logik und Nachvollziehbarkeit. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 habe er dafür noch Verständnis aufbringen können, sagt Tscheche. &bdquo;Da musste noch ein Statement gesetzt werden, damit die Menschen merken, dass die Lage ernst ist, dass wir eine Pandemie haben. Aber dass wir die haben, hat mittlerweile wohl jeder verstanden.“

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