Sind Mini-Wälder die Zukunft im Kreis? Wie Bäume sehr schnell wachsen

Kreis Herford. Bäume binden klimaschädliches Kohlendioxid, kurz CO2. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie unter bestimmten Bedingungen deutlich schneller wachsen, als gemeinhin angenommen wird. In zwei bis drei Jahren entstehen dann Wälder, wie normalerweise erst nach zehn Jahren, in zehn Jahren wie üblicherweise nach 50 Jahren. Tiny Forest nennt sich das Konzept, das der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Michael Schönbeck, kürzlich zum Thema einer CDU-Onlineveranstaltung machte. An ihr nahmen auch Lukas Steingässer und Stefan Scharfe teil, zwei Studenten der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, die im Frühjahr in der Uckermark den ersten Tiny Forest in Deutschland angelegt haben. Grundsätzlich kann jeder einen Mini-Wald auf kleiner Fläche pflanzen Das Konzept dieser Mini-Wälder geht auf den japanischen Pflanzenbiologen Akira Miyawaki zurück. Größere Bekanntheit erlangte es, als der Ingenieur Shubhendu Sharma 2016 von seinen Erfahrungen damit im Tedtalk berichtete (www.tedtalk.com: "How to grow a forest in your backyard"; deutschsprachige Untertitel lassen sich zuschalten). Sharma berät weltweit Menschen, die einen Tiny Forest anlegen wollen. Und grundsätzlich kann das jeder, der eine Fläche von ungefähr Tennisplatz-Größe zur Verfügung hat. Im Prinzip geht es darum, auf dieser kleinen Fläche sehr, sehr dicht sehr viele verschiedene Baumarten zu pflanzen. In der Uckermark haben Scharfe und Steingässer beispielsweise auf 800 Quadratmeter 2.500 Pflanzen und 27 Arten gesetzt, also ungefähr drei Bäume je Quadratmeter. Dabei haben sie sich zuvor angesehen, welche Bäume in der Region heimisch sind, dann diese Bäume nach ihrer Wuchshöhe in vier Kategorien unterteilt und nach einem bestimmten Schlüssel auf der Fläche verteilt. Zuvor haben sie den Boden auf ein bis zwei Meter ausgehoben und mit nährstoffreichem Stroh versetzt. Nach dem Pflanzen deckten sie den Boden mit Stroh ab, damit er nicht austrocknet. In den ersten beiden Jahren schützt in der Regel ein Zaun den Mini-Wald gegen Wildbiss, außerdem wird die Fläche in dieser Zeit immer wieder stark gewässert. Nach ungefähr drei Jahren erhält und erneuert sich der Tiny Forest von allein Der mit Nährstoffen angereicherte, lockere Boden ermöglicht den Bäumen, mit ihren Wurzeln sehr schnell in die Tiefe zu gehen. Bereits nach zwei bis drei Jahren bildet sich - durch die Beschattung durch die Blätter - Waldboden. Pilze vernetzen dann schon die Bäume miteinander. Nach ungefähr drei Jahren erhält und erneuert sich der Wald selbst, er benötigt keine Pflege, keinen Schnitt und kein zugeführtes Wasser mehr. Das strukturreiche, an den Standort angepasste Ökosystem verbessert die Luftqualität, hält die Feuchtigkeit besser im Boden als Felder oder Rasen und es erhält die Artenvielfalt. Denn in ihm siedeln sich Vögel und Insekten an. Zudem ist es in Wäldern im Sommer um bis zu sechs Grad kühler als in der Umgebung. Deshalb sind Tiny Forests für den urbanen Raum bestens geeignet: Sie haben das Potenzial, die Temperatur in Städten zu senken. Die CO2-Bindung stehe nicht im Vordergrund, sagten Scharfe und Steingässer, die in ihrer Präsentation auch Fotos von Tiny Forests inmitten von Großstädten zeigten. Dafür seien größere Flächen besser geeignet, die auszubaggern und mit Nährstoffen anzureichern ökologisch nicht sinnvoll sei. Für die Studenten geht es eher darum, Tiny Forests wie Nadelstiche überall zu pflanzen. Diese könnten dann später, wo es passt, auch miteinander verbunden werden. Bleiben Flächen brach liegen, wächst dort von allein ein Wald Pflanzen lasse sich gut in einer Gemeinschaftsaktion mit Schulen und Kindergärten, die danach die Zunahme der Artenvielfalt verfolgen könnten. So könne wieder ein Bewusstsein dafür entstehen, dass der Mensch Teil der Natur ist und sich in ihr auch entwickelt hat: Wald ist der Urzustand in Deutschland. Würden Flächen auf Dauer unangetastet bleiben, wären sie in 200 Jahren wieder mit Wald bedeckt, erklärten die Studenten. Die CDU würde gerne die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen im Kreis Herford Flächen für Tiny Forests zur Verfügung stellen oder selbst bepflanzen, zum Beispiel durch ein kreiseigenes Förderprogramm. Das soll eines ihrer Themen in der neuen Wahlperiode werden. Michael Schönbeck verwies auch auf Fördermöglichkeiten durch das Land: Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz bereitet gerade die Sonderprogramme "Klimaresilienz in Kommunen" und "Grüne Infrastruktur" vor. "Gegebenenfalls kann eine Förderung von Tiny Forests möglich sein. Das wäre im Einzelfall zu prüfen", so ein Sprecher des Ministeriums. Der Tiny Forest in der Uckermark wurde mit einem Crowdfunding finanziert Die größte Herausforderung, das merkte ein Teilnehmer in der Videokonferenz an, werde für die Bürger wohl sein, dass sie die Wälder wirklich unangetastet lassen. Denn üblicherweise meine der Mensch ja, er könne es schöner als die Natur. Erste Tiny Forests in Europa gibt es in Frankreich und den Niederlanden. 2019 wurden dem niederländischen Naturbildungsinstitut knapp zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit es im Laufe dieses Jahres 15 weitere dieser kleinen Wälder als umweltbildende Maßnahmen realisiert. Steingässers und Scharfes Mini-Wald ist überwiegend in Eigenleistung entstanden, gepflanzt haben die Studenten mit einer Vielzahl von Unterstützern. Bezahlen mussten sie im Wesentlichen nur die zweijährigen Bäume. Weniger als 10.000 Euro hätten sie dafür ausgegeben, sagten sie. Die kamen durch ein Crowdfunding zusammen.

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