Herford

Herford: Anhaltende Diskussion über den Werre-Pegel am Bergtor-Wehr

Während die Stadtverwaltung ein Planfeststellungsverfahren vorbereitet, positionieren sich Befürworter und Gegner einer Beibehaltung des Werre-Pegels

Eingefroren: Eiszapfen haben sich derzeit an Ästen und Zweigen gebildet, die am renovierungsbedürftigen Bergertor-Wehr hängen geblieben sind. Strittig ist, wie es hier künftig aussehen soll. | © Foto: Peter Steinert

Peter Steinert
26.01.2019 | 26.01.2019, 07:20

Herford. Die Umgestaltung des Bergertor-Wehrs und der zuletzt gefasste Ratsbeschluss einer Beibehaltung der Werrepegels sorgen weiter für Wirbel. Während die Verwaltung ein Planfeststellungsverfahren vorbereitet, positionieren sich Befürworter und Gegner. Umgehend nach der Abstimmung im Rat meldete sich mit Bernd Meier-Lammering der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er spricht von einer Fehlentscheidung und droht mit Klage. Stadtführer Mathias Polster erinnert als Restaurator dagegen an negative Auswirkungen bei früheren Veränderungen des Grundwasserspiegels. Denn das Risiko lauere allemal in der Tiefe.

»Münster steht auf einer Düne zwischen Aa und Werre«

Polster selber war einst mit einer stratigraphischen Untersuchung beauftragt worden, bei der die Bodenschichten für den Neubau eines Hauses an der Komturstraße untersucht werden sollten. "Zumeist sind es Sand- und Lösschichten, auf denen die Häuser der Innenstadt stehen. In diesem Fall fanden sich in etwa sechs Metern Tiefe die Reste eines mindestens 10.000 Jahre alten Bewuchses in Form von Blättern oder kleinen Ästen. Diese sogenannten Torflinsen garantieren nur dann eine gewisse Bodenfestigkeit, solange sie mit Grundwasser versorgt werden und nicht austrocknen."

Betont seine Neutralität: Stadtführer Mathias Polster. - © Stephen Paul
Betont seine Neutralität: Stadtführer Mathias Polster. | © Stephen Paul

Das Problem in Herford sei, dass nicht feststehe, wo sich diese Hinterlassenschaften befinden. "Das kann überall dort sein, wo die Werre floss. Die hielt sich allerdings nicht in ihrem heutigen Flussbett auf, sondern mäanderte über das gesamte heutige Stadtgebiet. Man weiß nie, wo was wann angespült wurde", so Polster.

Will abwägen: Beigeordneter Peter Böhm. - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Will abwägen: Beigeordneter Peter Böhm. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Als Ausnahme gilt die heutige Münsterkirche. Matthias Polster: "Die ist auf einer Sanddüne zwischen Aa und Werre gebaut worden." Als weniger standfest erwies sich dagegen die Johanniskirche am Neuen Markt. Infolge zunehmender Kanalisierung sank der Grundwasserspiegel, so dass sich unübersehbar Risse am Gotteshaus ausbreiteten.

Verrottete Pfähle wurden durch moderne Materialien ersetzt

Droht mit Klage: Bernd Meier-Lammering vom BUND. - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Droht mit Klage: Bernd Meier-Lammering vom BUND. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Pastor Johannes Beer: "1906 bis 1910 musste deswegen ein tragfähiges Fundament unter den Pfeilern angelegt werden. Zudem wurden die verrotteten Eichen-Pfähle durch moderne Baumaterialien ersetzt. Zuvor war schon der ursprüngliche Turm abgerissen worden, weil der der Boden nicht tragfähig war."

Ungeachtet dessen bleiben Naturschützer wie Bernd Meier-Lammering bei ihrer Forderung nach einer Absenkung des Werre-Pegels. Rückendeckung erhalten sie auch durch eine in Brüssel aufgestellte "Wasserrahmenrichtlinie", die für Fische und Kleinstlebewesen in Fließgewässern eine bessere Durchlässigkeit fordert. Was für Herford eine passgenaue Vorgabe sein könnte, da das in die Jahre gekommene Bergertor-Wehr ohnehin abgängig ist und nur mit großem Aufwand funktionsfähig gehalten wird.

Bernd Meier-Lammering: "Wir halten die beschlossene Variante für fehlerhaft, weil es keine sachliche Begründung für eine zweite Variante gab, bei der die Werre um 50 Zentimeter abgesenkt wird. Im Rahmen des Verfahrens werden wir dazu eine Stellungnahme abgeben."

Grundsatzfrage über die Stauung der Werre

Christian Welling vom Landesverband westfälischer Angelfischer verfolgt ähnliche Ziele. Er bemängelt, dass nur Varianten mit einem Stauwehr zur Auswahl gestanden hätten. "Der Sachverständige für Gewässerökologie hat über die Varianten kein Gutachtenerstellt, lediglich über den Absenkversuch. Ökologisch gute Varianten wurden gestrichen." Welling stellt sich zudem die Grundsatzfrage, warum die Werre überhaupt aufgestaut werden muss und nicht frei fließen darf.

Eine Antwort dazu gab im Dezember die städtische Gewässerplanerin Simone Schicketanz: "Gemäß des hydrogeologischen Gutachtens der Firma CDM Smith ist keine vollständige Absenkung der Wehranlage um 2,25 Meter möglich, so dass ein gewisser Wasserstand zum Schutz der umliegenden Bebauung auch zukünftig gehalten werden muss."

Insgesamt mag sich Christian Welling nicht mit den Antworten begnügen.Weswegen er diese Woche schriftlich Widerspruch gegen das Protokoll der vergangenen Ratssitzung eingelegt hat.

Planungen für Rückbau

Ungeachtet dessen setzt die Verwaltung die Planungen für den Rückbau und die Umgestaltung des Bergertor-Wehres zur Herstellung einer besseren ökologischen Durchgängigkeit nach einer Varianten-Studie fort, die eine halbseitige Aufstauung der Werre und keine Absenkung des Flusspegels beinhaltet.

Im nächsten Schritt solle ein Ingenieur-Büro die Genehmigungsplanung erarbeiten. Die dafür anfallenden Kosten betragen laut Beigeordnetem Peter Böhm "eine sechsstellige Summe", die in den Mitte Februar zu verabschiedenden Haushalt einfließen müsste. Vorbehaltlich der Zustimmung durch den Rat würde das Planungsbüro danach aktiv werden. Peter Böhm: "Anfang 2020 könnte das Planfeststellungsverfahren mit Beteiligung der Bürger beginnen. Wenn das abgeschlossen ist, können Fördermittel für die Umgestaltung des Bergertor-Wehres beantragt werden."

4,5 Millionen Euro Baukosten sind derzeit dafür veranschlagt. Nicht bekannt ist der städtische Anteil. Was durch die Bezuschussung des Landes begründet wird. Maike Wöhler (Leiterin Abteilung Stadtplanung): "Bis 2018 betrug die Förderquote 80 Prozent, seitdem sind es 70 Prozent. Dieser Anteil sinkt sukzessiv."

Schon allein deswegen ist der Stadt an einer zeitnahen Umsetzung gelegen. Doch auch sie muss sich an Vorgaben halten. Etwa, wenn der Kreis als Genehmigungsbehörde im Planfeststellungsverfahren Auflagen formuliert. Maike Wöhler: "Dann müssen wir dem auf jeden Fall folgen." Oder wenn Umweltschützer Vorbehalte haben. "Dann würden wir abwägen", sagt Peter Böhm, der mit einem frühesten Baubeginn Anfang 2021 rechnet.

»Grundwasserspiegel muss berücksichtigt werden«

Mathias Polster betont unterdessen seine Neutralität: "Ich stelle mich auf keine Seite, bin weder für die Kanufahrer noch für die Naturschützer." Sein Standpunkt: "Ich bin der festen Meinung, dass bei den Voruntersuchungen nicht alle Unterlagen berücksichtigt wurden. Dazu gehören auch die Unterlagen zum Bau des heutigen Wehres. Damals war der Werrepegel um 21 Zentimeter abgesenkt worden."

Über mögliche Folgen könne nur spekuliert werden, so Polster. Ein 1968 erstelltes Gutachten sei jedoch eindeutig gewesen. "Bei den Überlegungen muss die mögliche Veränderung des Grundwasserspiegels mit berücksichtigt werden. Eine wesentliche Absenkung des Grundwasserspiegels durch Beseitigung des Staus könnten nicht abzusehende Schäden, insbesondere mit Holzpfahlrostgründung, verursachen", schrieb der Gutachter.