Kreis Herford

Auch im Fall einer Katastrophe stets auf alles gut vorbereitet

Großschadenslagen: Was der Kreis unternimmt, um in Situationen mit mehr als vier Verletzten möglichst zielgerichtet und effektiv zu helfen. Krisenstab bringt die Lage unter Kontrolle

Mitglieder des Krisenstabes: Norbert Burmann, Ulrich Stender und Thomas Jakob sind dabei, wenn die Pläne für so genannte Großschadenslagen entwickelt werden. Dann kann der Krisenstab auf bis zu 170 Rettungsdienstmitarbeiter und 27 Fahrzeuge zugreifen. | © Foto: Petra Scholz||

Thomas Hagen
13.08.2017 | 14.08.2017, 10:18
Der ManV-Container: Er wird im Notfall auf das Einsatzfahrzeug für Einsätze mit vielen Verletzten geladen. - © Foto: Kiel-Steinkamp
Der ManV-Container: Er wird im Notfall auf das Einsatzfahrzeug für Einsätze mit vielen Verletzten geladen. | © Foto: Kiel-Steinkamp

Kreis Herford. Die Welt ist unsicherer geworden. Derzeit stellt der Nordkorea-Konflikt eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens dar. Kaum ein Tag vergeht, an dem uns nicht Meldungen von Attentaten oder militärischen Auseinandersetzungen erreichen.

Bislang ist der Wittekindskreis von solchen Ereignissen verschont geblieben und wird es, so die Hoffnung von Kreisdezernent Norbert Burmann, wohl auch bleiben. Trotzdem müssen die Rettungskräfte auf alles vorbereitet sein, was die Fachwelt unter Massenanfall von Verletzten (ManV) zusammenfasst.

Wann immer eine Situation mit mehr als vier Verletzten eintritt, muss der Kreis mit seinen Rettungskräften aktiv werden. Damit wird eine Situation bezeichnet, in der eine große Zahl von Verletzten versorgt werden muss. Alternative Bezeichnungen sind auch die Begriffe "Großunfall" oder "Großschadenslage".

Krisenstab koordiniert die Einsätze und plant

Einer der Köpfe der ManV-Organisatoren und des Krisenstabes ist Ulrich Stender, Abteilungsleiter Nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr und zuständig für Katastrophenschutz und Rettungsdienst auf Kreisebene. Zusammen mit Stender erarbeitet eine Gruppe von Führungskräften aus allen beteiligten Organisationen (Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk und Feuerwehren) die Konzepte, wie bei Situationen mit mehr als vier Verletzten verfahren wird.

Das müssen nicht unbedingt physische Verletzungen sein, es kann sich auch um psychische Belastungen handeln. So können bei einem Verkehrsunfall zwar vier Personen betroffen sein, aber nur eine muss notärztlich versorgt werden. Die anderen brauchen psychologischen Beistand, etwa eines Notfallseelsorgers.

Das Paradebeispiel für den Einsatz des Krisenstabes ist die Bombenentschärfung in einem Wohngebiet. Zuletzt geschah das im Frühjahr in Herford. Ab einer Personenzahl von 35 ist sowohl die Einsatzleitung gefragt als auch der Rettungsdienst des Kreises und - wenn nötig - auch der benachbarter Kreise.

Fünf-Millionen-Etat allein beim Kreis

Hier waren mehr als 500 Menschen betroffen und entsprechend 74 Kräfte im Einsatz. Denn in solchen Situationen kommen die regionalen Einsatzkräfte schnell an ihre Kapazitätsgrenzen.

Ein weiterer Fall mit hohem Personaleinsatz war das Unglück in Rödinghausen, bei dem ein mit 32 Personen besetzter Planwagen umstürzte und einen Menschen unter sich begrub. "Hier gab es einen Toten und viele Passagiere, die ein psychisches Trauma erlitten", erinnert sich Thomas Jakob. An diesem Tag waren neben dem Notarzt 116 Kräfte im Einsatz, dazu kamen vier Rettungswagen und ein Organisationsleiter sowie ein Gerätewagen.

Thomas Jakob, langjähriger Anästhesist am Klinikum, ist der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes und hat seinen Arbeitsplatz im Kreishaus. Knapp fünf Millionen Euro stehen ihm und den zuständigen Kreisbediensteten für den Rettungsdienst zur Verfügung. Die Städte Herford, Bünde und Löhne verfügen zusätzlich über eigene Etats.

Frühzeitig selbst bestimmen können

Sie alle konnten auf dem modularen Stufensystem aufbauen und schnell und effektiv Hilfe leisten. Jakobs Prinzip ist denkbar einfach: "Man muss frühzeitig vor die Lage kommen, die Entwicklung maßgeblich selbst bestimmen."

Das Internet ist dabei hilfreich, denn die Bettenlage in den Krankenhäusern ist online abrufbar. So können die Patienten zielgenau zur Behandlung gebracht werden. Die Einteilung von ManV-Stufen ist regional verschieden.

Die Bezeichnung der Stufen ist von der Anzahl der Patienten abhängig. So bedeutet beispielsweise ManV50, dass 50 Patienten versorgt werden müssen.

Daneben existieren so genannte Versorgungsstufen. Die Versorgungsstufe definiert welche Einsatzmittel verwendet werden.

  • Versorgungsstufe 1 (weniger als 50 Betroffene): Einsatz von Rettungsdienst und überörtliche Hilfeleistung;
  • Versorgungsstufe 2 (weniger als 500 Betroffene): Zusätzlicher Einsatz von Schnelleinsatztruppen;
  • Versorgungsstufe 3 (mehr als 500 Betroffene): Zusätzlicher Einsatz von besonderen, spezialisierten Einsatzeinheiten (z.B. besondere technische Rettungsausstattung);
  • Versorgungsstufe 4 (zusätzliche zerstörte Infrastruktur): Einsatz von Sonderschutzeinheiten.
  • Kreisweit sind 65 Notärzte im Einsatz, rund 170 Rettungsdienstmitarbeiter verfügbar, die in 27 Fahrzeugen zu den Einsatzsorten unterwegs sind. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Kreis rund 39.500 Einsätze.

INFORMATION


Wie in einem Krisenfall mit vielen Opfern verfahren wird:

  • Um die Verletzten zu erfassen, werden sie sichtbar mit einem Filzstift auf der Haut durchnummeriert und in eine von vier Sichtungskategorien eingeordnet. Diese Einordnung wird „Triage" genannt und folgt der Dringlichkeit der Behandlung.
  • Die Einordnung in die Sichtungskategorie erfolgt nach einem farbcodierten System. Die Patienten werden sichtbar mit einer farbigen Verletztenanhängekarte markiert.
  • Es existieren die Kategorien grün (leicht verletzt, spätere Behandlung), gelb (schwer verletzt, aufgeschobene Dringlichkeit), rot (akute vitale Bedrohung, Sofortbehandlung), blau (ohne Überlebenschance) und schwarz (tot).
  • Von hier aus werden Patienten in geeignete Krankenhäuser transportiert. Vor Transport findet eine namentliche Registrierung statt, um Angehörige informieren zu können.
  • Eine erste Handlungsanweisung bietet das STaRT-Schema. Die Abkürzung steht für Simple Triage and Rapid Treatment. StaRT dauert pro Patient nur etwa 60 Sekunden, ist für medizinisches Personal aller Qualifikationsstufen geeignet und benötigt keine besonderen Hilfsmittel.