Ein Kreuzweg zwischen Leiden und Leidenschaft

Herford. &bdquo;Passion" kann Leiden, aber auch Lust oder Leidenschaft bedeuten. So erklärt der Herforder Maler Weizenfeld den Antrieb hinter seinen Bildern. Eigentlich hätten seine Arbeiten schon im vergangenen Jahr in der Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Ostern in der Marienkirche zu sehen sein sollen, was die Corona-Pandemie unmöglich gemacht hatte. Jetzt sind sie doch in der Kirche zu sehen, allerdings nicht als Ausstellung, sondern als Versuch der Kirchengemeinde, den Menschen auch in Zeiten der Abstandsgebote die Möglichkeit zu bieten, die liturgischen Inhalte des Kirchenjahres zu erfahren. &bdquo;Als Kirche haben wir uns gefragt, wie wir unter den gegenwärtigen Bedingungen die Passionszeit begehen und den menschlichen Fragen nach Wahrheit und Transzendenz einen Raum schaffen und dabei dafür sorgen können, dass es keine Ansteckung gibt", sagt Pfarrerin Frauke Wagner: &bdquo;Dabei haben wir an die alten Kreuzwege und Kreuzgänge der Klöster gedacht." Ein Abschreiten, alleine oder zu Zweit und dabei meditieren, ist eine alte Form der Auseinandersetzung mit sich oder Gott, die unter den gegenwärtigen Bedingungen genau richtig ist". Die Bilder Weizenfelds können als Fragen oder zusätzliche Impulse für diese Auseinandersetzung verstanden werden. Ein Guide mit Abbildungen der Werke hilft bei der Orientierung auf dem jeweils individuellen Kreuzweg. Leiden und Leidenschaft liegen dicht beieinander &bdquo;Leiden und Lust sind für mich eins", sagt Weizenfeld. Er leide an der Gesellschaft, so wie sie von den Menschen gestaltet werde, aber die Malerei sei für ihn Lebenslust und Leidenschaft, die ihm helfe, das Unerträgliche zu ertragen. Die Bilder stammen aus verschiedenen Schaffensphasen des 1952 als Bernd Weitkamp geborenen Künstlers und stecken voller kunstgeschichtlicher und biografischer Bezüge. Nur ein Bild – ein Kreuz aus Motorenöl auf Krankenhauspatientenstoff – ist neu. &bdquo;Die Bilder habe ich mit Unterstützung von Elke Brunegraf zusammengestellt", sagt Weizenfeld. Nach der Absage der Ausstellung im vergangenen Jahr, habe er die Bilder zu Seite gestellt und nicht mehr angefasst, getragen von der Hoffnung, sie doch noch zeigen zu können. &bdquo;Weg nach Tarascon" bezieht sich auf ein Selbstbildnis Vincent van Goghs und schwebt über Bälgen der Collon-Orgel, die das Instrument mit Luft versorgen und zum Klingen bringen. &bdquo;Auf dem Rücken" heißt ein anderes Bild, das einen zerfallenen Körper zeigt und von Weizenfeld in die Nähe einer Pietà – einer Darstellung Marias, die den Leichnam Christ im Arm hält - gerückt wird. &bdquo;Ich kenne die Pietà Michelangelos in Rom, aber diese Arbeit eines vermutlich unbekannten Meisters rührt mich an", sagt Weizenfeld. &bdquo;Nympheas" heißt ein Triptychon, das über dem spätgotischen Flügelaltar schwebt. Weizenfeld nimmt die formalen Aspekte auf, verabschiedet sich aber von einer Geschichte wie sie normalerweise erzählt wird, sondern schafft Assoziationsräume. &bdquo;Ob auf dem einen Bild die Hoffnung auf Rettung oder eine geplatzte Rettungsinsel zu sehen ist, liegt im Auge des Betrachters. &bdquo;Kunst und Religion sind beide auf der Suche nach Wahrheit, besitzen sie aber nicht", sagt Weizenfeld, der auch dem Archetypus &bdquo;Kleriker" ein Bild gewidmet hat. Das weist weit zurück in die Tradition ohne zu verheimlichen, dass sich mit dem Klerus auch kirchliche Schuldgeschichten verbinden. Jimi Hendrix und Pink Floyd wiesen neue Wege Zwei Bilder aus Weizenfelds Triptychon &bdquo;Tippelbrüder" rahmen ein riesiges Kreuz auf einer Empore ein. &bdquo;Die Tippelbrüder haben bandagierte Köpfe, weil die so oft hinfallen", sagt Weizenfeld: &bdquo;Ich weiß das, weil ich eine Zeitlang als Sozialarbeiter die Obdachlosenunterkunft der Diakonie geleitet habe", sagt Weizenfeld. Viele prägende Erfahrungen habe er in der Kirche, vor allem im CVJM in der Altstadt, gemacht, etwa das Gitarre spielen gelernt. &bdquo;Aber irgendwann kamen Jimi Hendrix und Pink Floyd und wiesen andere Wege", sagt der Maler. Auch für diesen Aufbruch fand er ein Bild: &bdquo;Chairs missing" heißt es und bezieht sich auf ein Album der britischen Band &bdquo;Wire" aus dem Jahr 1978. Die Weizenfeld-Bilder sind bis zum 28. März in der Marienkirche, Stiftbergstraße, zu sehen. &bdquo;Anders als im vergangenen Jahr geplant gibt es keinerlei Rahmenprogramm", sagt Presbyter Günter Scheding, der die Idee vor mehr als eineinhalb Jahren entwickelt hatte. Die Kirche bietet auch keine Sonderöffnungszeiten an, sondern ist als &bdquo;Offene Kirche" wie gewohnt täglich außer montags von 15 bis 17 Uhr mit den üblichen Hygieneregeln und Erfassung der Adressdaten geöffnet. Das Konzept orientiert sich an der Wandelkirche, mit der die Gemeinde bereits in der Adventszeit einen Raum für Spiritualität und Innehalten geboten hatte und auf großen Zuspruch gestoßen war.

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