
Herford. „Ufftata! Ufftata!". So mögen sich schmissige Märsche der Kaiserzeit angehört haben, die in den strengen 60-er Jahren bei einem Teil der älteren Generation immer noch angesagt waren. Befreiender aber ungewohnter klang zu jener Zeit wohl „Dam-dam-dam, da-dam-dam-da-dam!" Rainer Bärensprung strahlt, nickt rhythmisch mit dem schlohweißen Schädel, schnippt mit Mittelfinger und Daumen und gibt die ersten Takte für „I feel free" von „The Cream" vor.

Der Bielefelder ist an diesem Montag Filmemacher, Organisator, Requisiteur und vor allem Motivator. Für seinen Streifen „Als der Jaguar nach Herford kam" dreht er mit Sohn Robin und Tochter Hanna in der alten Turnhalle am Lübberbruch eine der entscheidenden Szenen. Sie zeigt am Beispiel des damaligen „Jaguar-Clubs" an der Mindener Straße, wie der Rock 'n' RollnRoll das Leben in Herford veränderte.
„Es geht in diesem Film nicht um den Jaguar-Club an sich, sondern darum, was diese für Herford herausragenden Zeiten mit den damaligen Jugendlichen machten und wie sie sich heute daran erinnern", sagt Bärensprung, der bei der Stadt dicke Bretter bohren musste, ehe er die Drehgenehmigung für die Turnhalle im Lübberbruch erhielt.
Die bietet sich angesichts ihrer historischen Substanz für den Filmemacher förmlich an. Zumal er elf Jungen gewinnen konnte, die im altertümlichen Dress den Sportunterricht von damals nachspielen.
Als Requisiten Schuhe aus der Altkleidersammlung
Als Sportlehrer fungiert mit Ulrich Somsky ein Lehrer im Ruhestand, der Rainer Bärensprung von früheren Kunst- und Theaterprojekten kennt. Auch der Ex-Pauker hat sich optisch eingebracht: „Die Schuhe sind von der Brockensammlung Bethel, an der Adidas-Hose ist das Logo entfernt worden. So etwas gab es damals nicht", belehrt der Pädagoge den gestandenen NW-Reporter.

Ein paar Meter daneben ist Jessica Grensemann unterhalb eines griffigen Kletterseils bei der Maske, drückt der Reihe nach mattes Haarwachs auf die Häupter von elf Heranwachsenden, die sich an diesem letzten Montag in den Schulferien für den Dreh bereit erklärt haben und die nun in kurzer schwarzer Hose und im weißen Feinripphemdchen auf ihren Einsatz warten.
Darunter auch Dominik Wolf, der das Herforder Friedrichs-Gymnasium besucht und der gleich nach der Maske eine Veränderung verspürt: „Ich fühle mich schon älter". Oder die beiden 15-Jährigen Jost Röttger aus Herford und Moritz Dietrich aus Löhne, die später der Regievorgabe entsprechend erfahren, dass mit „The Cream" und dessen (auch heute noch aktivem) Frontgitarristen Eric Clapton eine Band in Herford auftrat, von der sie noch nie etwas gehört haben.
"So lax und leger war das früher nicht"
Bevor aber die Geschichte ihren Lauf für den Film nimmt, muss Bärensprung noch einmal ran: „Die Hemden in die Hosen, so lax und leger war das früher nicht." Dann darf Lehrer Somsky zeigen, was er gelernt hat. Ein scharfer Pfiff durch die Trillerpfeife und „Zack, zack, zack". Die Jungs laufen akkurat Abstand haltend in die Turnhalle, wo sie ihre Runden drehen und über einen Bock springen. Einmal, zweimal, dreimal. Und noch einmal.
Stets dabei: Bärensprung-Sohn Robin mit einer Kamera, die entweder mit einem Weitwinkelobjektiv aus einem Fenster der ersten Etage das Geschehen aufzeichnet oder die ebenerdig ganz nah an die Gesichter heranzoomt. Und Bärensprung-Tochter Hanna, die für den Ton verantwortlich zeichnet.
So wird an diesem Tag dokumentiert, wie der Sportlehrer seine Schulklasse zur Marschmusik kommandiert, ehe ein Typ im super-coolen Jaguar-Anzug (Moritz Mey) den Unterricht sprengt und den braven Schülern verrät, dass der Rock n Roll in Form der Band „The Cream" im Herforder Jaguar-Club gelandet ist.
20 Zeitzeugen für die Doku
Staunende Blicke der jungen Amateur-Schauspieler haften auf dem Profi-Mimen. Der verkörpert die neue Zeit, indem er erst den ledernen Sprung-Bock besteigt, sich streckt und dann mit einem gewaltigen Satz abhebt – das alles unterlegt mit den Klängen von „I feel free".
„Im Film geht dieser Sprung in eine Drohnenkamerafahrt über, die Herford aus der Luft zeigt", so Bärensprung, der für die anderthalbstündige Dokumentation 20 Zeitzeugen gefunden hat.
Das Exposé zum Phänomen des Herforder Jaguar-Clubs ist bei der NRW-Filmförderung in Düsseldorf eingegangen, der WDR zeigt Interesse. Der Film soll vor Weihnachten im Herforder „Capitol" sowie in einem Bielefelder Kino gezeigt werden.