Corona-Pandemie: Droht ein Jahrgang der Nicht-Schwimmer?

Herford. "Wir sind froh, dass es jetzt wieder losgeht", sagt Vanessa Mellentin über den nun beginnenden Seepferdchenkurs im H2O. Mellentin ist in der Turngemeinde Herford Leiterin der Abteilung Schwimmen. Aufgrund der Pandemie ist das eine Aufgabe, bei der es momentan teilweise weniger um den Sport als vielmehr um Hygienevorschriften geht. Der angelaufene Seepferdchenkurs fällt daher kleiner aus als normalerweise: Statt 16 dürfen nur noch acht Kinder dabei sein. Jedes Jahr legen viele Hundert Kinder in Herford ihr Seepferdchen ab. Mit dieser häufig ersten Prüfung in ihrem Leben zeigen sie mindestens, dass sie sich über Wasser halten können. Aufgrund des eingeschränkten Betriebs vergangener Monate und der vorübergehenden Schließung der Bäder ist jedoch nicht nur der Badespaß der Herforder zu kurz gekommen. Sondern vielen Vorschulkindern wurde die Teilnahme an einem Kurs aus bekannten Gründen verunmöglicht. Droht aufgrund der Pandemie deshalb ein Jahrgang der Nicht-Schwimmer? Die Schwimmfähigkeit sei ohnehin gering Bereits 2017 gab die DLRG mittels einer Forsa-Umfrage bekannt, dass fast 60 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland keine sicheren Schwimmer sind. Zwar hätten 77 Prozent der Grundschüler ein Seepferdchen absolviert. Dabei handle es sich jedoch nicht um ein Schwimmabzeichen, sondern "lediglich um eine Bescheinigung dafür, dass sich das Kind auf einer Strecke von 25 Metern über Wasser halten kann", hieß es damals. Die Gründe für die mangelnde Schwimmfähigkeit seien etwa im familiären und schulischen Umfeld zu suchen, ebenso spielten Bäderschließungen bei der Entwicklung eine Rolle. Die Pandemie könnte diesen Trend und seine gefährlichen Folgen verstärken. Auf der Warteliste der Turngemeinde Herford befinden sich gerade die Namen von etwa Hundert Kindern, berichtet Vanessa Mellentin, die seit vier Jahren als Übungsleiterin aktiv ist. Die Kinder müssten etwa ein Jahr auf einen Platz in einem Seepferdchenkurs warten. Lange Wartezeiten seien ohnehin "ein grundsätzliches Problem", das bereits vor der Coronakrise auftrat. Bei der DLRG-Ortsgruppe Herford sieht das ähnlich aus. Laut Angaben auf der Webseite können die Ehrenamtlichen dort "Anmeldungen zum Anfängerschwimmen nicht direkt berücksichtigen". Die Wartezeit betrage mehr als ein Jahr. "Die Kleinen brauchen eine Auffrischung" Die Einschränkungen infolge der Pandemie leisten dahingehend einen weiteren Beitrag, der die Situation verschärft. Normalerweise bietet die Turngemeinde Herford etwa fünf bis sechs Kurse pro Jahr mit je 15 Einheiten an. Aufgrund der aktuellen Situation geht die Abteilungsleiterin in diesem Jahr von zwei bis drei Kursen aus. Hinzu käme, dass Kinder, die bereits im Frühjahr einen Kurs angefangen haben, nun möglicherweise erneut Training bräuchten. "Die Kleinen brauchen eine Auffrischung", sagt Mellentin, denn die Schwimmfähigkeiten hätten sich in den vergangenen Monaten nicht festigen können. "Ich kann die Sorgen und die Not der Eltern verstehen" Der TV Elverdissen konnte aufgrund eines früh ausgearbeiteten Hygienekonzepts bereits im Juni erste Kurse im H2O anbieten. Im Laufe des Sommers wurden die ins Freibad verlagert, wo dann 38 Kinder ihr Seepferdchen ableisten konnten. Neben Vereinen und privaten Anbietern gibt es in Herford die Möglichkeit, Kurse direkt im H2O zu belegen. Allerdings sind die bisher noch nicht wiedergestartet. "Wir suchen ein schlüssiges Konzept", erklärt Bäderbetriebsleiter Markus Diering. "Ich kann die Sorgen und die Not der Eltern verstehen. Aber wir wollen Mitarbeiter und Kinder keiner Gefahr aussetzen", begründet er die momentane Situation. Im vergangenen Jahr durchliefen unter Anleitung der Schwimmmeister im H2O 770 Kinder einen Schwimmkurs. In diesem Jahr sind es bisher 200. Wobei man bei jenen Kindern, die im März ihren Kurs nicht zu Ende bringen konnten, "noch mal neu ansetzen muss", wie Diering ebenfalls bestätigt. Abgesehen von der aktuellen Situation appelliert er an die Eltern, dass die Kinder vor dem Beginn der Grundschulzeit einen Schwimmkurs absolvieren sollten. Denn häufig stelle sich beim Sportunterricht in der Schule später heraus, dass die Schwimmfähigkeit nicht gegeben ist. Es ist eine Beobachtung, die Vanessa Mellentin teilt. "Ein großer Teil muss in der Schule schwimmen lernen", sagt sie und verweist auf Probleme, die dann hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung auftreten können. Angesichts der Wartezeit, die in den kommenden Monaten nicht weniger werden wird, rät sie Eltern, sich bereits ein Jahr vor dem Wunschbeginn beim Verein zu melden. Gleichzeitig könne zuhause bereits eine erste "Wassergewöhnung" vor dem Seepferdchenkurs beginnen. Denn viele Kinder, die das erste Mal ins Schwimmbad kämen, hätten Angst vor dem Wasser. Sie empfiehlt einen Blick auf die Webseite des Schwimmverbandes NRW.

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