Der Beamte und die Schrecken der Großdiskothek

Herford. Lothar Sobek geht am 12. Oktober mit 65 Jahren in den Ruhestand. Der Leiter der Abteilung Bürgerservice, Sicherheit und Ordnung im Herforder Rathaus hätte das Ende seiner Beamtenlaufbahn schon im Frühjahr einläuten können, doch hat er sich wegen seiner langjährigen Erfahrungen nicht lange von seinen Mitarbeitern überreden lassen, noch bis zur Kommunalwahl zu bleiben. Auch wenn sich mancher das Beamtenleben anders vorstellt - "Langweilig ist woanders", möchte man mit einem Buchtitel von Mathias Polster sagen. Feuerwehreinsatz nach Pleiten, Pech und Pannen im Wahllokal So konnte Sobek am Wahlabend hautnah mitverfolgen, wie Bürgermeister Tim Kähler schon im ersten Durchgang wiedergewählt wurde. Doch es war spannend und langwierig, weil die Technik im Kommunalen Rechenzentrum hakte. Mehr Nerven hat ihn aber gekostet, als es zu Pleiten, Pech und Pannen in Herforder Wahllokalen kam. "Drei Mal mussten wir in den Jahren vom Rathaus ausrücken, um vor Ort Stimmen nachzuzählen, das war im Pfennigskrug, im KMG und in der früheren Albert-Scheitzer-Schule", erinnert er sich an Einsätze seiner schnellen Eingreiftruppe. "Einmal war ein Wahlvorstand fix und fertig mit den Nerven, wir mussten die Zettel ganz neu sortieren und auszählen." Vor gut zehn Jahren wurde sogar die Löschgruppe Schwarzenmoor der Feuerwehr losgeschickt, eine von den Wahlhelfern samt Ergebniszettel vergessene Wahlurne aus dem Wahllokal in Stedefreund zu befreien und auf schnellstem Wege ins Rathaus zu bringen. Einmal musste Sobek eingreifen, weil eine freiwillige Wahlhelferin am Wahlsonntag angetrunken im Pfennigskrug erschienen war, gar nicht zurecht kam und ersetzt werden musste. "Manches Mal wie ein Schiedsrichter geschlichtet" 47 Jahre lang war Lothar Sobek seit Antritt seiner Ausbildung im Dienst - insgesamt acht Verwaltungschefs hat er erlebt. "Mit dem einen oder anderen Führungsstil bin ich besser zurecht gekommen", sagt Sobek. Über Einzelheiten schweigt des Beamten Höflichkeit. Die eigenen Mitarbeiter haben ihm zu seinem Abschied eine Fotomontage geschenkt, in der er als Schiedsrichter neben seinem Team in Fußballertrikots vor dem Rathaus steht. Sobeks Abteilung ist die mit dem größten Publikumsverkehr. "Das sind rund 60.000 Besucher im Jahr, allein 40.000 in der Bürgerberatung", weiß er. "Da musste ich tatsächlich manches Mal wie ein Schiedsrichter schlichten. Ich habe auch lieber mit Menschen zu tun, als mit Zahlen." Freud und Leid, Ernst und Vergnügen treffen hier aufeinander. Da geht es um Aufgaben von der Trauung über entzogene Führerschein bis hin zur Organisation von Volksfesten einschließlich der 1.200-Jahr-Feier der Stadt und des Internationalen Hansetages. "Besucherklientel verursachte immer häufiger Polizeieinsätze" Auch bei der Verlegung der Osterkirmes auf die innerstädtische Durchgangsstraße hatte Sobek seine Hände mit im Spiel. "Auf der Kiewiese war die Veranstaltung auf dem absteigenden Ast, ein Teil der Besucherklientel verursachte immer häufiger Polizeieinsätze." Die Alternativen Güterbahnhof und Berliner Straße scheiterten an fehlender Infrastruktur wie Strom und Abwasser und an lärmempfindlicher Wohnbebauung. So entschieden sich Stadt, Schausteller und Pro Herford für den Bereich Auf der Freiheit/Janup/Gänsemarkt. Sobek findet das noch immer richtig. Dass der Rummel seit Monaten ruht, das tut ihm für die Schausteller sehr leid. Von dort ist es nicht weit zum Go-Parc. Dass die Großdiskothek 1985 im Parkhaus an der Bahnhofskreuzung eröffnet und zu einem überregionalen Anziehungspunkt junger Leute werden konnte, auch damit hatte der damals 30-Jährige zu tun. Erster Mieter in der neuen Fläche war der Baumarkt "Bauhaus" gewesen, doch der Umsatz stimmte nicht. Man hatte gleichzeitig überlegt, eine Disco im Großmarkt Hesseldiek, heute Toom-Baumarkt in Herringhausen, zu genehmigen. Doch dann bot sich der Leerstand im Parkhaus in Bahnhofsnähe an. Eine Disco an dieser Stelle würde auch die umliegende Gastronomie beleben, so die Spekulation. Die Stadt hatte ein Mitspracherecht über die Nutzung, weil sie der Parkbau das Grundstück zur Verfügung gestellt hatte. "Ist das nicht eine Drogenhölle?" Doch überhaupt: Eine Großdiskothek - ist das nicht eine Drogenhölle? Mindestens Trinkgelage der Jugend waren zu befürchten. "Man kannte das ja in Herford noch nicht", erinnert sich Sobek, der als damaliger Löhner gern in "Wegeners Tenne" unterwegs war und auf der Karriereleiter im Amt für Wirtschaftsförderung angekommen war. So machten sich ältere Herrschaften des Wirtschaftsförderungsausschusses und der Disco-Investor eines Abends mit zwei Bullis auf zu einer Disco in Hannover. Nach anderthalb Stunden kam jeder für sich zum Ergebnis: "Es ist ganz nett, da sind fröhliche Leute und es wird in Maßen getrunken. Warum also nicht." Im Lärm der Disco konnte man darüber aber nicht verhandeln. So fuhr man heim. "An der Autobahnabfahrt Herford-Ost haben wir noch mal angehalten und uns in die Hand versprochen: wir genehmigen die Disco", erinnert sich Sobek. Interesse am Standort hatte auch die Diskothek Phönix (heute X) gehabt. Die eröffnete dann zwei Monate später an der Bünder Straße, so dass Herford zu einem Zentrum des ostwestfälischen Nachtlebens wurde. "Ich habe den Go-Parc mit meiner Frau auch lange besucht", erinnert sich Lothar Sobek. "Schade, dass der Betrieb wegen Corona nun ruht und nicht klar ist, wann und wie es weiter geht." Für dieses Jahr rechnet Sobek nicht damit. Corona - eine Herausforderung für die Ordnungsbehörde Überhaupt: Corona. Vor Ausbruch der Pandemie hatte sich Sobek sein letztes Berufsjahr ruhiger vorgestellt. Gerade in der heißen Phase der Beschränkungen in April und Mai war die Ordnungsbehörde in der Durchsetzung der Anordnungen gefordert. "Die Richtlinien vom Land kamen oft am Wochenende und mussten schon am Montag umgesetzt werden", erinnert sich Sobek. An die 700 Ordnungswidrigkeiten haben die Leute der Citywache registriert. So mussten die Schließung der Geschäfte, Gaststätten und Spielplätze und die Einhaltung der Maskenpflicht überwacht werden. Schonfrist für die Raser "Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Citywache von zwei auf vier Personen aufzustocken", sagt Sobek. Das reichte aber nicht. Um die Coronamaßnahmen zu überwachen wurde zeitweise die Verkehrsüberwachung heruntergefahren. So bekamen die Autofahrer auch eine ungewollte Schonfrist gegenüber dem verschärften Bußgeldkatalog, der ja später gekippt wurde. Recht und Ordnung weiß Sobek bei seiner Nachfolgerin Petra Stender in guten Händen. Im Ruhestand will er sich weiter seinem Steckenpferd Kirmes zuwenden: Auf seiner Modelleisenbahnanlage im Keller ist ein großer Rummelplatz aufgebaut.

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