Ein Literaturkurs macht Theater

Herford. Zusagen, Ablehnen, Teilen, Liken, Fragen beantworten - auf vielen Kanälen strömen unterschiedlichste Anforderungen aus dem Internet auf Ira ein. Ira heißt die Heldin in Martin Heckmanns 2010 uraufgeführten Werk "Hier kommen wir nicht lebendig raus", an dem der Literaturkurs der Q1 am Friedrichs-Gymnasium seit Schuljahresbeginn arbeitet. Jetzt war der Autor an der Schule, um über Aktualität des Stücks, Ideen für die Inszenierung aber auch über sich und den Beruf des Theaterautors zu sprechen. Das Stück erzählt von Ira, die von zu Hause ausbricht, unterschiedliche Berufe und Lebensentwürfe ausprobiert, nie richtig ankommt und doch neugierig bis zum Schluss bleibt. "Das Stück war ein bewusster Versuch, nach meinem Stück um den Mann, der zur Welt kommt, die Geschichte einer Heldin zu erzählen", sagt Heckmanns - deshalb auch der Untertitel: "Versuch einer Heldin". "Bei der Premiere ist es üblich, dass ein Stück wortgetreu in der Fassung des Autors gespielt wird", erklärt Heckmanns. Bei Folgeaufführungen an anderen Theatern werde dann oft freier mit dem Stück umgegangen, gestrichen, dazu geschrieben, es der Aktualität angepasst. Dabei sei er als Autor dann aber in der Regel nicht mehr dabei. Auch deswegen sei es für ihn spannend zu sehen, wie Schüler fast ein Jahrzehnt nach Entstehung des Stücks damit umgehen. "Ich habe das Stück selbst lange nicht mehr gelesen oder gesehen, und bin gespannt, was es euch sagt", so der Autor. Zwei Gruppen präsentieren ihre Ideen "Bevor ein Stück auf die Bühne kommt, setzen sich die Beteiligten intensiv mit einem Stück auseinander", sagte Maria Rohr, die den Kurs gemeinsam mit Ronald Scheibe-Hopmann leitet. Und so hatten sich die Schüler in Gruppen mit der Einstiegszene beschäftigt, in der das Internet eine wichtige Rolle spielt. Das war 2010 schon präsent, aber noch nicht ganz so allgegenwärtig und mobil wie heute auf den Smartphones. Und so fragte ein Schüler, ob nicht der technische Aspekt aktualisiert werden müsse, während andere anmahnten, die positiven Seiten oder die Gefahren wie eine mögliche Überforderung in den Blick zu nehmen. Dann präsentieren zwei Gruppen ihre Ideen für die erste Szene. Und es wird klar, wie unterschiedlich sie gespielt werden und wie unterschiedlich die Wirkung sein kann. In der ersten Fassung wird eine junge Frau von um sie herum aufpoppenden Nachrichtenfetzen bedrängt, gejagt und eingekreist. Die andere Gruppe sitzt im Saal vor der Bühne verteilt, die Nachrichten scheinen von überall her zu kommen. Auch die Frage der Textverständlichkeit muss bedacht werden "Die erste Variante wirkt viel bedrohlicher und führt sofort die Hauptperson ein, die zweite ist offener, lädt die Zuschauer eher ein und stellt außerdem einige Personen als Individuen vor", sagt Heckmanns. Welche Lösung bevorzugt werde, hänge von der gewünschten Aussage ab. Er weist noch auf etwas anderes hin: "In der offenen Variante sind die Texte der Darsteller viel besser zu verstehen. Die andere Variante, die in einem Halbkreis mit sich überlappenden Dialogfetzen endet, ist dagegen kaum etwas zu verstehen, wenn nicht sehr klar gesprochen wird." Auch die Frage der reinen Textverständlichkeit müsse bei Inszenierungen bedacht werden. Bis zu den Aufführungen am 13. und 14. Juni 2019 in der Aula gibt es also noch viel zu schreiben und zu diskutieren. Da der Kurs mit 26 Schülern sehr groß ist, werde auch die Frage Rollenbesetzung ein Thema sein, sagt Rohr: "Möglicherweise werden wir Rollen dazuschreiben oder verschiedene Aspekte einer Figur auf mehrere Darsteller verteilen." "Theater war und ist für mich ein Raum zum Experimentieren", sagt Heckmanns. Und er sei wirklich gespannt zu sehen, was die Schüler heute an seinen Stück interessiert und wie das Ergebnis aussehen werde.

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