Wie die Rostbratwurst vor 110 Jahren Herford eroberte

Herford. Herford und Rostbratwurst? Das verbinden die meisten mit der Reckendorfschen Bratwurst, deren Rezept heute noch von Thomas Enders an der Bielefelder Straße, auf den Stadtfesten und dem Weihnachtsmarkt für seine bekannten Würste verwendet wird. Reckendorfs Schlachterei und Wurstproduktion war zunächst an der Komturstraße und zuletzt an der Elverdisser Straße. Die Würstchen vom Rost gab es am Lübbertor. Der eigentliche Erfinder der &bdquo;Herforder Rostbratwurst" – so meldete es zumindest am 10. Februar 1950 eine Herforder Zeitung – war Schlachtermeister Paul Brandhoff. Damit feierte die Zeitung 40 Jahre Rostbratwurst in Herford. 1910 &bdquo;erschien hier Paul Brandhoff", 1880 in Essen-Werden geboren, der nach seiner Lehre zuhause im Thüringischen (in Eisenach, Gotha, Erfurt und Ohrdruf) seine Gesellenjahre erlebt hatte. Von dort brachte er wohl das Rezept mit und zog mit den ersten Würstchen in einer Schiebekarre zu einem Fest in Herford. Es brauchte allerdings einige Zeit und einen glücklichen Zufall, ehe aus der zunächst von den Herfordern eher argwöhnisch beäugten Brandhoff’schen Geschäftsidee ein Erfolg wurde. Dieser ereignete sich laut der Chronik des Schützenvereins Herford-Radewig im August des Jahres 1913, als der ein Jahr zuvor gegründete Verein zu seinem ersten großen Schützenfest eingeladen hatte. 500 Gäste waren auf den festlich hergerichteten Platz an der Otterheide eingeladen worden. Und weil schon damals Schützenfeste nicht nur mit Sprudel und Limo gefeiert wurde, gab es auch reichlich Bier, dem aufgrund des kurz vor dem Fest einsetzenden heißen Sommerwetters tüchtig zugesprochen wurde. Damit war der Bann gebrochen Am nächsten Tag herrschte trotz des strahlenden Wetters entsprechend mächtig Katerstimmung – bis ein Schützenbruder aus Thüringen von den Würsten aus seiner Heimat erzählte. Paul Brandhoff reagierte geistesgegenwärtig und heizte seinen Grill an – und der Siegeszug der Herforder Rostbratwurst begann. Denn &bdquo;kaum hatte der erste probiert und gemerkt, wie sich unter dem Einfluss der kräftigen Würze sein Kater in eine Lerche verwandelte, da war das Unglück geschehen", heißt es in der Chronik. &bdquo;Im Augenblick war der Vorrat erschöpft." Der Schlachtermeister eilte nach Hause und sorgte mit einem frisch geschlachteten Kalb noch für Nachschub – der Nachfrage konnte er aber dennoch kaum Herr werden. Damit war der Bann gebrochen, die Bratwurst setzte sich später dann auch auf den Märkten und der Visions-Kirmes durch. Die Wurst soll schon 1910 so groß wie heute gewesen sein und kostete damals 40 Pfennig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden zwar zahlreiche neue Bratwurstbuden gegründet, aber die Brandhoffsche Wurst blieb beliebt, auch im weiteren Umkreis von Herford. 1950 war sie 80 Pfennig teuer – mit aus China und Amerika importierten Schweindärmen. Auch die Holzkohle hatte damals schon ihren Preis. Mitte der 1960er Jahre verschwand Brandhoffs Würstchenbude Paul Brandhoff, der bis 1920 auch eine Kolonialwarenhandlung an der Bergertormauerstraße 16 betrieben hatte, verstarb 1956, sechs Jahre nach der Reportage zum 40. Jahrestag seiner Rostbratwurst. Sein Wohn- und Arbeitssitz war lange an der Weststraße 13. Brandhoff hatte neben dem Geschäft an der Weststraße und seinem Einsatz auf Festen auch noch eine Würstchenbude an der Bahnhofstraße, die er 1954 in den Pavillon der früheren Fahrradhandlung Königseder an der Kurfürstenstraße 26/28 neben dem Bahnhofshotel verlegte. Dort erhielt er die Konzession zum Verkauf von Bratwurst, alkoholischen Getränken, Zigaretten und Süßwaren. Auch für die Folgen des Genusses war gesorgt: &bdquo;Der Bahnhofswirt Wortmann ist mit der Benutzung der Aborte im Bahnhofshotel durch die Gäste der Speisewirtschaft einverstanden." Mit dem Abriss des Bahnhofshotels Mitte der 1960er Jahre verschwand auch Brandhoffs Würstchenbude. Nach seinem Tod ging seine Schlachterei auf die Schlachterei Horst Langner über, die bis 1966 dort existierte. Neben der Schlachterei und Speisewirtschaft mit Würstchenverkauf verkaufte dieser ab 1958 auch Rauchwaren und Süßigkeiten. Ob das Rostbratwürstchenrezept, das einst die Radewiger Schützen und danach ganz Herford in Verzückung versetzt hatte, danach weiter erhalten blieb, ist bisher unbekannt.

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