Ein Abend der Gegensätze bei Wege durch das Land im Marta

Herford. Architektur und die Fragen, nach welchen Regeln gebaut wird, sind das verbindende Thema der Lesungen beim Wege-durch-das-Land-Abend im Marta-Forum. Während Architekt Andreas Bründler in seiner eigens verfassten &bdquo;Rede an die Architektur“ die Rahmenbedingungen einiger Entwürfe seines Büros erläutert, geht es im eindrucksvoll von Gudrun Landgrebe gelesenen Eingangskapitel von Ayn Rands (1905 bis 1982) Roman &bdquo;Der ewige Quell“ um die Frage, wie weit Architektur historischen Vorbildern verhaftet bleiben muss. Musik kommt vom Gawlik/Dorado Duo. Wegweisende Architektur aus der Schweiz Andreas Bründler ist eine Hälfte des Baseler Architekturbüros &bdquo;Buchner Bründler Architekten“. Das konnte seit 1997 zahlreiche, oft preisgekrönte Bauten umsetzen – Einfamilienhäuser in einer typischen Vorortsiedlung, eine Jugendherberge oder mehrstöckige Gebäude für Mischnutzung im städtischen Raum. Seine eigens für den mit &bdquo;Stein des Anstoßes“ überschriebenen Abend entstandene Rede ist ein Plädoyer für eine Architektur, die keine seriellen Entwürfe für beliebige Orte, sondern individuelle Bauten für ihren jeweiligen Standort entstehen lässt.Geleitet wird er von der Idee der Schichtung eines Baukörpers vom Innenraum bis zum öffentlichen Raum. Je nach Umfeld können Bauten seines Büros nach außen offen sein, um die Landschaft ins Innere zu holen, oder aber in dicht bebautem Umfeld abgeschlossen nach außen und leicht und licht im Inneren. &bdquo;Haus im Haus“, das Verhältnis von &bdquo;Intimität und Größe“, die Nutzung eines &bdquo;Tragenden Kerns“, &bdquo;Körperhaftigkeit“ oder das Arbeiten mit Vorgefundenem, sind Prinzipien nach denen für einen bestimmten Ort gedachte Architektur entstehen sollte. Architektur ist für ihn eine Suche mit dem Ziel &bdquo;Orte von Identität, Relation und Geschichte zu schaffen“, sagt er, denn die Menschen &bdquo;brauchen Architektur, die Zusammenhänge schafft und sie beheimatet.“ Auch die Musiker Lucas Dorado (Vibraphon) und Julius Gawlik (Saxophon) treibt die Idee der Vereinbarung von Gegensätzen um. &bdquo;Ugly Beauty“ (hässlich schön) ist ihr erstes Set in der Marta-Ausstellung &bdquo;Glas und Beton“ überschrieben, das zweite &bdquo;Harmonizing Contrasts“ (harmonisierende Kontraste). Das Duo lotet mit seinem mal sphärischen, mal aufgeregten Spiel unvereinbar scheinende Gegensätze aus, die immer wieder zusammenfinden, allerdings nicht immer harmonisch. Eindrucksvolle Lesung aus dem Buch einer problematischen Autorin Schauspielerin Gudrun Landgrebe nimmt die Zuhörer mit in die USA der 1920er bis 40er Jahre. Rands ursprünglich 1943 erschienener Roman beginnt mit dem Ausschluss seines Protagonisten Howard Roark aus dem Architekturstudium, weil er sich nicht um die erwartete Orientierung an historischen Vorbildern schert. Er möchte nicht im Auftrag anderer Leute bauen, sondern erwartet, dass die Leute zu ihm kommen, um sich von ihm Häuser bauen zu lassen. Im Disput mit dem Dekan zeichnet sich seine Überzeugung ab, dass schöpferische Menschen nie für ihre ignoranten Mitmenschen, sondern nur um der Sache selbst willen arbeiten. In Deutschland war das Buch lange wenig bekannt, in den USA gehört es zu den einflussreichsten Büchern überhaupt und Rand zu den Vordenkerinnen der politischen Rechten, die gegen Obama opponierte und Trump ins Amt hievte. Das von Landgrebe gelesene Kapitel dreht sich zwar nur um die Frage, wie viel überkommene Tradition Roarks akzeptieren muss, der Roman gilt aber als eine Art erstes politisches Manifest der Autorin, die einen unregulierten Kapitalismus befürwortete und aktive Hilfe des Staates für seine Bürger wie Sozialhilfe ablehnte. Ob sich Ideologie und Wirkung der Autorin vom Romaninhalt trennen und in einen quasi-theoretischen Diskussionsraum verbannen lassen, ist wohl entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob die Auswahl des Romans durch die Festivalleitung wirklich gelungen ist. Gerade in Zeiten von Krisen wie Erderwärmung und Corona-Pandemie, die die Grenzen des Egoismus nachdrücklich aufzeigen, hätte sich wohl auch ein weniger ideologiebeladenes Buch finden lassen sollen.

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