Brexit: Damit rechnen Bugatti, Hettich & Co beim Austritt der Engländer

Kreis Herford. Das Votum liegt bereits mehr als drei Jahre zurück. Das Ergebnis hingegen ist aktueller denn je. Im Sommer 2016 entschieden sich die Bürger Großbritanniens mit einer Mehrheit von 51 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union, den Brexit. Nach langwierigen Verhandlungen sowohl im britischen Unterhaus als auch mit der EU-Kommission soll die Trennung am 31. Oktober vollzogen werden. Nach den neuesten Entwicklungen scheint ein Austritt ohne Abkommen zunächst vom Tisch. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen, zudem nur ein schmales Zeitfenster. Dies betrifft die heimische Wirtschaft, auch im Kreis Herford. Eine ganze Reihe von Unternehmen unterhalten Handelsbeziehungen ins Vereinigte Königreich oder haben Produktionsstandorte auf den britischen Inseln. Wie gehen diese mit dem nahenden Brexit um? Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen geht man vom Schlimmsten aus. "Die EU wird das Paket nicht noch einmal aufschnüren. Ein ungeregelter Brexit käme einer Katastrophe gleich", sagt Jens Heckeroth, IHK-Referent International. "Großbritannien würde zu einem Drittland nach Standards der Welthandelsorganisation werden. Es müssen Zollkontrollen eingeführt werden. Und Staaten wie China werden genau darauf achten, dass Großbritannien von der EU auch als Drittland behandelt wird. Ansonsten drohen Klagen." IHK bietet Fortbildungen und Beratungen an Deshalb bietet die IHK auf ihrer Internetseite seit fast zwei Jahren eine umfangreiche Checkliste an, an der sich die hiesigen Unternehmen orientieren können. Zudem versuchen Heckeroth und seine Kollegen seit mehreren Monaten, die Wirtschaft für das Thema mit Fortbildungs- und Beratungsangeboten zu sensibilisieren. Denn für die Betriebe hätte der Brexit unter Umständen zoll- und vertragsrechtliche Folgen. "Die Unternehmen müssen in einigen Fällen ihre Rahmenverträge abklopfen. Eine 'Just-in-Time'-Verpflichtung etwa wird künftig schwierig durchzuführen sein, wenn man die drohenden Staus in Calais und Dover bedenkt." Diese Ansicht teilt man auch bei der Hettich Unternehmensgruppe, einem führenden Hersteller für Möbelbeschläge in Kirchlengern. "Wir befürchten, dass die zusätzliche Zollbürokratie zu möglichen Lieferverzögerungen und Engpässen in der Logistik führt", sagt Geschäftsführerin Catherine Courcel. Als Reaktion darauf seien die Lagerbestände aufgestockt worden, um etwaige Verzögerungen abzufangen. Zudem wurden die Mitarbeiter zu den wahrscheinlichen Ergebnissen und Auswirkungen geschult. "In der Regel leidet der Möbelmarkt erheblich unter solchen Umständen, in denen die Verbraucher den Kauf von teureren Produkten verschieben", sagt Courcel. Für einige Unternehmen ist der Brexit kein Thema Andere Unternehmen geben sich indes gelassen. "Aus heutiger Sicht hat der Brexit keine unmittelbare Auswirkungen auf unser Geschäft. Mit dem Kenntnisstand, den wir heute haben, sind wir perfekt auf den Brexit vorbereitet. Unsere Mitarbeiter in den Bereichen Organisation, Logistik und Zoll sind geschult und haben die nötigen Vorbereitungen getroffen", sagt Nils Schrahe, Geschäftsleiter International Sales bei Brax. Bei Bugatti will man das Eintreten des Brexits abwarten, bevor Maßnahmen geprüft und entschieden werden. "Wir haben jedoch prophylaktisch die Lieferbedingungen angepasst", sagt Exportleiter Nicolas Zülka. Und auch beim Druckmaschinenbauer Allstein aus Herford, dessen geschäftsführender Gesellschafter Gordon Whitelaw gebürtiger Brite ist, sieht man sich nicht unmittelbar bedroht. "Für uns ist das momentan kein Thema", heißt es aus dem Allstein-Vertrieb. "Wir müssen abwarten, wie sich die Lage entwickelt", sagt auch Christoph Hellmich von der Hellmich GmbH. Das Herforder Unternehmen fertigt Anlagen für die Rauchgasreinigung und Entstaubung. Hellmich hat Partner im Vereinigten Königreich, die jeweiligen Projekte sind zumeist für einen längeren Zeitraum angelegt. "Die Projekte werden nicht ohne weiteres weiter durchführbar sein wie bisher." Beim Möbelhersteller Küchen Häcker aus Rödinghausen macht sich der nahende Brexit schon jetzt bemerkbar. Seit den 80er Jahren macht der Möbelhersteller Geschäfte im Vereinigten Königreich. "Momentan sind die Geschäfte schwieriger. Die Kunden sind verunsichert", sagt der zuständige Vertriebsleiter Jörg Varnholt. Großbritannien gehöre zu den fünftgrößten Absatzmärkten des Unternehmens. Varnholt schätzt die Umsatzeinbußen auf drei bis fünf Prozent. Spediteur rechnet mit deutlichem Umsatzrückgang Mit einem deutlichen Umsatzrückgang rechnet hingegen Volker Platz. Der Herforder Unternehmer betreibt die AM Spedition in Bad Salzuflen, die sich auf Möbeltransporte ins Vereinigte Königreich spezialisiert hat. In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen volle Auftragsbücher, verzeichnete einen Zuwachs von zehn bis 15 Prozent. "Der Bedarf an Konsumgütern war hoch", sagt Platz, dessen Betrieb vor allem vom Abzug der britischen Soldaten aus Deutschland profitierte. Die gute Stimmung sei nun aber vorbei. Mit einem Rückgang von 20 Prozent rechnet man bei der AM Spedition. Aber: "Wenn es losgeht, dann sind wir vorbereitet. Die Drohszenarien werden aus meiner Sicht auch nur für ein oder zwei Monate Bestand haben." Der Spediteur sieht die Entwicklung skeptisch. "Der Markt wird sicherlich nicht zusammenbrechen. Aber für den europäischen Gedanken ist die ganze Brexit-Geschichte eine ganz schlimme Entwicklung." IHK-Referent Heckenroth sieht vor allem Probleme für die heimische Wirtschaft aufziehen. "Die Briten drehen sich um sich selbst, die Katastrophe wird immer größer und die Verwirrung für unseren Mittelstand wächst."

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