Dächer brechen unter der Schneelast zusammen

Herford. "Man ist so machtlos", sagt Gärtnermeister Heiner Schwagmeier. An seinen Gewächshäusern sind seit dem extremen Winterwochenende schon über 200 Glasscheiben unter der Schneelast zerbrochen. Und es werden täglich mehr. Er weiß, dass es vielen Berufskollegen in der Region nicht besser geht. Die gute Nachricht: Das Tulpengewächshaus, das derzeit den größten Umsatz im Hofladen bringt, ist wie durch ein Wunder nicht betroffen. Aber die neun Rosengewächshäuser, in denen sich auch die ersten Blüten zeigen. Gewächshäuser "Der starke Schneefall gepaart mit dem Wind hat zu zwei Meter hohen Schneeverwehungen zwischen den geneigten Gewächshausdächern geführt", hat er beobachtet. "Da hält keine Scheibe mehr stand. Sonntagnachmittag krachten die ersten Gläser. Wir haben die Scherben vorsichtig entfernt und der Schnee fiel durch die Öffnungen ins Gewächshaus." Da weder die Pflanzen noch die Heizungsrohre Frost vertragen können, musste schnell gehandelt werden. "Wir haben die Lücken mit Holzplatten geschlossen", sagt Heiner Schwagmeier. "Wie groß der Schaden ist, sieht man erst wirklich, wenn der Schnee abgetaut ist", meint er. Sonnenschein und Erhöhung der Heiztemperatur brachte keinen Erfolg im Kampf gegen den Schnee. Auch an ein Betreten der Dächer zum Schneeschippen ist nicht zu denken. So heißt es abwarten und weiter neue Lücken abdichten. Selbst im harten, schneereichen Winter von 1978 sei der Schaden nicht so hoch gewesen, meint der Gärtnermeister. Flachdächer In der Nachbarstadt Salzuflen ist am Mittwochabend das Vordach einer Industriehalle unter der Schneelast eingestürzt. Menschen wurden an der früheren Produktionsstätte von Alba Moda nicht verletzt. In Herford ist zum Glück solch ein Unglück in diesen Tagen bisher nicht passiert. Das mag auch am Einsatz der Dachdecker liegen, die derzeit alle Hände voll zu tun haben, Hallendächer im Auftrag der Immobilienbesitzer rechtzeitig von ihrer Last zu befreien. Auftraggeber sind nicht nur Industriebetriebe sondern auch Supermärkte und ein Baumarkt. Nach dem Unglück in Bad Salzuflen ist die Nachfrage auch hier noch einmal gestiegen. "Wir sind jetzt hauptsächlich im Industriebereich unterwegs", sagt etwa Dachdeckermeister Frank Sandmann, dessen Betrieb unlängst am Bau des neuen Türmchens für das neue Restaurant Wohnzimmer an der Schillerstraße mitgewirkt hat. "Die ersten Kunden haben sich gleich Montag gemeldet", sagt er. Es ist überwiegend Handarbeit an der Schneeschüppe gefragt und die Mitarbeiter müssen sich entsprechend absichern. Denn wer durch ein unter Schnee verstecktes Oberlicht oder vom Gebäude stürzt, fällt tief. Um den Schnee vom Dach zu bekommen, nutzen Sandmanns Leute oft eine Mulde, die an den Haken des Autokrans gehängt wird. Tauwasser Neben dem Gewicht sieht Sandmann ein anderes Problem: "Wo fließt das Wasser hin, wenn der Schnee taut?" Bei Neubauten sei heute Vorschrift, einen Notüberlauf einzubauen, für den Fall, dass die Dachgullis verstopft sind. Viele Besitzer von älteren Immobilien hätten den Notüberlauf nicht nachgerüstet. Erschwerend käme hinzu, dass viele Firmen keine Wartungsverträge mit Dachdeckern abgeschlossen hätten, die mindestens zweimal im Jahr kontrollierten, ob die Gullis auch frei sind. "Man kann sie ja nicht zwingen, aber es ist sinnvoll, um einen Wasserschaden am Bau zu vermeiden", meint Sandmann. Der Schnee müsse meistens nicht komplett vom Dach entfernt werden, aber die Abflüsse müssten freigemacht werden. Dachdeckermeister Thomas Mader ist bei nicht ganz so großen Objekten gefragt. Auch er musste sich einige Dächer ansehen, etwa Kindergärten, Garagen und Carports. "Eine Schneehöhe von rund 30 Zentimetern ist bei korrekter Bauweise meist kein Problem und es muss nichts unternommen werden", sagt er. Viel feiner Schnee sei auch gleich wieder hinuntergeweht. Handlungsbedarf könne dann entstehen, wenn mehrere Dächer höhengestaffelt nebeneinander gebaut sein, und sich auf dem niedrigeren Flachdach Schneeverwehungen bilden. Freistehende Garagen seien meist kein Problem. Mader hat jetzt auch viel mit älteren Satteldächern mit in Speis gelegten Dachpfannen zu tun. Dort fehlt die heute übliche, dichte Unterspannbahn unter den Dachpfannen und der feine Schnee kann bei starkem Wind in Dachstuhl und Dachboden eindringen. So geschehen im Spenger Rathaus. Statik Auch bei Statikerin Claudia Plake steht das Telefon derzeit nicht still, weil besorgte Hausbesitzer nachfragen. Sie weiß, dass nach einer älteren Norm, nach der noch viele Dächer gebaut sind, 37,5 Zentimeter Schneehöhe kein Problem sein dürften. Meist sei auch eine Reserve in der Statik, nach der auch 50 Zentimeter noch ausgehalten werden. Ein Kubikmeter Pulverschnee wiegt nach ihren Angaben 200 Kilogramm. Alte Statiken sind auf eine Belastung von 75 Kilogramm pro Quadratmeter gerechnet. Dächer von angebauten, niedrigeren Gebäuden müssten für eine höhere Belastung ausgelegt sein, weil sich hier schneller Schneetaschen bilden. Balkone müssen nach Plakes Erfahrung aus statischen Gründen nicht von Schnee geräumt werden. Auch hier könne aber das Schmelzwasser ein Problem für das Haus werden. Wetterbeobachter Aber wie viel Schnee ist tatsächlich gefallen? "Am Dienstag hatten wir mit 31 Zentimetern Schneehöhe den höchsten Wert", hat der Herforder Wetterbeobachter Heinrich Wulff nachgemessen. "Schneeverwehungen können natürlich deutlich höher sein", weiß er. Auch auf Flachdächern, wenn darauf etwa Sonnenkollektoren verbaut sind. Vor zehn Jahren am 26. Dezember 2010 lag die Schneehöhe bei 27 Zentimetern. Am 13. Januar 1987 waren es 36 Zentimeter gewesen und am 18. Februar 1969 sogar 46 Zentimeter. Der kälteste Tag dieses Winters war der Mittwoch mit - 12,8 Grad in Wulffs Garten an am Ortsieker Weg. Direkt auf Schneehöhe sank das Thermometer auf - 20,2 Grad. Donnerstagnacht war es mit - 8,2 Grad etwas wärmer. Im Januar 1997 wurde es an einem Tag -15 Grad und im Januar 1987 -19,4 Grad kalt. Ungebrochen ist der Minusrekord vom 27. Januar 1942 mit - 27,9 Grad.

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